Wir haben die Bundeswehr-Playlist analysiert, um unsere Armee zu verstehen
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Lauschangriff

Wir haben die Bundeswehr-Playlist analysiert, um unsere Armee zu verstehen

Die Lieder heißen "Golden Swagger", "Shotgun" und "Do Wrong" – Was macht die BW eigentlich da in Mali?

Dass Krieg und Musik gut zusammenpassen, wissen wir spätestens, seit Lt. Kilgore mit seinen Helikoptern zu Wagners "Ritt der Walküren" ein ganzes Dorf in Schutt und Asche gelegt hat. Eigentlich also nur logisch, dass die Bundeswehr im Zuge der neuen Werbekampagne, mit der sie gerade Deutschland überrollt, auch eine Spotify-Playlist veröffentlicht hat.

Die Playlist heißt "Mali" und besteht aus 22 eigens für die Bundeswehr produzierten Musikstücken, der Soundtrack für die zweite Staffel der YouTube-Show Die Rekruten, die ein paar Soldaten im Einsatz in Mali begleitet. Als wir die Playlist entdeckten, wussten wir: Das ist eine einmalige Gelegenheit, um einen unverfälschten Blick auf die Bundeswehr und ihr Verständnis der deutschen Mission in Mali zu bekommen. Was wir gelernt haben, hat uns tief verstört:

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Die Bundeswehr hat offenbar keine Ahnung, wo Mali ist

Eins vorneweg: Über die Musik an sich gibt es leider fast nichts zu sagen: Die Stücke haben (bis auf eins) keinen Text und klingen allesamt, als habe ein Zufallsgenerator 22 Mal Musikstücke verschiedener Länge aus völlig wahllosen Rhythmen, Melodien und Sound-Effekten zusammengesetzt. Interessanter sind deshalb die Titel der Lieder – und die offenbaren gleich ein Riesen-Problem.

Screenshot: Spotify

Das allererste – angemessen orientalisch angehauchte – Lied in der Playlist heißt "Road to Jubbah". Eine schöne Vorstellung, wie eine Kolonne deutscher Schützenpanzer in der untergehenden Sonne zu Zitherklängen durch die malische Wüste brettert, schnurstracks auf dem Weg nach Jubbah. Sie müssten nur sehr viel Benzin mitnehmen, denn in ganz Mali gibt es keinen einzigen Ort namens Jubbah. Das nächste Jubbah liegt knapp 4.230 Kilometer entfernt in Saudi-Arabien, wenn man vom deutschen Lager in Gao losfährt. Um dahin zu kommen, müssten die tapferen Bundeswehr-Soldaten durch Niger, Tschad, Libyen, Ägypten, Israel und Jordanien fahren – alles Länder, die höchstwahrscheinlich irritiert auf eine ausländische Panzerkolonne reagieren würden. Und spätestens ab dem dritten Tag unterwegs werden sich die Deutschen wahrscheinlich wünschen, sie hätten noch andere Musik dabei.


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Die anderen beiden Lieder mit "Lokalbezug" sind ähnlich verwirrend: "Amerindian Dark Rituals" bezieht sich offenbar auf schamanische Rituale der Ureinwohner Nordamerikas – die den armen Verbindungsoffizieren in Mali nicht wirklich dabei helfen werden, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Das letzte Lied in der Playlist heißt "Black Sea Breeze" – interessant, weil Mali komplett von Festland umgeben ist und die Brise vom Schwarzen Meer über 4.000 Kilometer blasen müsste, um bei den Soldaten in Afrika anzukommen.

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Die Bundeswehr will da unten für Ordnung sorgen

Das kommt in den beiden Songtiteln "Power Broker" und "Taxxx Code" klar zum Ausdruck. "Power Broker" klingt wie ein pulsierender HipHop-Beat (nur halt ohne Rap) und soll wohl bedeuten, dass die deutsche Armee in Mali zwischen den islamistischen Rebellen und der Regierung vermitteln wird, um den Leuten Macht zu geben, die am besten für Mali (oder für Deutschland?) sind. Der Song "Taxxx Code" – in dem passenderweise immer mal wieder ein Mann quietscht, als würde ein Steuereintreiber ihm die Hoden zwirbeln – bezieht sich offensichtlich auf die juristische Aufbauhilfe, die die Deutschen in Mali zu leisten hoffen.

