Eine Kuh auf einer Weide vor einem typischen Alpenpanorama

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Käse

Amerikanische Käsehändler "adoptieren" Bergbauern, um eine alte Tradition zu retten

Seit Ende des 19. Jahrhunderts befindet sich die Almwirtschaft auf dem absteigenden Ast. Eine neue Initiative will diesen Trend aufhalten – auch mit ungewöhnlichen Mitteln.

In den USA gehören vier Käsesorten zur Grundausstattung eines jeden Supermarkts: Cheddar, Parmesan, Monterey Jack und Schweizer Käse. Vor allem die letztgenannte Sorte ist bei den Amerikanern sehr beliebt: Die löchrigen Scheiben werden mit Freude auf Sandwiches gelegt oder als schmelzende Zutat für Omelettes verwendet. An sich gibt es bei der Massenvariante des milden Käses auch gar nichts zu meckern, aber sie hat mit den tatsächlich in der Schweiz hergestellten Milchprodukten kaum etwas gemeinsam. Weil Käse schon seit vielen Jahrhunderten zur kulinarischen Grundlage des Alpenlandes gehört, hat er dort einzigartige geschmackliche Merkmale.

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Die Schweiz ist aber auch eines der Ursprungsländer der Almwirtschaft. Schon vor rund 8.000 Jahren betrieben Bauern dort die traditionelle Art der Viehzucht, bei der die Herden von milchgebenden Tieren während der Sommermonate in die höheren Lagen der umliegenden Berge gebracht werden. Dort fressen die Tiere das saftige Gras, Wildblumen und verschiedene Kräuter. Dieser Speiseplan wirkt sich auf die Milch aus und der daraus entstehende Käse bekommt ein besonders komplexes Geschmacksprofil.

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Wie es die Tradition vorgibt, begleiten die Bergbauern und ihre Familien die Tiere in die Berge und leben so lange in rustikalen Almhütten, bis der Sommer vorbei ist und es wieder runter ins Tal geht. Dieser anstrengende Nomaden-Lebensstil ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auf dem absteigenden Ast – weil Fortschritte in Sachen Viehzucht- und Produktionsmaschinen die industrielle Käseherstellung viel lukrativer gemacht haben.

Es gibt jedoch Hoffnung. 2013 hat sich eine kleine Gruppe amerikanischer Käseliebhaber mit traditionellen Käseherstellern aus der Schweiz zusammengetan, um die historische Käse-Expertise des Alpenlandes zu erhalten. So hat die Schweizerin und Käse-Importeurin Caroline Hostettler damals das "Adopt-an-Alp"-Projekt ins Leben gerufen, bei dem amerikanische Käsehändler Käsehersteller "adoptieren", die immer noch Almwirtschaft betreiben. So nehmen die Händler die arbeitsintensiven Käseprodukte in ihr Sortiment auf und klären die Kunden darüber auf, wie und von wem diese gemacht werden.

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Hostettler stammt ursprünglich aus der nordschweizerischen Stadt Biel. 1996 zog sie zusammen mit ihrem Mann nach Florida, wo sie sich schnell nach dem leckeren Käse aus ihrer Heimat sehnte. Im Süden der USA gibt es nämlich nichts Vergleichbares. Kurze Zeit später beschwerte sich Hostettler bei ihrem Freund Rolf Beeler, einem bekannten Spezialisten zur Veredelung von Käse, über die magere Käseauswahl in Florida.

"Ich sagte ihm mit einem Augenzwinkern, dass ich seinen Käse importieren müsse", erzählt Hostettler. "Da meinte er, dass diesbezüglich schon zwei Köche angefragt hätten. So geriet alles ins Rollen."

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Neben ihrer Tätigkeit als freiberufliche Food-Autorin begann Hostettler also langsam, mit Quality Cheese ein Importunternehmen für Schweizer Käse aufzuziehen. Mit der Zeit vertiefte sie die Beziehungen zu den traditionellen Käseproduzenten aus ihrer Heimat und entwickelte so laut eigener Aussage eine Faszination für die Almwirtschaft. Das führte schließlich dazu, dass sie diese Art der Viehzucht einem größeren Publikum näherbringen wollte.

"Ich fühle mich den Menschen, die noch Almwirtschaft betreiben, richtig verbunden", sagt Hostettler. "Das Ganze ist sehr vielschichtig. Diese Menschen leben viel gesünder, sind dankbarer, umsichtiger und nicht so verschwenderisch. Und ihre Käse schmecken natürlich fantastisch."

"Was als Neugier anfing, entwickelte sich zu einer regelrechten Obsession."

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Eines Tages unterhielt sich Hostettler mit ihrem Mann beim Abendessen darüber, wie schön es wäre, wenn mehr Amerikaner die Schweizer Tradition kennenlernen könnten. "Ich sagte ihm, dass wir das Ganze promoten müssten", erzählt die Schweizerin. "Das sprudelte einfach so aus mir heraus. Die Idee für Adopt-an-Alp war geboren."

Im ersten Jahr der Projekts hat Hostettler sechs Schweizer Käsehersteller mit 14 amerikanischen Käsehändlern zusammengebracht. Mit der Zeit entwickelte sich das Ganze immer weiter. Dieses Jahr nehmen bereits 25 Käsehersteller und 87 Käsehändler teil. Zu diesen Händlern gehört auch Shelley Lewis, die Besitzerin von "The Cheese Lady" im US-Bundesstaat Michigan. Die ehemalige Rechtshilfe kaufte den Laden 2015 vom ehemaligen Besitzer ab. Vergangenes Jahr erfuhr sie durch ihren Käseimporteur von Adopt-an-Alp. Lewis ist besonders stolz auf die außergewöhnliche Auswahl in ihren Regalen. Deshalb versprach sie sich von dem Projekt, an noch ausgefallenere Käsesorten zu kommen.

