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Popkultur

Verurteilte Diebe erzählen davon, wie sie im Knast beklaut wurden

Wenn sich der Kreis schließt.
Foto: Peppinuzzo | Shutterstock

Wenn du in Australien in den Knast musst, darfst du genau eine Sache mitnehmen: die Schuhe an deinen Füßen. Wenn es sich bei diesen um seltene Nikes handelt, ist ungewollte Aufmerksamkeit quasi vorprogrammiert. Passt du nicht auf, schmücken deine heißgeliebten Sneaker schon bald die Füße eines anderen Häftlings.

"Wer aber bewacht die Bewacher?", hatte der römische Dichter Juvenal im zweiten Jahrhundert nicht ganz unberechtigt gefragt. Aber auch unter den Bewachten selbst bilden sich Hierarchien heraus. Neuankömmlinge werden drangsaliert, damit die älteren Insassen ihren Machtanspruch festigen können. In Anlehnung an Juvenal fragen wir also: "Wer aber bestiehlt die Diebe?"

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Ich habe ein paar Jungs angerufen, die schon mal wegen Diebstahls im Gefängnis saßen, und sie darum gebeten, mir zu erzählen, wie sie zum ersten Mal vom Täter zum Opfer wurden.


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Dean, 27
Schwerer Hausfriedensbruch

Ich weiß noch, wie ich in einem Stripclub in Melbourne ein Glas geworfen und jemanden damit im Gesicht getroffen habe. Ich bin dann von da abgehauen, habe mir ein paar Xanax eingefahren und bin bei irgendeiner Random-Person im Haus aufgewacht. Die Cops fanden das alles nicht so witzig und haben mich mit einem Typen in die Zelle gesteckt, der gerade hart von Crystal runterkam. Sein versifftes Everlast-Shirt sah älter aus als ich. Kaum in der Zelle angekommen, fing er an, mich mit Fragen zu durchbohren. "Die Cops haben dich hier reingesteckt, um mich auszuquetschen, ne? Ich bin kein fertiger Wichser. Das denkst du vielleicht, aber ich war früher schon im System", und solche Scheiße halt. Ich fing an, wirklich schlimme Panikattacken zu bekommen, also habe ich dem Wärter gesagt, dass ich meine Pillen brauche – ich hatte ein Rezept.

Plötzlich bekam der Typ so ein Leuchten in seinen Augen und machte auf bester Kumpel. "Sorry Bruder, ich war voll gestresst. Du weißt ja, wie das ist. Heutzutage ist jeder ein verdammter Hund. Wofür bist du hier? Du siehst aus wie ein netter Kerl. Hier, ich hol' dir etwas Wasser oder mach' dir ne Tasse, bla bla bla." Der Wichser wollte einfach nicht die Fresse halten.

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Einen Tag später bekam ich dann meine Pillen und merkte sofort, wie er mich nicht mehr aus den Augen ließ. Eine Stunde war vergangen und er hatte kein Wort gesagt. Plötzlich dann: "Alles gut? Hast du deine Medikamente bekommen?" Ich nickte einfach stumm und tat so, als wäre ich mit Lesen beschäftigt. Ein Teil von mir wollte ihm zwei abgeben, damit es nicht total komisch rüberkommt, ich wusste aber gleichzeitig, dass er mir dann nur weiter auf den Sack gehen würde. Also entschloss ich mich, in den sauren Apfel zu beißen und seine zunehmend schlechte Laune zu ertragen. Die würde sich irgendwann auch wieder legen. Dann war es 20 Uhr und die Spannung in unserer Zelle war nicht zu verleugnen. Ich versuchte, mich verlegen zu lassen. Das ging aber nicht, weil ich für den nächsten Bus ins Untersuchungsgefängnis eingetragen war.

