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Wie sich deutsche YouTuber zusammen mit Gina-Lisa gegen Sexismus positionieren

YouTuber_innen und Gina-Lisa Lohfink sprechen sich in einem Video offen gegen Sexismus aus und teilen Horrorgeschichten aus ihrem Alltag. Wir haben mit Organisatorin Suzie Grime gesprochen.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Suzie Grime

Als Marie Meimberg vor einigen Monaten ihren Artikel „Die deutsche YouTube-Szene ist sexistischer als jede Mario-Barth-Show" auf Broadly veröffentlichte, war der Aufschrei groß. Fragwürdige Rollenbilder? Sexistische Klischees gegen Frauen und Männer, die von der größtenteils ziemlich jungen Zielgruppe unreflektiert übernommen werden könnten? Davon wollten viele etablierte Webvideoproduzenten gar nichts wissen. Dass die Probleme, die es diesbezüglich in unserer Gesellschaft gibt, aber eben durchaus auch auf das abfärben, was wir im Internet produzieren und konsumieren, lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um?

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Im ersten Schritt über Alltagssexismus reden, dachte sich Webvideoproduzentin und Modejournalistin Suzie Grime und trommelte unter dem Titel „Sexismus—brauchen wir Feminismus?" mehrere YouTube-Vertreter_innen und Aktivist_innen von Michael Buchinger über Daaruum bis hin zu Gina-Lisa Lohfink zusammen—und auch wir von Broadly haben uns beteiligt. Auf Twitter und YouTube sorgte das Video bereits für heftige Diskussionen. Wir haben mit Suzie darüber gesprochen, wie es mit der Anti-Sexismus-Initiative auf YouTube jetzt weitergehen soll.

Mehr lesen: Wir haben deutsche YouTuber gefragt, ob YouTube ein Sexismusproblem hat

Broadly: War der Gina-Lisa-Prozess einer der Auslöser für das Video oder wie kamst du darauf?
Suzie Grime: Ich beschäftige mich auf meinem Kanal inhaltlich schon länger mit dem Thema Feminismus und hatte die Idee für so ein Video schon seit einiger Zeit. Als dann die Sexismus-Debatte im Bezug auf YouTube-Deutschland groß geworden ist—unter anderem angestoßen durch den Broadly-Artikel von Marie Meimberg—hat es sich einfach wie der richtige Zeitpunkt angefühlt, sich zusammenzutun und gemeinsam gegen Sexismus auf der Plattform stark zu machen.

YouTuber gelten gerne mal als unpolitisch. War es schwierig, Leute davon zu überzeugen, bei dem Projekt mitzumachen?
Bei einigen Leuten wie Michael Buchinger, die ich ja auch privat kenne, wusste ich sofort, dass sie nicht zögern würden, mitzumachen. Allerdings gab es auch einige Leute, die ich gefragt habe, die sich meiner Meinung nach relativ platte Gründe ausgedacht haben, nicht an so einem Projekt mitzuwirken. Da kam dann tatsächlich von mehreren die Aussage, dass sie mit ihrer Reichweite nicht politisch werden wollen. Und das, obwohl sie auf Social Media immer wieder Content liken und teilen, den man definitiv als feministisch bezeichnen könnte. Bei mir kam das dann so rüber: Aha, Feminismus ist dir für ein paar Likes trendy genug, dich aber dafür einzusetzen, würde zu viel Rückgrat verlangen.

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Wie war die bisherige Reaktion? Welches Fazit würdest du selbst ziehen?
Die Reaktion der Community war überwältigend. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass das Video viel Anklang finden würde, dass es aber so rasant durch die Decke geht, hätte ich nicht erwartet. Bisher hat keins meiner Videos in so kurzer Zeit so viele Klicks und Kommentare bekommen—nicht mal die Kiffer-Videos und die haben eine hohe Engagement-Rate. Ich denke das liegt einfach daran, dass die Protagonisten im Video so viele Alltagsanekdoten erzählen, die mit Sicherheit so vielen Leuten da draußen schon mal passiert sind, dass man gar nicht anders kann, als sich an den Kopf zu fassen und zu sagen: Krass, ich bin scheinbar doch nicht die einzige Person, der solche Sachen passieren und ich bin nicht alleine damit.

Gerade für die Kids da draußen ist es wichtig, solche Dinge anzusprechen damit sie Identifikationsfiguren haben, bei denen sie sich abschauen können, bei Ungerechtigkeit auch mal den Mund aufzumachen. Abgesehen von den positiven Reaktionen gab es natürlich auch wieder ein paar Anti-Feministen, deren Hobby es seit einiger Zeit ist, auf meinem Kanal zu trollen. Davon lass ich mich aber nicht unterkriegen—Idioten gibt es halt auch im Internet.

Mehr lesen: „Ich möchte keine geile Sau sein"—Visa Vie über Sexismus im Deutschrap

War das eine einmalige Aktion oder planen du und andere YouTuber_innen in Zukunft mehr in die Richtung?
Da das Sexismusproblem unserer Gesellschaft sich nicht bis morgen in Luft auflösen wird, werde ich mit Sicherheit noch einige ähnliche Projekte aus dem Boden stampfen. Zum Beispiel hat mir die Moderatorin Visa Vie gerade erst gesagt, dass sie gerne bei dem Video mitgemacht hätte, meine Mail aber leider in ihrem Spam-Ordner gelandet ist. Da wird also sicher noch was kommen. Und in der Zwischenzeit mache ich einfach mit meiner sowieso schon laufenden Videoserie weiter, in der ich auf Alltagssexismus aufmerksam mache.

Die für viele vielleicht interessanteste Frage: Wie bist du an Gina-Lisa gekommen?
Meine Eltern haben mich in Berlin besucht und wir haben abends etwas in einer Bar getrunken. Auf einmal kam diese große Blondine in den Raum und ich dachte mir sofort: Scheiße, das ist Gina-Lisa! Wie kann ich meinen Eltern jetzt sagen, dass wir den Abend beenden müssen, weil ich noch was wichtiges vorhabe? Zu dem Zeitpunkt hatten mir schon mehrere Leute ihr Material für das Video geschickt. In der Sekunde, als ich sie gesehen habe, habe ich super schnell geschaltet und gewusst, dass das jetzt ein Zeichen ist. Ich hab also meinen Mut zusammengenommen und bin einfach zu ihr rüber. Gina-Lisa war sofort super nett, offen und herzlich und hat sich bei mir bedankt, dass ich so ein Projekt mache. Wir haben dann Nummern ausgetauscht und uns am nächsten Tag zum Filmen getroffen. Es war tatsächlich nur ein ziemlich glücklicher Fall von „zur richtigen Zeit am richtigen Ort".