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Leiharbeiter fliegt bei BMW raus, nachdem er Rassismus kritisiert hat

Der Betriebsrat kann Ronny F.s Vorwürfe nicht bestätigen und seine Zeitarbeitsfirma will ihn aus anderen Gründen gekündigt haben. Vor Gericht bekam er dennoch Recht.
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Ein Toreingang vom BMW in München, der Leiharbeiter arbeitete an einem anderen Standort in München || Foto: imago | Stephan Görlich

Es ist sicherlich der einfachste Weg, beschämt aufs Handy zu starren, wenn der oder die Vorgesetzte beim Büro-Mittagessen das N-Wort droppt. Aber ist das richtig? Ronny F. aus Dresden hat sich dazu entschieden, seinen Mitarbeiter bei BMW auf dessen rassistische Äußerungen über Kundinnen und Kollegen anzusprechen und sich an den Betriebsrat gewandt. In den zwei Tagen danach wurde dem sich noch in der Probezeit befindlichen F. gekündigt – erst bei BMW, dann von seiner Leiharbeitsfirma. Mit der Beschwerde habe das nichts zu tun, sagen beide Unternehmen. Am Freitag entschied das Münchner Arbeitsgericht, dass die Kündigung unwirksam sei.

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Die Kündigung trug sich bereits im Sommer zu, erzählte Ronny F., 39 staatlich geprüfter Techniker, gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Im Juli 2018 habe er im BMW-Werk in München angefangen, davor sei er ein Jahr lang arbeitslos gewesen. Die unbefristete Stelle bei der Zeitarbeitsfirma Brunel habe er mit großer Erleichterung aufgenommen, so F.. Doch es kam schon nach wenigen Wochen zu Problemen.


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"Ich habe schnell gemerkt, dass in meiner Arbeitsgruppe [bei BMW] ein rauer Ton herrscht", erklärte F. in der SZ. Es seien rassistische, behindertenfeindliche, antisemitische und Roma-feindliche Äußerungen gefallen, die VICE nicht wiedergeben möchte. Dabei soll besonders ein Kollege aufgefallen sein. F. sagt, er habe den Mann angesprochen und ihm anhand der Morde der NSU erklärt, warum er diese Sprache nicht verwenden sollte. Der Kollege habe nicht versucht, sich für seinen offenen Rassismus zu rechtfertigen. Im Gegenteil: "Na und? Eben ein paar K****** weniger", soll er gesagt haben.

Im BMW-Büro sollen rassistische, behindertenfeindliche, antisemitische und Roma-feindliche Äußerungen gefallen sein

Eine Woche später sei der Meister der Abteilung ins Büro gekommen, um die Sache aufzuklären, sagt F.. Doch auch vor dem Vorgesetzten habe der Mitarbeiter offen zugegeben, dass er diskriminierende Sprache verwende. F. sagt, der Kollege habe sich beschwert, dass "wegen so was ein Fass aufgemacht" werde. Dem hätte ein Mitarbeiter, der sich zuvor als AfD-Anhänger bezeichnet hatte, zugestimmt. Sonst habe sich niemand aus dem zwölfköpfigen Team geäußert. F. dagegen habe sich weiterhin geweigert, die offenen Diskriminierungen zu akzeptieren. Der Techniker erzählte der SZ, er habe sich daraufhin beim Betreuer seiner Zeitarbeitsfirma Brunel beschwert. Dieser habe ihm geraten, einen Kaffee zu trinken und runterzukommen. Doch F. kam nicht runter. Er wandte sich an den BMW-Betriebsrat und erwirkte die ersten Konsequenzen. Allerdings nicht für den mutmaßlich rassistischen Mitarbeiter, sondern für sich selbst.

