Fotos aus einer Stadt, in der Menschen sich um Wasser prügeln
Alle Fotos: Vijay Pandey

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Fotos aus einer Stadt, in der Menschen sich um Wasser prügeln

Illegale Brunnen, die Wassermafia, lebensvernichtender Durst und Dreck: In Delhi kämpfen die Menschen seit vielen Jahren um jeden Tropfen.

Wer in Delhi arm ist, wartet jeden Tag auf den städtischen Wassertanker. Gehen Menschen am Tanker leer aus, bleibt ihnen nur noch der Gang zu den Wassermafias – oder lebensgefährlicher Durst und Dreck. Am 20. März gerieten der 60-jährige Lal Bahadur und sein 19-jähriger Sohn Rahul Harijan in einen Kampf unter Nachbarn, als sie versuchten, Wasser von einem Tanker in Nord-Delhi zu ergattern. Bahadur starb sofort, Harijan erlag einen Monat später seinen Verletzungen.

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Seit Jahren kämpft Indien mit Wasserkrisen. Das Hauptstadtterritorium Delhi streitet sich seit geraumer Zeit mit seinem nördlichen Nachbarn, dem Bundesstaat Haryana. Der Streitgegenstand: der Yamuna, der zuerst durch Haryana fließt. Der Ganges-Nebenfluss ist die wichtigste Lebensader beider Regionen. Delhi wirft Haryana vor, seinen Pflichten bei der Wasserzufuhr und -aufbereitung nicht nachzukommen, Delhi erreicht zu wenig und zu verschmutztes Wasser. Der Streit nimmt politische Dimensionen an, selbst der Oberste Gerichtshof hat sich damit befasst.

Einem Regierungsbericht zufolge leiden 600 Millionen Menschen in Indien an extremem Wassermangel, das ist etwa die Hälfte der Bevölkerung. Die Wasserknappheit gehört inzwischen zum nordindischen Sommer wie der Monsun – allerdings war auch die Regensaison in den vergangenen fünf bis sechs Jahren unzureichend, Experten sehen darin Auswirkungen des Klimawandels. Im Mai spitzte ein Großbrand in dem Viertel Malviya Nagar im Süden Delhis die Lage weiter zu. 800.000 Liter Wasser brauchte es, und dazu noch einmal 7.500 Liter aus einem Hubschrauber der indischen Luftwaffe, bis der Brand gelöscht war.

Lal Bahadurs Sohn Rohit Kumar hält Fotos von seinem Vater und seinem Bruder

Das Grundwasser in vielen indischen Großstädten, darunter Delhi, sinkt stetig. Die Wasserknappheit bedroht das wirtschaftliche Fundament des Subkontinents: Indien hat nicht nur mehr als 1,3 Milliarden Einwohner, etwa die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist in der Landwirtschaft beschäftigt, die Erzeugnisse machen über 16 Prozent des Bruttosozialprodukts aus.

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Im Mai versiegelten die Behörden von Delhi auf Anweisung des nationalen Umwelt-Tribunals etwa 750 illegale Bohrbrunnen, um das rapide Sinken des Wasserspiegels zu verlangsamen. Im Hauptstadtterritorium leben fast 17 Millionen Menschen, Regierungsvertreter sprechen von circa 5.000 illegalen Wassergewinnungsstellen in der Metropole. Viele Einwohnerinnen und Einwohner haben kein Vertrauen in die prekäre Wasserversorgung der Stadt, der Verkauf von Trinkwasser in Flaschen schießt in die Höhe. Doch nur 64 Wasserabfüllanlagen haben die Berechtigung, die Hauptstadt und deren Umland mit Trinkwasser zu versorgen; Tausende illegale Abfüllanlagen füllen die Lücke.

Der Fotograf Vijay Pandey von VICE India hat sich in den am schwersten betroffenen Vierteln Delhis umgesehen.

Rohit Kumar

Rohit Kumar
"Mein Vater und mein Bruder gerieten in einen Kampf um Wasser. Die Situation hat sich seit dem Tod meines Vaters nicht gebessert. Die Menschen kämpfen weiterhin um Wasser. Wir erwarten von der Regierung, dass sie Wasser bereitstellt, damit das, was unserer Familie passiert ist, nicht noch mehr Leuten passiert. Wir haben Angst, wenn wir Wasser holen gehen."

