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Die "erste Weltraumnation" hat in Wien einen Präsidenten gekürt und wir wissen auch nicht so recht

Die Nation heißt Asgardia, eins ihrer Ziele ist gratis Internet und ja, diese Leute meinen es richtig ernst.
Screenshot aus dem Angelobungsvideo via YouTube

Die Hofburg ist nicht nur Sitz der österreichischen Präsidentschaftskanzlei und eine beliebte Lokalität für rechtsextreme Vernetzungsveranstaltungen – auch der Präsident der ersten Weltraumnation wurde dort am Montag, unter Einsatz von viel Glitzer und Glamour, in sein Amt gehoben. Igor Ashurbeyli ist 54 Jahre alt und Milliardär, war über eine Dekade lang CEO und hält einen Doktortitel in Ingenieurskunst.

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Die Inszenierung dieses welt- beziehungsweise universumbewegenden Ereignisses ließ in Sachen gekonnter Ritualisierung und Gänsehaut-Geräuschkulisse viele Propagandaprogramme etablierter Staaten weit hinter sich. Zu einer Mischung aus Sci-fi-Sounds, Trompeten und Fanfaren schritten gestriegelte Kinder in edlen Gewändern und sanftem Gleichschritt auf die Bühne, um dort die Besucher in unterschiedlichen Sprachen willkommen zu heißen.

Was zuerst wie das Live-Action-Rollenspiel-Event einiger hundert Nerds wirkt, ist zumindest für die Führungsriege ein ernsthafter Versuch, "Weltraumpolitik“ auf ein neues humanistisches Niveau zu heben.

Schon im Oktober 2016 gründete der russisch-aserbaidschanische Milliardär Ashurbeyli – der nun zum Präsidenten von Asgardia gewählt wurde – unter dem Motto "unerwartete Ideen formen die Zukunft“ die "Erste Weltraumnation“. Dabei stehen für die 200.000 Mitglieder große "Nation“ drei ehrenwerte Ziele im Vordergrund: Asgardia soll die friedliche Erschließung des Weltraums garantieren, die "Erdlinge“ vor Angriffen aus dem Weltall schützen und will ein demilitarisierter Ort für freie Wissenschaft sein. Wissenschaft und Wirtschaft sollen dabei nur dem Wohle der Menschheit dienen. Das will man durch "space politics“ und philosophisch-ethische Schulung und eine entsprechende Verfassung sicherstellen.


Auch bei VICE:


Der frisch geschlüpfte Präsident erläutert stolz in seiner Rede: "Die Zeiten von blutiger Geopolitik und der Kampf um knappe Ressourcen sind nun vorbei! Dem menschlichen Expansionsdrang sind im Weltall keine Grenzen gesetzt. Unsere Spezies hat nun die Chance auf Unsterblichkeit!"

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Das goldene Zeitalter, das Land in dem Milch und Honig fließen – ja das Paradies von dem Religionen seit Jahrhunderten sprechen – solle nun durch die Asgardia-Nation manifestiert werden. "Sie ist eine Reflexion des menschlichen Traums eines majestätischen und friedlichen Landes im Himmel. Ein Platz, wo es keinen Hass gibt. Nur Liebe und Wonne." Ja, ihr habt richtig gelesen.

Das ist auch der Grund, warum sich die Weltraumnation selbst immer wieder gerne als Königreich bezeichnet – in Wirklichkeit will sie jedoch einen avantgardistischen technokratisch-futuristischen Staat mit Parlament, Ministerrat und allem was dazugehört in den Orbit setzen. Selbstverständlich mit eigener Infrastruktur im Weltall, jedoch auch mit Botschaften "auf allen Kontinenten". Noch in diesem Jahr soll ein Ministerrat, ein "Supreme Space Council", ein Bankensystem und vieles mehr gegründet werden.

"Natürlich sind wir nicht die Besten. Aber wir sind die Zukunft." – Igor Ashurbeyli, Präsident von Asgardia

Übrigens will die wohltätige Nation auch den "Erdlingen" technologische Innovationen und Internet kostenlos zur Verfügung stellen. Denn, so realistisch sind die Weltraumpolitikerinnen und -politiker, am Ende werden nämlich wohl nicht alle das Privileg besitzen, in den Himmel aufzufahren. Wie das Qualifikationsprofil und der Bewerbungsvorgang für einen Wohnsitz im Weltraumstaat aussehen soll, konnten wir bisher nicht ergründen. Genauso wenig wie die Frage, wo genau der Weltraumstaat eigentlich genau lokalisiert sein soll.

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Asgardia legt nach eigenen Aussagen jedoch großen Wert darauf, für Repräsentanten und Repräsentantinnen aus unterschiedlichsten Kulturen und sozialen Schichten offen zu sein. Beim Festakt selbst kann man jedoch zum größten Teil männliche Teilnehmer erblicken. "Leider haben wir nur zwei Prozent Frauen in unserer Bevölkerung – sogar mehr Transgender- als weibliche Personen", meint eine 70-jährige Innsbruckerin, die selbst ein loyales Mitglied ist.

Diesen Missstand will man allerdings in Zukunft beheben. Läuft alles nach Plan, will Asgardia schließlich die klügsten und kreativsten Köpfe der Erde für sich rekrutieren.

Für die Weltraumnation spricht – abgesehen davon, dass Asgardia natürlich die Zukunft der Welt sicherstelle – übrigens auch das ausgeprägte Netzwerk ihres Präsidenten. Der Milliardär Ashurbeyli unterhalte unter anderem gute Kontakte zu hochrangigen Personen des Weltgeschehens, wie zum Beispiel Astronauten und Astronautinnen, Politiker und Politikerinnen sowie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Jedenfalls konnte er so schon zwei frühere britische Parlamentsabgeordnete für sich gewinnen.

Eine (wenn auch kleine) Anhängerschaft gibt es auch in der Bevölkerung. So verlegten inzwischen auch einige führende, russischstämmige Asgardianer ihren Wohnsitz nach Wien – was Gerüchten zufolge mit der Nähe zur UNO und ihrem Büro für Weltraumfragen zu tun haben könnte.

Durch großzügige Zuwendungen aus eigener Tasche – wie durch den Großfinancier und ehemaligen Techniker der russischen Rüstungsindustrie Ashurbeyli – konnte im September 2017 tatsächlich der erste Satellit „Asgardia-1“ in die Umlaufbahn gebracht werden. Dieser fungiert als Datenspeicher und bisher einziges Territorium des selbsternannten Staates.

Bleibt eigentlich nur die Frage, ob die Bewohnerinnen und Bewohner von Asgardia wirklich am besten geeignet sind, um den Rest von uns im Weltall zu repräsentieren. Auch darauf hat Präsident Ashurbeyli in seiner Rede eine Antwort: "Natürlich sind wir nicht die Besten. Aber wir sind die Zukunft." Na dann.

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