Lukas Wagner (links) und Corinna Ortner. Foto: Christoph Schattleitner | VICE Media
Auf dem Tisch liegen verschiedene Verhütungsmittel, bunte Genitalien aus Gips und Stoff, das Plakat mit den Begriffen und ein Stück Apfelkuchen. Foto: Christoph Schattleitner | VICE Media
Links: Leserbriefe 'Kleine Zeitung'. Rechts: Leserbriefe 'Kronen Zeitung'. Grün markiert: Faktisch falsch. Gelb markiert: Hervorhebungen.
"Dieser Verein bildet Sexualpädagogen aus, die dann mit 'Sexspielzeugen' in die Volksschulen gehen und dort unter Ausschluss von Vertrauenspersonen (Klassenlehrer; die erstverantwortlichen Eltern werden umgangen!) Sexworkshops halten. Dabei wird die natürliche Scham der Kinder gebrochen, seelische Verletzungen für das ganze Leben entstehen" – Karl Reinisch, zuständig für die Internationale Vereinigung Katholischer Esperantisten in Österreich, in einem Leserbrief in der Kleinen Zeitung am 14.2.2017
"Der Verein verteilt unter anderem 'Sextaschen' mit Genitalien aus Plüsch bereits an Kindergartenkinder. (…) Immer wieder kommen Kinder nach dem Workshop verstört nach Hause. (…) Die Kinder wurden dazu angehalten, mit niemanden außer mit ihren Eltern über die Inhalte des Unterrichts zu sprechen, die Lehrerinnen durften nicht anwesend sein" – Gudula Walterskirchen, Herausgeberin der Niederösterreichischen Nachrichten, in einem Gastkommentar in der Presse am 27.2.2017
"Unter anderem verteilt der Verein auch sogenannte 'Sextaschen' mit Genitalien aus Plüsch und Gips bereits an Volksschul- und Kindergartenkinder. Lehrer dürfen während der Vorträge oftmals nicht anwesend sein. Faktum ist, dass nach einem solchen Workshop Kinder häufig verstört nach Hause kommen. Es finden oft klare Grenzüberschreitungen statt, die kindliche Scham wird dabei eindeutig verletzt. Allerdings werden die Kinder dazu angehalten, mit niemandem außer mit ihren Eltern über die Inhalte des 'Unterrichts zu sprechen" – Gerd Krusche, FPÖ-Bundesrat, in einer Anfrage an die Bildungsministerin für Bildung am 20.03.2017
Aber nicht nur die Fakten stimmen nicht. Auch die Formulierungen klingen verdächtig ähnlich oder sind zum Teil ident ("verstört nach Hause kommen", "angehalten, mit niemanden außer ihrer Eltern zu sprechen", "kindliche Scham", "Scham der Kinder"). Wenn man nicht allzu streng ist, könnte man meinen, dahinter stecke keine böse Absicht. Hat man halt nicht die Homepage gelesen. Hat man halt nicht beim Verein angefragt. Hat man halt nicht die Richtigstellung gelesen.Aber eine Sache lässt sich nicht mehr relativieren. Am 2. 3. 2017 hat die Bildungslandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) auf 10 Seiten die 26 Fragen der FPÖ beantwortet. Darin wird explizit festgestellt, dass sich Liebenslust "ausschließlich an 10- bis 20-Jährige" richtet. In ihrer Parteizeitung behauptet die FPÖ nichtsdestotrotz am 31. 3. 2017: "Bereits in Volksschulen werden in Form von Workshops abartige Sexualpraktiken erklärt und Neunjährige beispielsweise dazu animiert, an Holzpenissen den Umgang mit Kondomen zu üben.""Bedenklich stimmt, dass Kinder nach diesem 'Sexualunterricht' häufig verstört nach Hause kommen. Es finden oft klare Grenzüberschreitungen statt, wobei die kindliche Scham eindeutig verletzt wird. Die Schüler werden dazu angehalten, mit niemanden außer mit ihren Eltern über die Inhalte des 'Unterrichts' zu sprechen" – Liane Moitzi, FPÖ Steiermark, in ihrem Antrag auf Förderungsstopp am 23.03.2017
Entweder lesen diese FPÖ-Abgeordneten die Beantwortung ihrer eigenen Anfrage nicht, oder sie behaupten in der Öffentlichkeit wissentlich und absichtlich die Unwahrheit.
In der Kleinen Zeitung zieht der auf katholischen Seiten bekannte Psychiater Christian Spaemann über Heidi Fuchs her: "In den letzten Jahren haben sich intellektuell arbeitslos gewordene Linksideologen zunehmend auf die Natur des Menschen gestürzt. (…) Nachdem sich Erwachsene schwer umerziehen lassen, geht man auf deren Kinder los, die man nun hemmungslos manipulieren will"."'Seelische Verletzungen durch diesen Workshop?' What the fuck! Das ist Aufklärung, keine Vergewaltigung!" - Ein jugendlicher Kursteilnehmer
Nach knapp sechs Monaten haben die Sexualpädagogen viel erlebt: Medien-Schelte, Vorwürfe von Politikern, Mail-Attacken, persönliche Anfeindungen von Bekannten und Unbekannten, Drohungen. "Ich bin sehr unglücklich darüber, wie die Dinge gelaufen sind", sagt Heidi Fuchs, die stets darauf achtet, niemanden anzugreifen. "Ich habe wirklich nichts gegen Kritik. Im Gegenteil: Ich wünsche mir einen breiten, gesellschaftlichen Diskurs darüber, was gute Sexuelle Bildung ausmacht." Aber die Debatte solle auf Fakten basieren: "Ich hätte mich gefreut, wenn sich in den letzten Monaten jemand näher mit uns beschäftigt und mit uns geredet hätte.""Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Brückenbauer zu sein und das Thema zu entmystifizieren."
v.l.n.r.: Sexualpädagoge Lukas Wagner, Obfrau Michaela Urabl, Geschäftsführerin Heidi Fuchs, Sexualpädagogin Corinna Ortner. Foto: Christoph Schattleitner | VICE Media
Das denken zwei Jugendliche über den Workshop. Fragen und Foto: Christoph Schattleitner | VICE Media