Manoj Kumar

Manoj Kumar
"Ich wohne in Sanjay Camp [ ein Slum in Delhi, Anm. d. Red.] und arbeite im Hotel Ashoka. Jeden Tag verbringe ich etwa drei bis vier Stunden mit Wasserholen. Oft kämpfen die Menschen untereinander um die Rationen. Wir müssen unsere Arbeitszeiten auf die Wasserknappheit einstellen. In der Hotelbranche verdienen wir mit Überstunden am meisten, aber aufgrund der Knappheit können wir keine Überstunden machen. Ohne Wasser geht nichts. Wir müssen auf Privattoiletten gehen, um zu baden und unsere Wäsche zu waschen. Jedes Mal müssen wir dafür zehn Rupien [ca. 0,12 Euro] zahlen."

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Ibrahim

Ibrahim
"Ich lebe seit drei Jahren in Sanjay Camp. Ich arbeite als Zimmerjunge im Hotel Taj Mansingh. Wir müssen weit laufen, um vor der Arbeit ein Bad zu nehmen, und oft müssen wir auch ungebadet in die Arbeit gehen. Die Leute kämpfen viel, wenn der Tanker ankommt. Er ist selten pünktlich, wir warten meist zwei bis drei Stunden. Wenn wir kein Wasser bekommen, müssen wir für den Zugang zu Privattoiletten zahlen."

Harsh

Harsh
"Die öffentlichen Toiletten haben seit mindestens zwei Monaten kein Wasser mehr. Wir müssen manchmal in die Schule gehen, ohne gebadet zu haben. Die Toiletten sind immer dreckig, also müssen wir unser Geschäft unter freiem Himmel verrichten. Die Menschen kämpfen ständig um Wasser. Ich habe schon gesehen, wie Leute hinfallen und sich die Beine verletzen. Wenn jemand leer ausgeht, gehen die Kämpfe los."

Archana Charan

Archana Charan
"In Sanjay Camp müssen wir um Wasser kämpfen. Manchmal kommt es, manchmal nicht. Die Situation mit den Toiletten ist so schrecklich. Manchmal kommen wir mit leeren Eimern nach Hause. Das hat Auswirkungen auf unsere Familien, unsere Kinder und deren Schulbildung. Wegen all dieser Probleme kommen unsere Kinder zu spät in die Schule, unsere Ehemänner kommen zu spät zur Arbeit."

Akbar

Akbar
"Ich verkaufe im Viertel Jamia Nahar täglich 40 bis 50 Kanister gefiltertes Wasser. Ich verlange pro Kanister 20 Rupien [ca. 0,25 Euro]. Das mache ich jetzt seit drei oder vier Jahren, und es gibt um die 200 Personen, die dasselbe machen. Wir haben hier einen festen Kundenstamm. Sie bezahlen für 10 bis 15 Tage, manchmal für einen Monat, und manchmal für nur fünf Tage."

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Mohammed Azmi arbeitet in einer illegalen Bohrbrunnen-Anlage in dem Viertel Shaheen Bagh im Süden Delhis

Mohammed Azmi, illegaler Bohrbrunnen-Arbeiter
"Das hier ist gefiltertes Wasser. Wir haben Stammkunden, die hier fest wohnen. Die Stadtbehörden machen uns viel Ärger. Sie kommen immer wieder und versiegeln den Brunnen. Ich habe gehört, dass sie viele Filteranlagen in den Vierteln Batla House und Abu Fazal geschlossen haben. Allein in diesem Teil der Stadt gibt es 200 bis 250 solcher Anlagen. Wir verkaufen pro Anlage um die 1.130 Liter am Tag. Das ist alles Grundwasser, das wir filtern und an kleine Tanker verkaufen."

Nikunj Garg

Nikunj Garg
"Ich verkaufe hier Wasser. Am Tag sind es mehr als 200 Päckchen für zwei bis drei Rupien [ca. 0,03 Euro] das Stück."

Bewohner des Slums Sanjay Camp in Delhi holen sich Wasser von den Verteilertankern, die täglich eintreffen

Wasserknappheit wird in Nordindien zur schrecklichen Normalität

Wenn der Wassertanker endlich eintrifft, muss die ganze Familie mithelfen

Wer den Tanker verpasst oder leer ausgeht, muss sich an die Wassermafias in den Vierteln wenden

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