"Ich hoffe auf einen Aufstand" – eine kurze Analyse zum möglichen Aus von 'FM4'
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"Ich hoffe auf einen Aufstand" – eine kurze Analyse zum möglichen Aus von 'FM4'

Wir haben uns gemeinsam mit Experten angesehen, ob es tatsächlich realistisch ist, den wichtigsten Jugendsender Österreichs zu verlieren.

Anfang der Woche soll das Wiener Stadtmagazin Falter eine "vertrauliche Information" darüber erreicht haben, dass Ende Jänner ein "außerordentlicher Lenkungsausschuss" im ORF einberufen wurde. In diesem soll laut dem Falter-Informanten die Umsiedlung des Senders auf den Küniglberg besprochen worden sein. Im Laufe der Gespräche sollen "die Maßnahmen infrage gestellt" worden sein, da – so wird es im Gerüchte-Artikel des Stadtmagazins behauptet – FM4 nächstes Jahr laut Regierung eingestellt werden könnte. Grund dafür: Nichterfüllung des Bildungsauftrages.

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Bei dem Ausschuss soll laut Falter-Chefredakteur Florian Klenk, dem Verfasser des Artikels, neben Generaldirektor Wrabetz und ORF-Berater Pius Strobl auch die ORF Radio- und Senderchefin von FM4, Monika Eigensperger, anwesend gewesen sein. Wie wir mittlerweile wissen, wurde schon hier ein falsches Gerücht gestreut, denn Tatsache ist, dass Eigensperger bei besagtem Treffen gar nicht teilgenommen hat, aber in einer Aussendung dennoch klare Worte zu den Gerüchten findet: "Im ORF gibt es keine Diskussionen zu einem Aus von FM4. FM4 ist ein überaus essenzieller Teil der ORF-Radios, die die erfolgreichsten am europäischen Markt sind." Ein Aus für den Sender wäre auch eine De­s­a­vou­ie­rung der erst seit 2016 amtierenden ORF-Radiochefin.

Was könnte es dennoch mit einem möglichen Aus auf sich haben?

Schon im Dezember letzten Jahres ließ Norbert Steger, Mitglied im ORF-Stiftungsrat, wissen, dass es für ihn nicht fix sei, dass der ORF auch weiterhin vier TV-Sender und zwölf Radioprogramme betreibe. Auch dem Falter gegenüber sagt er, dass im aktuellen Regierungsprogramm keine Privatisierung der Sender vorgesehen sei, aber: "Eine Einstellung der Sender ist rein theoretisch denkbar", sagt Steger.

Wie soll man es aber beispielsweise rechtfertigen, FM4 abzudrehen? Dass dem seit 23 Jahren existierenden Radiosender die Erfüllung des Bildungsauftrag abgesprochen werden kann, ist sehr unwahrscheinlich. Dieser Meinung ist auch der Medienhistoriker Fritz Hausjell, der im Gespräch mit Noisey sagt: "Wenn das die Prüfung wäre, dann bin ich mir zu 100 Prozent sicher, dass das Prüfungsergebnis positiv ist. FM4 ist ein hochgradig vielseitiger Sender, der in Punkto Diversität ausgezeichnet aufgestellt ist. Wenn man das zerstören will, muss man sich schon sehr bemühen." Dass man den Bildungsauftrag nicht angreifen kann, setze voraus, dass man die Definition dessen nicht ändere, so Hausjell weiter.

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Auf die Frage, wie sehr der Radiosender vom ORF-Gesetz geschützt sei, sagt der Kommunikationswissenschaftler, dass FM4 in diesem Gesetz nicht begrifflich verankert ist. Jedoch sieht Paragraph 5, Absatz 3 vor, dass es einen dritten landesweiten Sender geben muss, der in seinem Wortanteil vorwiegend fremdsprachig zu sein hat. Es muss also ein Programm geben, das diese Bedingung erfüllt. "Würde man einem anderen Sender diese Aufgaben übertragen, welcher würde das denn sein? Das würde für andere Sender eine komplett andere Ausrichtungsstruktur bedeuten," so Hausjell weiter.

Kritik für Stegers Drohung einer Einstellung von ORF-Sendern äußert auch Walter Gröbchen, der unter anderem die Musik- und Kommunikationsagentur monkey. betreibt.

Gegenüber Noisey sagt Gröbchen, dass Steger FM4 nicht kenne, sondern "nur das ihm wahrscheinlich von Einflüsterern kolportierte 'linke' Image des Senders". Steger ist ehemaliger FPÖ-Politiker und sitzt für diese Partei nun im Stiftungsrat: "Als Stiftungsrat sei Steger zuvorderst dem ORF verpflichtet und nicht seiner Partei."

I predict a riot

Nach Veröffentlichung des Falter-Textes wurde auf aufstehn.at relativ schnell mit einer Petition reagiert, die inzwischen von knapp 16.000 Menschen unterzeichnet wurde. Die Aufregung in den sozialen Medien war und ist groß – dieser Sender geht Generationen etwas an, die von ihm zu einem gewissen Teil sogar sozialisiert wurden. Die meisten jungen Menschen in Österreich haben ihren eigenen "FM4-Moment", da wird es schnell persönlich, wenn man diesem droht. Und das völlig zu Recht. Auch Hausjell hofft, dass sich die Menschen gegebenenfalls zur Wehr setzen: "Ich hoffe auf einen Aufstand."

Dieser würde mit Sicherheit nicht lange auf sich warten lassen – das weiß man auch bei FM4, die sich auf Facebook, Instagram und Twitter für die Solidarität bedanken und ihr Weiterbestehen kommunizieren.

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Auch Gröbchen sieht einen Generationenkonflikt kommen, solle Steger ausgerechnet das "Jugenkultur-Vehikel FM4" in Frage stellen: "Ich meine das ernst: Würde die Regierung solche Pläne Realität werden lassen, gäbe es eine Frontstellung sondergleichen. Und diesen Meta-Shitstorm schau' ich mir dann erste Reihe fußfrei an."

Zum Schluss kann man wohl nur sagen, dass nichts in Stein gemeißelt ist, und dass eine derartige Panikmache nicht auf Wissen, sondern auf reinem Hear-Say aufzubauen, doch sehr dreist ist. Sollte der ORF – rein theoretisch – gezwungen sein, sich durch eine Veränderung der Finanzierung zu verschlanken, ist ja noch nicht gesagt, wo das passieren würde. Hausjell ärgert sich hier über die immer wieder fehlende Ehrlichkeit der Politiker: "Zumeist drehen sich die Sorgen nicht um die immer erstgenannte Qualität, sondern um ein problematisches Verhältnis zum Journalismus. Und das werden wir in diesem Zusammenhang in nächster Zeit wohl auch deutlicher diskutieren müssen."

Wer den Menschen FM4 nehmen will, der will ihnen auch das Zuhause nehmen und sich mit dieser Art von Zuhause anlegen. Und das ist zweifelsfrei eine lächerlich schlechte Idee.

Isabella auf Twitter: @isaykah

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