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Meine Mutter

Meine Mutter hat sich Schwesta Ewas und SXTNs Video zu "Tabledance" angesehen und bewertet

"Sound auf den die Kanacks schwörn', ich mach, dass deine Mama twerkt" – Würdest du dazu twerken, Mama?
Screenshot von YouTube aus dem Video " Schwesta Ewa feat. SXTN - Tabledance ► Prod. von LIA (Official 4K Video)" von ALLESODERNIX RECORDS

Mama ist die Beste. Selbst wenn sie uns mit 13 ein Bauchnabelpiercing verboten hat – am Ende müssen wir zugeben, dass sie meistens damit Recht hatte. Und weil sie die Beste ist und wir sehr großen Wert auf ihre Meinung legen, reden wir mit ihr über alles. In unserer Serie "Meine Mutter" eben auch über Deutschrap – auch wenn sie wenig bis gar keine Ahnung davon hat. Denn gerade das ist es ja, was ihre Meinung so interessant macht. Sie eröffnet uns bisher verborgen gebliebene Blickwinkel, Ideen und Schlussfolgerungen, auf die wir ohne sie weiß Gott nicht gekommen wären.

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Schwesta Ewa und SXTN gemeinsam in einem Stripclub. Man muss nicht mehr sagen, um zu wissen, dass das Video zu "Tabledance" von vielen mit Neugierde erwartet wurde. Von den Einen mit gespannter Vorfreude. Endlich tut sich die geballte Frauenpower im Deutschrap mal zusammen! Wie das wohl klingen mag? Von den Anderen, weil die sich dachten: "Boa geil, Saft-Alarm!"

Eine Person, die komplett unvoreingenommen und neutral ihre Brille aufsetzt und den Play-Button drückt, ist meine Mutter. Nachdem sie bereits Videos von Frauenarzt, SXTN und Yung Hurn angesehen und bewertet hat, wird es mal wieder Zeit, ihre erfrischend andersartige Perspektive einzunehmen und nachzufragen, wie sie Ledergeschirrchen, dicke Schlitten und Lines wie "Ich mach, dass deine Mama twerkt" findet.

Noisey: SXTN kennst du ja schon. Aber hast du schon mal was von Schwesta Ewa gehört?

Ja ich glaube, du hast mir schon mal von ihr erzählt. In der Zeitung hatte ich auch schon von ihr gelesen.

Aber die Musik kennst du bisher nicht.
Nein. Aber ich bin sehr gespannt.

Wir spielen das Video ab und Mama schaut sehr konzentriert zu. Nach etwa einer Minute stoppt sie das Video.

Ich versteh das ja immer so schlecht. Was hat sie in der Hand?

"Eisen in der Hand wie beim Tabledance".
Ah, jetzt hab ich's kapiert, die Stange. Also mein erster Eindruck ist, dass das eigentlich auch eine Autowerbung sein könnte. Das Label Mercedes Benz wird sehr häufig genannt, man sieht einen Rolls Royce, bei dem die Emily [so heißt die Kühlerfigur von Rolls-Royce, Anm. d. R.] hoch und runter geht. Das ist ja auch eine klassische Symbolik der Männlichkeit, die die Frauen sich da aber zu Eigen machen.

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Ach du meinst wie ein Penis, der hart wird?
Ja.

Boah, so habe ich das nie gesehen!
Mich erinnert das ganze Setting an den Pirelli-Kalender. Ein lebendig gewordener Pirelli-Kalender. Möpse und Motoren! Das hätte man auch toll weiterdrehen können. Man sieht eine Werkstadt, alte Autos, ölbeschmierte Schrauber und an der Wand hängt der Kalender, ein älteres Datum ist aufgeschlagen. Dann kommen die Mädels rein, werfen sich auf die Motorhaube und machen ihre eigene Party. Versetzen das Ganze in die Jetzt-Zeit.

Vielleicht solltest du Musikvideos drehen, Mama.
Aber der Song heißt ja "Tabledance" und nicht "Pirelli". Also ist der Stripclub natürlich ein Muss.

Wir gucken den Rest des Videos an. Und dann noch ein zweites Mal, denn Mama "muss ihr Öhrchen trichtern", sprich nochmal ganz genau hinhören, um die Texte zu verstehen.

Um erstmal beim Video zu bleiben: Was mir auch noch in den Kopf gekommen ist, ist Russ Mayer. Nicht von der Ästhetik, aber die Bilder kamen mir irgendwie in den Kopf. Der hatte in den 60ern diese Filme gemacht, die in den Bahnhofskinos liefen.

Also Pornos?
Ja, aber Kunst-Pornos. Natürlich wurden die Frauen darin auch sexualisiert. Aber vor allem wurden sie als sehr starke Frauen dargestellt. Omnipotent, die harte Jobs machen, die damals eigentlich Männern vorbestimmt waren und sich nahmen, was sie wollten. Die haben sich die Kerle gegriffen, ausgelutscht und danach aus dem Fenster geschmissen. Deswegen war das Publikum, das sich in den Bahnhofskinos damals diese Filme angesehen hat, zweigeteilt. Die einen war eben die, die große Brüste sehen wollten, die anderen waren Filmfreaks. Damals waren die Bahnhofskinos der einzige Ort, wo auch Filme gezeigt wurden, die "Outcasts" waren.

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Das passt sehr gut zu Ewa. Sie ist auf jeden Fall auch ein Outcast vom Bahnhofsviertel.
Ja, das merkt man. Ich finde toll an Ewa, dass sie trotz dieser Inszenierung sehr natürlich wirkt. Sie trägt zwar dieses aufregende Outfit und räkelt sich auf dem Auto, aber es wirkt nicht so über-optimiert wie alles heutzutage. Alle drei übrigens. Wobei Ewa etwas viel Härteres an sich hat als Juju und Nura. Sie verkörpert ja auch ein gewisses Leben und das sieht man ihr an. Aber das finde ich schön. Jemand, der seine Narben mit Stolz trägt.

Und wie fandest du es textlich? Ist bei dir eine besondere Zeile hängengeblieben?
[Überlegt kurz] "Ich zeig dir den Weg in die Prostitution", da hatte ich aufgehorcht.

"… lautet die Anklageschrift" – die Line geht ja noch weiter.
Ja aber dadurch, dass das hinten angeschoben wird, ist der Fokus auf dem ersten Teil. Das ist auch bestimmt beabsichtigt. Danach folgt, dass sie sich die Hand vors Gesicht hält. Das hätte ich so interpretiert, dass sie sich dafür schämt.

Ich glaube das ist eher, damit die Fotografen vor Gericht ihr Gesicht nicht abschießen können. Was noch?
Ich fands außerdem süß, wie Juju darüber spricht, dass ihnen früher alle musikalischen Anspruch abgesprochen haben und wie viel Geld sie aber jetzt verdienen. Ihre Freude ist sehr ansteckend. Das kam klasse rüber.

Ich mag auch "Körbchengröße G wie ein Gee". Meistens sind große Brüste eher etwas, weswegen man weniger ernst genommen, weil sexualisiert wird.
[Lacht] Ja, das finde ich auch gut. Nura wirkt für mich wie ein süßes Vögelchen, das aber auch schnell zum Specht werden kann.

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Es gibt noch die Zeile: "Ich mach, dass deine Mama twerkt". Würdest du zu dem Song twerken?
Also wenn ich könnte, würde ich!

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