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BMW schmeißt F. raus, sein unbefristeter Vertrag bei der Zeitarbeitsfirma wird aufgelöst

Auf einmal schien sich doch jemand für den Fall zu interessieren: F. erzählt gegenüber der SZ, ein Vorgesetzter habe ihn am nächsten Morgen ins Büro bestellt und gefragt, ob er beim Betriebsrat war. Danach sollen die Verantwortlichen aus der Zeitarbeitsfirma F. in einem weiteren Gespräch vorgeworfen haben, er könne sich nicht an Hierarchien halten und solle sich entschuldigen. Wenige Stunden später verlor F. seinen Job bei BMW, sein Vertrag bei Brunel wurde tags darauf aufgelöst.

Gegenüber VICE bestätigt F. seine Schilderungen, will sich wegen des großen Medienechos aber nicht weiter äußern. Er bezeichnet die Geschichte als "skandalös". Doch es gibt ein Problem: Den internen Untersuchungen des Betriebsrats hält F.s Version nicht stand. "Wir sind den Vorwürfen von Herrn F. mehrfach nachgegangen, aber sie haben sich nicht bestätigt", sagt eine Sprecherin des Gesamtbetriebsrats von BMW am Montagabend gegenüber VICE.

Dennoch scheint das Münchner Arbeitsgericht zumindest mit der Vorgehensweise der Zeitarbeitsfirma nicht einverstanden zu sein: Am Freitag wurde die Kündigung von Ronny F. für unwirksam erklärt. F. hatte eine Kündigungsschutzklage gegen Brunel eingereicht, wurde dabei von der Gewerkschaft Verdi unterstützt. Ein Leiharbeiter habe das Recht, sich gegen rassistische Äußerungen zu wehren, heißt es im Urteil. Weder die Zeitarbeitsfirma noch BMW hätten das Recht zu erfahren, wann und warum ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin den Betriebsrat kontaktiert, schreibt die Pressestelle des Gerichts in einer Mitteilung. Doch auch gegenüber VICE erzählen Sprecher von BMW und Brunel andere Versionen der Geschichte.

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"Kein kausaler Zusammenhang" zwischen Beschwerde und Kündigung

Ein Sprecher der Zeitarbeitsfirma Brunel wollte am Montag gegenüber VICE nicht angeben, weshalb Ronny F. genau entlassen wurde – aus datenschutzrechtlichen Gründen. Es gebe allerdings "keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Kündigung und den Rassismusvorwürfen", schrieb der Sprecher in seiner Antwort. Falls VICE einen anderen Eindruck erwecken würde, würde sich das Unternehmen "zur Wehr setzen, auch rechtlich". Auch ein Pressesprecher der BMW Group erklärte VICE, die Kündigung von F. habe weder mit der Rassismuskritik noch mit dem Besuch beim Betriebsrat zu tun gehabt. "Die erwarteten Leistungen wurden nicht erbracht", sagte der Sprecher. Zu seinem Besuch beim Betriebsrat sei F. erst befragt worden, weil er sich ohne Erlaubnis vom Arbeitsplatz entfernt habe, erklärt der Pressesprecher. "Das steht in keinem Zusammenhang."

Das Arbeitsgericht München ist allerdings zum Schluss gekommen, dass zwischen F.s Gespräch beim Betriebsrat (eine "zulässige Rechtsausübung", so das Gericht) und seiner Kündigung ein unmittelbarer "zeitlicher Zusammenhang" besteht. Die Leiharbeitsfirma habe vor Gericht außerdem nicht beweisen können, dass F. nicht wegen des Betriebsrats, sondern aus anderen Gründen geflogen war.

In welchem Zusammenhang der mutmaßlich rassistische und diskriminierende Mitarbeiter von F. künftig im Unternehmen auftritt, dürfte noch nicht geklärt sein: "Es läuft eine Untersuchung an", erklärt der Sprecher von BMW. Ob der Betreffende bereits kontaktiert wurde, wisse er allerdings nicht. Wie viele unterschiedliche Nationalitäten in seinem Unternehmen vertreten sind, schon: "Allein in Herrn F.s Team sind es zehn, im gesamten Unternehmen 120."

Vielleicht hat ja einer von Ihnen beim nächsten Mal wieder den Mut, sich gegen die diskriminierende Sprache anderer Mitarbeitender zur Wehr zu setzen.

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