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Letztes Jahr gab es bei The Cheese Lady zwei verschiedene Käse aus der Schweiz. Lewis war dem Geschmack und der Herkunft der Milchprodukte schnell verfallen. "Was als Neugier anfing, entwickelte sich zu einer regelrechten Obsession", sagt sie.

Ihren Kunden machte Lewis die importierten Käsesorten mit besonderen Werbeaktionen schmackhaft. So zogen sie und ihre Angestellten zum Beispiel traditionelle Alpentracht an und richteten ein "Picknick in den Alpen"-Tischgedeck an – inklusive Fondue-Töpfen und Schweizer Malbüchern für die kleine Kundschaft. Trotzdem ist und bleibt das direkte Probieren am überzeugendsten. Deswegen geizt Lewis auch nicht mit kleinen Kostproben ihrer Käsesorten aus der Schweiz.

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"Allein die Luft dort ist so rein und frisch. Das kann man auch im Käse schmecken."

Lewis' Leidenschaft für Schweizer Käse hat es ihr jetzt sogar ermöglicht, beim jährlich stattfindenden Adopt-an-Alp-Trip in die Schweiz teilzunehmen. Damit belohnt das Projekt die Läden, die den Käse aus dem Alpenland am kreativsten bewerben. Zusammen mit Hostettler und den anderen Gewinnern traf sich Lewis im Juni mit fünf verschiedenen alpinen Käseherstellern. Eine Erfahrung, die sie laut eigener Aussage total umgehauen hat: "Allein die Luft dort ist so rein und frisch. Das kann man auch im Käse schmecken."

Inzwischen bietet Lewis auch den Käse einer dritten Schweizer Farm an. Betrieben wird Ruosalp von Max und Monica Herger sowie ihren drei jungen Kindern. Nina Baumann, die 22-jährige Nichte der Hergers, arbeitet als Homöopathin für Tiere und begleitet ihre Verwandten jedes Jahr auf die Alm. Dort entstehen sowohl die frischen als auch die gelagerten Käse aus Kuh- und Ziegenmilch. Was Baumann am Adopt-an-Alp-Projekt besonders gefällt: Die Schweizer Käsekultur wird in die Welt hinausgetragen.

"Das ist total aufregend", sagt sie. "Wir stehen in engem Kontakt zu Caroline, die im Kontakt zu den Leuten steht, die unseren Käse kaufen. Wir erzählen ihr immer vom Alltag hier in den Alpen. Die Geschichten gibt sie dann an ihre Kundschaft weiter. Und die Bilder, die wir auf dem Hof machen, teilt sie auf Facebook und Instagram. Uns macht es echt Spaß, die Kommentare der englischsprachigen Leute zu lesen."

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Baumann hat schon ganz früh gelernt, wie man Käse herstellt. Sie sagt, dass die Almwirtschaft zwar wirklich immer mehr an Bedeutung verliere, die Traktion aber dennoch ein sehr wichtiger Teil des Schweizer Lebens sei. "Es ist Tradition, auf die Alm zu gehen und in der Natur zu sein. Das hat auch mit Leidenschaft zu tun", erklärt sie. "Und diese Tradition wird von Generation zu Generation weitergegeben."

Sicherstellen, dass die Tradition nicht ausstirbt. Das ist nicht nur den Käseherstellern wichtig, die bei Adopt-an-Alp mitmachen, sondern auch den teilnehmenden Händlern – wie etwa Beth Falk, der Besitzerin von Mill City Cheesemongers im US-Bundesstaat Massachusetts. Die ehemalige Umweltjuristin legt bei der Auswahl ihres Sortiments viel Wert auf die Umstände, unter denen der Käse produziert wird. Sie nimmt dann nur die Sorten, die zu ihren persönlichen Wertvorstellungen passen: "Nachhaltige Landwirtschaft und die Bedeutung von Landwirtschaft für die örtliche Wirtschaft. Diese beiden Dinge ziehe ich immer in Betracht."

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Seit diesem Jahr nimmt Falk am Adopt-an-Alp-Projekt teil. Sie verkauft jetzt den Käse von Ruosalp. Wie die Unternehmerin erklärt, habe sie mit ihrem Laden von Anfang an das Ziel verfolgt, Produkte von kleinen, örtlichen Käseherstellern zu verkaufen. Als sie dann von Adopt-an-Alp hörte, wusste sie direkt, dass die Methoden der Schweizer Farmer genau zu den Ansprüchen von Mill City Cheesemongers passen.

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"Das sind Leute, die die Dinge genau richtig machen", sagt Falk. "Sie gehen nicht den einfachen oder lukrativen Weg. Wir sind stolz darauf, unseren Kunden diese Produkte näherzubringen. Durch diesen Käse lernen wir nicht nur mehr über Essen, sondern auch über kulturelle Tradition."

Im Gegensatz zu massenproduziertem Käse besitzt traditionell hergestellter Schweizer Käse ein viel robusteres Geschmacksprofil, an das man sich vielleicht erstmal gewöhnen muss. Wie Lewis von The Cheese Lady erzählt, hätten ihre Kunden den Käse aus der Schweiz aber schnell lieben gelernt. Und sie seien froh, mit ihrem Kauf eine Jahrhunderte alte Tradition zu unterstützen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei MUNCHIES US.

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