Zwei Raben auf einem Zaun
Bild: Jon Sullivan/Wikimedia Commons

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Dieser Rabe sprengt mit cleverem Hack fast das gesamte Forschungsexperiment

Weil die Wissenschaftler Angst hatten, er würde weitere Vögel instruieren, wurde das gefiederte Genie von den weiteren Untersuchungen ausgeschlossen.

Raben sind noch viel intelligenter, als man bisher angenommen hat. Das ergab eine neue Studie der schwedischen Universität Lund. Die untersuchten Raben bewiesen in den Experimenten ihre Fähigkeit, vorausschauend zu planen. Beispielsweise verzichteten sie auf eine direkte Belohnung, um später eine Größere zu erhalten – ein Verhalten, das man bisher nur Menschen und Menschenaffen zutraute. Doch die Vögel in der Untersuchung belehrten die Wissenschaftler eines besseren. Ein Rabe schlug sich im Experiment sogar so gut, dass die Forscher ihn sicherheitshalber aus dem Experiment entfernten – sie hatten Angst, dass er den restlichen Tieren seine Tricks zeigen könnte.

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Rabenvögel, zu denen neben den Raben auch Krähen und Eichelhäher gehören, sind gemeinhin für ihre Intelligenz bekannt: In früheren Studien wurde beispielsweise untersucht, wie Eichelhäher Futtervorräte anlegen, statt alles gleich zu fressen. Bisher gingen Forscher jedoch überwiegend davon aus, dass ihre Planungsfähigkeit nicht über dieses Futtersammeln hinaus geht.

Video: Can Kabadayi und Mathias Osvath. GIF: Jacob Dubé

Eine neue Studie, die letzten Freitag im Fachmagazin Science erschien, scheint diese Theorie nun jedoch zu widerlegen: Wissenschaftler der schwedischen Universität Lund trainierten Raben darauf, eine einfache Maschine zu bedienen. Die Tiere mussten einen Stein in eine Röhre fallen lassen, um dafür einen Leckerbissen zu erhalten. Später wurden die Raben in einen Raum mit der Maschine gesetzt, diesmal jedoch ohne Stein. Dann wurde auch die Maschine aus dem Raum entfernt. Eine Stunde später setzte man den Raben verschiedene Objekte vor, darunter einen Stein. Fast alle Raben entschieden sich für den Stein. Im Anschluss gelang es 86 Prozent der Vögel, die Maschine erfolgreich zu betätigen, als diese ihnen 15 Minuten später wieder vorgesetzt wurde.

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In einem weiteren Experiment gelang es 78 Prozent der Raben, erfolgreich mit einem Menschen "zu handeln"; die Vögel tauschten beispielsweise einen Flaschenverschluss für eine Futterbelohnung ein. Das ist eine höhere Erfolgsquote als bisher in Versuchen mit Menschenaffen festgestellt werden konnte.

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Doch damit nicht genug. Einer der Wissenschaftler, Can Kabadayi, berichtete uns über Skype von einem Ereignis, dass die Forscher regelrecht verblüffte: Einem der Raben im Experiment war es als erstem gelungen, das Prinzip von Stein und Maschine zu verstehen. Daraufhin begann der Vogel nicht nur, den anderen Raben den Trick beizubringen, er entwickelte sogar eine eigene Taktik, um den Mechanismus auszutricksen. Statt einfach nur einen Stein in die Röhre fallen zu lassen, platzierte dieses Raben-Genie mehrere Zweige in der Röhre. Dann steckte er einen weiteren Stock durch die Zweig-Schicht und drückte so die Vorrichtung auf. Der Vogel musste daraufhin von dem Experiment ausgeschlossen werden – die Forscher hatten Angst, dass er den anderen Raben seine clevere Erfindung beibringen könnte.


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Kabadayi erklärte mir, dass es logisch ist, dass Menschenaffen ähnliche kognitive Fähigkeiten wie der Mensch besitzen, schließlich sind sie unsere engsten Verwandten. Rabenvögel haben sich jedoch unabhängig von unserer Spezies entwickelt und müssen somit auch das vorausschauende Planen getrennt von uns erlernt haben. "Raben sind vogelartige Dinosaurier, die vor etwa 320 Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren wie die Säugetiere hatten", ist im Science-Paper zu lesen.

"Wir sehen hier eine unabhängige Entwicklung von komplexer Wahrnehmung. Eine faszinierende Beobachtung, denn es zeigt, dass die Evolution gute Lösungen manchmal mehrfach verwendet. In diesem Fall sind das Planungsfähigkeiten", erklärt Kabadayi.

Die Tatsache, dass ein Rabenhirn in etwa so groß wie eine Walnuss ist, scheint dabei kein Nachteil zu sein. Eine Studie von 2016 zeigt, dass die Gehirne von Rabenvögeln und großen Papageienarten zwar kleiner sind als die von beispielsweise Kapuzineraffen, dafür in einigen Teilen des Gehirns jedoch eine höhere Neuronendichte aufweisen. Kabadayi meint, dass Rabenvögel möglicherweise schneller Verbindungen herstellen können als Säugetiere, da diese Neuronen so nahe beieinander liegen.

Vielleicht sollte man das sprichwörtliche "Spatzenhirn" also lieber nicht mehr als Schimpfwort benutzen – eigentlich sollte es "ein Kompliment sein" mit Vögeln verglichen zu werden, meint Kabadayi. Den Raben, der ihr Experiment gehackt hat, haben die Wissenschaftler übrigens auf den Namen "kleiner Ingenieur" getauft.

Kabadayi meint, dass Menschen so sehr von Rabenvögeln fasziniert sind, weil sie zu den schlausten Tieren zählen, mit denen wir tagtäglich zu tun haben. Natürlich kann auch die Intelligenz von Menschenaffen oder Delfinen respekteinflößend sein, aber immerhin beobachten diese Tiere uns nicht auf dem Weg zur U-Bahn oder stehlen eiskalt Messer von einem Tatort.