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Blizzard sperrt einen Spieler wegen Hongkong-Kommentar, die Community und Politiker rasten aus

Wir haben mit 'Hearthstone'-Profispielern gesprochen, die den 'Warcraft'-Entwickler wegen seines Umgangs mit China boykottieren wollen.
Hearthstone Spieler protestieren gegen Blizzard
Screenshot von Twitter-User Casey Chambers

Activision Blizzard ist einer der erfolgreichsten Computerspielkonzerne der Welt. Bekannt ist er vor allem für Spiele wie Starcraft, Diablo und die Warcraft-Reihe. Zur Letzteren gehört auch das Online-Kartenspiel Hearthstone, eine Art digitales Magic: The Gathering mit internationalen Turnieren, die live per Stream übertragen werden.

Während eines solchen Streams bekundete der aus Hongkong stammende Hearthstone-Profispieler Chung "Blitzchung" Ng Wai seine Solidarität mit den Protesten in seiner Heimatstadt. Activision Blizzard sperrte ihn daraufhin am Dienstag für ein Jahr für alle Wettkämpfe.

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Wegen dieser Entscheidung sind die Fans sauer, US-Politiker bestürzt und selbst bei Blizzard scheinen nicht alle damit einverstanden zu sein. Einige Profispieler wollen Blizzard jetzt boykottieren.

US-Senatoren aus beiden politischen Lagern verurteilten die Entscheidung des Konzerns am Dienstag. "Blizzard zeigt, dass es bereit ist, sich zu erniedrigen, um der Kommunistischen Partei Chinas zu gefallen", schreibt der demokratische Senator Ron Wyden bei Twitter. "Keine amerikanische Firma sollte Aufrufe zur Freiheit zensieren, um schnelles Geld zu machen."

"Blizzards Entscheidung, einen Spieler zu zensieren, der seine Solidarität zu den Protesten in Hongkong bekundet hat, ist Teil eines zutiefst verstörenden Trends von amerikanischen Institutionen wie der NBA, die vor der chinesischen Regierung kuschen", schreibt Senator Wyden VICE in einer E-Mail. "Chinas Unterdrückung von gewaltlosem Widerspruch ist schon abscheulich, wenn sie in China stattfindet – es ist allerdings unfassbar verstörend, wenn amerikanische Firmen willentlich an der Propagandakampagne der chinesischen Regierung mitwirken."

Aber auch firmenintern scheint die Sperrung des Spielers nicht von allen unterstützt zu werden. Am Eingang des Blizzard-Campus in Irvine, Kalifornien, steht eine über dreieinhalb Meter große Ork-Statue. Um sie herum sind mehrere Bronzeplaketten in den Beton eingelassen. Sie sollen die Ideale des Unternehmens repräsentieren: "Gameplay First", "Think Globally" und "Every Voice Matters". Der eSports-Kommentator und ehemalige Activision-Blizzard-Angestellte Kevin Hovestad teilte bei Twitter ein Foto, auf dem die "Think Globally"- und "Every Voice Matters"-Plaketten abgeklebt waren.

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"Nicht alle bei Blizzard finden gut, was passiert ist", schrieb Hovestad dazu. Wie The Daily Beast berichtete, streikte eine Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Protest.

Wenn Activision Blizzard nicht gegen Blitzchung vorgegangen wäre, wäre China sehr wahrscheinlich gegen den Spielekonzern vorgegangen. Gerade erst hatte China die Serie South Park aus seinem Internet verbannt. Und auch die NBA befindet sich in einem heftigen Streit mit der Regierung in Peking: Auslöser war ein Pro-Hongkong-Tweet des Managers der Houston Rockets.

Tencent, ein chinesischer Videospiele-Entwickler, besitzt 4,9 Prozent der Anteile von Activision Blizzard. Und China ist generell ein wichtiger Markt, in dem das US-Unternehmen Millionen verdient. Der World of Warcraft-Film lief eher mäßig in US-amerikanischen und europäischen Kinos, in China spielte er jedoch 225 Millionen US-Dollar ein – fast das Doppelte seines Produktionsbudgets.

