Was wurde eigentlich aus Michael Tschuggnall?
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Was wurde eigentlich aus Michael Tschuggnall?

Die Geschichte vom 'Starmania'-Gewinner Michael Tschuggnall ist irgendwie auch eine Geschichte vom (österreichischen) Musikbusiness.

Damals, als die erste Staffel Starmania ihr Ende gefunden hat, war ich bei einer Freundin zuhause, die sich gerade das Finale angesehen und wie eine Irre mit dem Festnetztelefon für Christina Stürmer gevotet hat. Vergebens, denn gewonnen hat damals Michael Tschuggnall. Starmania hat in mir schon immer gemischte Gefühle ausgelöst. Vor allem, weil ich mich damals nicht getraut habe, mitzumachen (und somit extrem neidisch auf alle Partizipierenden war).

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Als bockiger Teenager hatte ich also extrem legitime Gründe, auf Starmania angefressen zu sein und habe somit gleich mal alle Perlen ignoriert, die der Starmania-Uterus auf die Welt gebracht hat. Darunter eben Christina Stürmer und Michael Tschuggnall. Ich kann mich erinnern, dass das gewinnende Tschuggnall-Lied "Tears of Happiness" im Radio gespielt wurde und ich mich geweigert habe, mir darüber eine Meinung zu bilden. "Alles nur eine seelenlose und ausgefuchste Pop-Maschinerie", dachte ich mir damals – unwissend darüber, dass das Lied allerdings aus Tschuggnalls eigener Feder kam.

Michael Tschuggnall ist nämlich jemand, der die Anforderungen der Castingshow weitaus übertroffen hatte. Mit sechs Jahren hat er angefangen, sich das Klavierspielen anzueignen und mit 14 kam dann die Bassgitarre dazu. Er selbst gibt sich im Gespräch mit mir etwas bescheiden: "Naja, 'beherrschen' ist immer relativ – es gibt Leute, die das wesentlich besser können. Aber ich würde mal sagen, Klavier und E-Bass ist ganz OK. Für einen Laien wahrscheinlich Gitarre auch für gewisse Stile und seit neuestem versuche ich mich auch noch am Saxophon – das ist allerdings noch in den Kinderschuhen und darf das Haus noch nicht verlassen", sagt er mir.

Dass er nach seinem Lied ganz schnell und chancenlos zu einem One-Hit-Wonder abgestempelt wurde, ist irgendwie eine typisch österreichische Manier. Während Christina Stürmer sogar die deutschen Charts gestürmt hat, ist für Michael Tschuggnall ein weiterer Erfolg ausgeblieben. Dass österreichische Musik oft wenig Beachtung erlangt, war immer schon ein Problem. Für die Musik von Michael hätte es gewiss einen Markt gegeben, wäre er nur ein amerikanisches Ex-Boy-Band-Mitglied gewesen: "Es ist ja schon schwer genug, in Österreich Erfolg zu haben. Von international ganz zu schweigen. Man braucht allem voran ein gutes Marketingkonzept: Wie will man sich präsentieren? Welche Musikrichtung wird es werden? Was ist die Zielgruppe? Beispiel: Wenn man als seriöser Singer/Songwriter akzeptiert werden will, sollte man nicht zu später Stunde in einem Bierzelt auftreten, um fliegenden Bierbechern auszuweichen – hab ich aber leider gemacht."

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Michael ist mittlerweile zweifacher Papa.

Eine typische Popkarriere gestaltete sich schwieriger als gedacht. Man könne schon drei bis vier seiner Songs ohne Probleme spielen, wurde ihm gesagt, aber dass man dafür einen Anlass braucht, wie etwa einen Skandal, eine Geschichte, etwas, das die Leute abseits der Musik interessieren könnte, waren die Anforderungen, mit denen Michael damals zu tun hatte. "Wie gesagt, Musik zählt eben nur zum Teil. Als jemand, für den die Musik im Vordergrund stand und der nicht täglich in der 'High-Society' unterwegs war, ist dies eine eher schlechte Ausgangsposition", meint er dazu. Dass es in der österreichischen Musikbranche (zu der damaligen Zeit) nicht reichte, gute Musik zu machen, sondern dass dies in den meisten Fällen nur am Rande wichtig war, war für ihn die am wenigsten erfreuliche Erfahrung dabei. Dennoch sieht er es gelassen und bereut nichts: "Diese Erfahrung war sehr wichtig für meine persönliche Entwicklung und ich würde sie nicht missen wollen."