Der Bundeswehr ist dafür jedes Mittel recht

Hier kommen wir zum wirklich verstörenden Teil der Playlist – der großen Anzahl von offen gewaltverherrlichenden Songs. In Deutschland präsentiert sich die Bundeswehr ja gerne als eine Versammlung von gewissenhaften "Staatsbürgern in Uniform", auf ihrer Webseite erklärt sie, die Kernaufgaben des Einsatzes seien "Waffenruhevereinbarungen und die vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen den Konfliktparteien sowie die Umsetzung des Abkommens für Frieden und Aussöhnung".

Auf Spotify klingt das ganz anders: Gleich das zweite Lied in der Liste heißt "Do Wrong" – was bedeuten könnte, dass man in Mali die "Rules of Engagement" (wann man unter welchen Umständen auf wen schießen darf und welches Formular man danach ausfüllen muss) getrost ignorieren soll. Das nächste Lied heißt "Banging Hard Hitter", was bis auf einen Buchstaben auch der Titel eines besonders bizarren Nazi-Pornos sein könnte.

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Einen weiteren Einblick in die Vorgehensweise unserer bewaffneten Staatsbürger da unten geben die Lied-Titel "Boom Bang" (HipHop-Beat) und "Shotgun" (eher nachdenklicher Gitarrensound, der plötzlich in eine völlig verrückte Sound-Effekt-Symphonie ausartet). Und um eine Vorstellung von den "vertrauensbildenden Maßnahmen" zu bekommen, muss man nur wissen, dass es ein Lied namens "Better Watch Your Mouth" gibt.

Generell scheint die Bundeswehr den Kampf dort unten sehr viel persönlicher zu nehmen, als sie in ihren Info-Flyern zugibt: Das einzige Lied mit Gesang in der ganzen Liste heißt "Downfall", klingt wie ein schlechtes James-Bond-Lied und richtet sich offenbar an den Feind:

"Face to face, eye to eye. Win or lose, before I die. I feel so fearless, standing strong. I read my letters, I prove you wrong. Cause this is your downfall, you're gonna stagger, you're gonna crawl. Your dreams will be shattered, you're losing it all!"

Da rutscht auch dem hartgesottensten Islamisten das Herz in die Hose, keine Frage.

Es geht um Geld

Im 14. Jahrhundert regierte in Mali ein König namens Musa I., der so fabelhaft reich gewesen sein soll, dass er immer mit einem Goldbarren in der Hand abgebildet wurde. Darauf könnte sich Lied Nummer 5, "Gold Lord", beziehen. Heute ist Mali zwar eines der ärmsten Länder der Welt, hat aber immer noch unfassbar viele Bodenschätze – es liegt mitten im sogenannten "Goldgürtel" Afrikas, außerdem gibt es Erdöl, Erdgas, Phosphat, Kupfer, Bauxit, Diamanten und sogar Uran. Wenn man der Playlist glaubt, hat die Bundeswehr offenbar vor, sich einen dicken Teil von diesem Reichtum abzuschneiden. Wie sonst soll man Lieder mit Titeln wie "Golden Swagger" oder "Big Money Scheme" verstehen? Auch das eingangs erwähnte "Taxxx Code" gewinnt eine neue, dunklere Bedeutung, wenn man merkt, dass gleich dahinter die Lieder "Gold Lord" und "Big Style" kommen.

Wird er ihm den Esel wegnehmen? Bundeswehr-Soldat in Mali | Foto: imago | Markus Heine

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Hat die Bundeswehr-Führung vielleicht vor, die Bewohner Malis gnadenlos auszubeuten und sich an den Ressourcen des Landes schamlos zu bereichern? Fahren unsere tapferen Jungs da unten mit Platin-Felgen an den Jeeps herum, während sie "Golden Swagger" aus den Boxen pumpen?

Wie soll das nur enden?

All das macht uns Sorgen. Zeigt diese Playlist, dass sich die Bundeswehr in Mali nicht viel besser benimmt als die Amerikaner im Irak? Die Titel zumindest ergeben ein klares Bild: Die deutschen Soldaten fahren da unten herum, als gehörte ihnen das Land ("Big Style"), verfahren sich dabei permanent ("Road to Jubbah"), nehmen sich, was sie wollen ("Big Money Scheme") und schüchtern jeden ein, der ihnen in die Quere kommt ("Better Watch Your Mouth!").

Der Bundestag sollte dringend einschreiten, um entweder den Mali-Einsatz sofort zu beenden. Oder zumindest den Vertrag mit der Werbe-Agentur, die diese Lieder produziert hat.

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