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Popkultur

Dieser österreichische Bot schreibt tiefgründige Gedichte auf Instagram

Ein Programm legt 'Nachdenkliche Sprüche mit Bilder' neu auf. Und vielleicht erlöst uns die dichtende AI bald sogar von Julia Engelmann.

Roboter. Sie klauen unsere Jobs, ersetzen unsere Sexualpartner und belustigen uns schadenfrohe Loser mit ihren Fehlern. Nachdem eine Studie des Instituts fürs Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bereits Anfang des Jahres zeigte, dass Maschinen und Algorithmen bald schon jeden vierten Job übernehmen könnten, scheint künstliche Intelligenz jetzt auch in ein Berufsfeld vorzudringen, das wir bislang törichterweise als Safe Space vermutet hatten. Die Rede ist von der vermutlich höchsten Form der deutschsprachigen Dichtkunst: Nachdenkliche Sprüche mit Bilder.

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"Eloquentron3000" heißt das Programm, das von Fabian Navarro vom Verein FOMP geschrieben wurde und seither Insta-Lyrik generiert. Ursprünglich sollte es ihm dabei helfen, erzählende Texte für eine Lesebühne zu schreiben. Weil die deutsche Sprache mit all ihren Ausnahmen allerdings nicht gerade einfach ist, entschied sich Fabian kurzfristig, seinen Eloquentron vorerst nur zusammenhanglose Gedichte schreiben zu lassen. Herausgekommen ist eine Art Goethe-Automat, der von Instagram aus die Welt mit literarischen Ergüssen beglückt. Und die gehen unter die Haut.

"Du sagst: Wie Backfisch wissensdurstig und authentisch doch / Dann war es doch nur ein Ei / Möchtest du meine Frau werden." – So lautet etwa ein magischer Drei-Stropher, von dem man kaum glauben möchte, dass er von einer Maschine ohne Herz verfasst wurde. Und wenn ein Schriftwerk tatsächlich den Mut besitzt, auf einem schlichten aber prägnanten "PENIS" zu enden, dann weiß man: Das hier ist keine banale Prosa mit Zeilenbruch. Das ist Poesie.

Der Tiefgang der Texte, kombiniert mit ihrer optischen Aufmachung, die sich stimmig an inspirierender Wand-Deko und dem Facebook-Feed deiner Tante orientiert, erinnert tatsächlich ein wenig an die Bilder, mit denen Nachdenkliche Sprüche seit mittlerweile drei Jahren auf großen Zuspruch stößt. Nicht zuletzt auch dank Wegbereiterinnen wie Conny Dambach oder Iris Zschirnt.

Aber wenn Maschinen sogar Kreativität erlernen können – die menschlichste aller Fähigkeiten –, ist die Wissenschaft dann endgültig zu weit gegangen? Haben wir als Gesellschaft darin versagt, unsere wertvollste Kompetenz zu schützen? Wo liegen die Grenzen des digitalen Wandels? Werden Popstars eines Tages von humanoiden Robotern ersetzt? Oder ist das schon längst eingetreten? Was ist mit Britney passiert???

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"Natürlich ist der Gedanke beunruhigend, dass künstliche Intelligenz auch erste Schritte in die künstlerischen Bereiche wagt", sagt Bot-Erfinder Fabian Navarro gegenüber VICE. "Es gibt Künstliche Intelligenzen, die Bilder malen, komponieren und alles von Kurzmeldungen bis zu neuen Harry Potter-Bänden schreiben. Eloquentron3000 ist für mich persönlich ein Herantasten an diese Entwicklung, die in den nächsten Jahren noch viel größere Fortschritte vorweisen wird." Aber kann ein Bot wirklich Dichterinnen und Dichter ersetzen? "Kann schon sein", sagt Fabian völlig ohne Kulturpessimismus. "Ich vermute aber, dass sich vielmehr das Schreiben generell verändern wird, ähnlich wie die frühe Fotografie die Malerei verändert hat."

Dass Bots im Internet echte Juwelen sein können, bewiesen bisher schon Twitter-Accounts wie der von Sprechstunde Deutschland, der gutefrage.net-Anliegen direkt an Angela Merkel formuliert, oder der "Africa by Toto"-Bot, der die wichtigen Dinge des Lebens erkannt hat und ausschließlich Textzeilen des offiziell besten Songs aller Zeiten postet. (Es ist "Africa" von Toto.) Geheimtipp: Der bislang weitgehend unentdeckt gebliebene ABBA-Bot, der im Stundentakt legendäre Lyrics und große Wahrheiten wie "ABBA is groundbreaking" oder "ABBA is iconic" auskotzt, steht dem in nichts nach.

Fabian und sein Gedichte-Bot werden unterdessen jedenfalls schon für Poetry-Slams gebucht, wo er die Texte vorträgt, die das von ihm geschriebene Programm selbstständig produziert hat. Ob der Eloquentron3000 seine Texte irgendwann selbst vortragen wird, bleibt abzuwarten. Statistisch gesehen ist es ziemlich wahrscheinlich. Penis.

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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