"'Gibt es irgendeinen Skandal, eine Geschichte, etwas, das die Leute abseits der Musik interessieren könnte?'"

Der Erfolg kam auch für Michael damals sehr überraschend ("Tears of Happiness" war 23 Wochen lang in den österreichischen Charts und zwei Wochen davon auf Platz 1), weshalb es für ihn schwer war, seine Schiene durchzubringen und die Musik zu machen, die in seinem Sinne war: "Zugegebenermaßen hatte ich nicht damit gerechnet und auch nicht die Anzahl an guten Songs parat, um gleich meinen Stil durchzubringen. Was ich aber generell sagen kann, ist, dass ich vor allem in der ersten Zeit leider viel mehr Zeit mit PR-Aktivitäten als mit Musik verbracht habe – gefühlt war es den Kindern und Jugendlichen komplett egal, ob und was ich singe. Hauptsache, ich gebe ihnen die Hand oder schreib ein Autogramm. Da ist mir die Musik an sich schon abgegangen."

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Mit Starmania verbindet er nur gute Erinnerungen.

Er habe sich ohnehin eher als Songwriter gefühlt und antwortet auf die Frage, ob er immer schon Sänger werden wollte: "Ohne Instrument fühle ich mich immer etwas nackt. Aber klar, wenn man über Jahre stundenlang im Zimmer daheim herum singt und spielt, fragt man sich natürlich, ob es eventuell auch andere Leute geben könnte, die das gut finden. Und dann natürlich noch die Frage, ob man davon leben kann. Aber in Summe ist die Antwort 'ja'. Abgesehen von meinem Wunsch, Papst zu werden, den ich mit fünf Jahren hatte."

"Gefühlt war es den Kindern und Jugendlichen komplett egal, ob und was ich singe. Hauptsache, ich gebe ihnen die Hand oder schreib ein Autogramm. Da ist mir die Musik an sich schon abgegangen."

Es gibt auch keine "dirty details" über die Zeit bei Starmania. Im Gegenteil, Michael erinnert sich gerne zurück: "Es war damals generell eine eigene, sehr spezielle Zeit bei Starmania – im Prinzip haben wir ja wochenlang beim ORF 'gewohnt' und dort natürlich auch viel Insiderwissen und Blicke hinter die Kulissen ergattern können. Im Großen und Ganzen war es abseits der Bühne immer sehr freundlich und lustig und es gab viele Personen, mit denen man sich sehr gut verstand und die einem Routine und Sicherheit gaben – von der Kaffeeverkäuferin über den witzigen Fahrer, Kameramann, Regisseur und so weiter."

Mittlerweile arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik der Universität Innsbruck, dort hat er auch das Masterstudium und das Doktoratsstudium mit Auszeichnung abgeschlossen. Ob es aktuelle Musik-Projekte gibt? "Nicht wirklich – ich hab zwar immer noch ein paar Dutzend Songs auf der Seite, aber momentan bin ich mit meinen zwei kleinen Kindern ausgelastet genug. Heißt aber nicht, dass es nicht in näherer oder mittelfristiger Zukunft wieder etwas geben könnte – dazu bräuchte es aber einen Plan [gutes Marketing] und natürlich die richtigen Personen, die ebenfalls an eine musikalische Rückmeldung glauben."

So sieht Michael heute aus. Seiner Frisur ist er treu geblieben.

Mir persönlich ist schon immer die außergewöhnliche Frisur von Michael Tschuggnall aufgefallen. Weshalb ich ihn auch danach gefragt habe, ob er denn dafür immer zum Friseur geht und wurde auch nicht enttäuscht: "Lustige Frage! Ja, ich geh zum Friseur – auch meine Haare wachsen, und zwar schneller als ich das gerne hätte, bei den Strähnen wird etwas nachgeholfen – Naturfarbe wäre braun!"

Dieser Artikel wurde upgedated. In einer vorherigen Version stand, dass "Tears of Happiness" 23 Wochen auf Platz 1 war, jedoch war er 23 Wochen in den Charts."

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