Während das Unternehmen sich zu der Entscheidung immer noch nicht öffentlich geäußert hat, läuft die eSport-Maschinerie weiter. Bei der Übertragung eines Spiels der American Collegiate Hearthstone Championship hielt das Team American University, als es im Begriff war zu verlieren, ein Schild hoch: "Free Hong Kong, Boycott Blizz". Der Stream schaltete sofort auf die Vollansicht des gegnerischen Teams um. Und die Moderatoren taten so, als wäre nichts geschehen.

"Ich habe 15.000 Runden Hearthstone gespielt, ich bin fertig", sagt der 19-jährige Student Casey Chambers, einer der drei Spieler aus dem Team American University. "Das Spiel, das wir Montagabend verloren haben, war mein allerletztes Hearthstone-Spiel."

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Alle drei Teammitglieder – Chambers, Corwin Dark und Tjammer, der nur mit seinem Spielernamen genannt werden möchte – waren einer Meinung zur Sperrung Blitzchungs.

"Als wir uns am Tag vor dem Turnier zum Training trafen, war uns klar, dass wir etwas machen wollen", sagt Dark. "Wir waren nach der Entscheidung nämlich die ersten auf Blizzards Stream. Wenn wir nichts getan hätten, hätten wir eine große Gelegenheit verschenkt."

Blizzard hat Blitzchung nicht nur für ein Jahr für alle Hearthstone-Turniere gesperrt, sondern ihm auch noch sein Preisgeld von 3.000 US-Dollar abgenommen und die beiden Kommentatoren gefeuert, die während Blitzchungs Ansage überrascht versucht hatten, sich hinter ihren Monitoren zu verstecken. "Diese Strafe sollte definitiv eine Nachricht an jemanden sein", sagt Dark.

Die Teammitglieder sagten, dass sie die Entwicklung in Hongkong ohnehin verfolgten. "Ich habe seit Monaten schon ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht super aktiv war", sagt Chambers. "Das war eine einmalige Gelegenheit, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen konnte."

Wirklich viel erwarteten sich die drei von ihrer Aktion allerdings nicht. Als Dark ins Bett ging, gab es nur einen Reddit-Post mit 30 Upvotes. Am nächsten Tag waren sie die Nummer eins im Hearthstone-Subreddit. Wie in vielen anderen Blizzard-Communitys geht es dort seit dem Vorfall drunter und drüber.

Sie könnten die Situation allerdings bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen: "Wir verstehen, dass Blizzard keine politischen Messages will", sagt Chambers.

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"Ich persönlich würde mich freuen, wenn Blizzard eine klare Ansage macht, dass ihre Rolle als Spieleentwickler nicht beinhaltet, die Aussagen von Spielern und Kommentatoren zu zensieren", sagt Dark.

Ein solches Statement dürfte schwierig für Blizzard werden. Wo soll man die Grenze ziehen? Welche politischen Aussagen sind angemessen? Wer darf überhaupt was sagen? Es gibt einen Grund, warum Spieleentwickler immer wieder alles tun, um sich von jeglicher Politik zu distanzieren. Blizzard erntet momentan allerdings auch so viel Kritik, weil andererseits Homofeindlichkeit und Rassismus unter Spielern toleriert werden.

Beide Spieler sind sich allerdings einig, dass es helfen könnte, wenn Blitzchung wieder an Hearthstone-Wettbewerben teilnehmen dürfte.

"Wenn sich Blizzard ehrlich entschuldigt, werde ich nur zu gerne wieder Hearthstone mit meinen Freunden spielen", sagt Dark. "Aber wenn da nur vage und oberflächliche Statements kommen? Es gibt genug andere Spiele."

Chambers machte einen Witz darüber, zu God's Unchained zu wechseln, einem anderen Online-Kartenspiel. God's Unchained hatte den Vorfall sofort genutzt und Blitzchung angeboten, sein Preisgeld zu ersetzen und ihm einen Platz beim kommenden 500.000 US-Dollar-Turnier zu sichern. Den Post versah God's Unchained mit dem Hashtag #freegaming. "Meine God's Unchained-Karriere beginnt morgen", sagt Chambers und lacht.

Im November findet die BlizzCon mit dem Hearthstone-Grandmasters-Finale statt. Der ehemalige Profispieler und berühmte Kommentator Brian Kibler hat seine Teilnahme bereits abgesagt.

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