Sobald der Wärter uns eingeschlossen hatte, sprang der Kerl auf. "Verstehe, du bist also doch nur ein Stück Scheiße? Ich dachte, wir wären Freunde. Ich habe versucht, es dir recht zu machen, aber du bist einfach eine bekackte Schlange wie die anderen." Ich fragte ihn, ob es gerade um meine Medikamente gehen würde, und anstatt mir zu antworten, boxte er mir einfach mit voller Wucht aufs Auge. Ich kann mich gar nicht an den Schlag selbst erinnern. Ich weiß nur noch, wie sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzog. Dann stand er über mir und schrie: "Wo sind sie? War es das wirklich wert? Das hast du jetzt angerichtet. Ich habe versucht, dir zu helfen. Ich wollte dein Freund sein!" Dann kippte er sich ungelogen die halbe Packung in den Rachen und legte sich ins Bett, als wäre nichts passiert. Ich drückte den Summer und wurde verlegt.

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Foto: Bart Everson | Flickr | CC BY 2.0

Ali, 22
Schwerer Diebstahl

Ich habe schon in Adelaide gesessen, aber Melbourne war einfach anders. Die Dullis hier sind einfach noch heimtückischere Wichser. Ich habe mich einfach dumm gestellt und so getan, als wäre es mein erstes Mal im Bau. Ich kümmerte mich einfach um meinen Scheiß und hielt den Ball flach. Mit den Moslems hätte ich mich sofort verbünden können, aber ich wollte keinen Stress. Ich hielt mich einfach komplett aus allem raus. Ich verstehe mich halt gerne mit allen gut.

Nach etwa einem Monat begannen allerdings meine Einkäufe aus der Gefängniskantine zu verschwinden. Wir bekommen hier 180 Australische Dollar im Monat, etwa 115 Euro, also wissen wir auch genau, was wir wofür ausgegeben haben. Wir haben nicht viel hier im Knast und dementsprechend zählt jeder verdammte Teebeutel. Als sie mir dann aber meine Sucuk-Wurst klauten, hatte ich die Schnauze voll. Ich sagte den Jungs allerdings nichts, sondern stellte mich blöd.

Meinen nächsten Einkauf bewachte ich rund um die Uhr. Ich beobachtete meine Zelle wie ein Adler und bat den frommsten Moslem im ganzen Knast um ein Gespräch. Weil ich in den Hof wollte, fragte ich ihn, ob er sich am nächsten Tag unauffällig in meine Zelle begeben und dort abhängen könne. Ich sagte dem Bruder aber, dass es jeder, der in meine Zelle kommt, auf mich abgesehen hätte. Also wartete ich draußen im Hof, bis ich Lärm hörte. Ich bin sofort in meine Zelle gerannt und habe den Penner dort erwischt. Ich stellte ihn zur Rede und zog ihm seinen ganzen Scheiß ab.

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CJ, 24
Raub

Nachdem man mich etwas außerhalb von Melbourne in einem gestohlenen Auto erwischt hatte, kam ich ins Untersuchungsgefängnis. Bis dahin hatte ich mich in meiner Drogensucht gehen lassen und verballerte meine komplette Sozialhilfe an Spielautomaten. Wenn du in den Knast kommst, darfst du die Schuhe behalten, die du bei deiner Verhaftung anhattest. Meine waren ein brandneues Paar schwarz-weiße Air Max. Ich war ziemlich nervös am ersten Tag. Ich dachte, es würde so krass wie in Chopper sein – Wichser, die Messer ins Auge bekommen und so Scheiße. Aber es war anders. Alle waren freundlich und still. Vielleicht auch weil einfach alle gleich nervös waren.

Dann war da dieser Insulaner mit der Rattenschwanz-Frisur, der über den Hof lief und alle verarschte. Ich versuchte, so gut ich konnte, Augenkontakt mit ihm zu vermeiden, aber dann trafen sich unsere Blicke doch für eine halbe Sekunde und schon kam er zu mir rüber gelaufen. Sein Gang war dermaßen übertrieben ausladend, dass ich wusste, dass er irgendwas im Sinn hatte. Bei mir angekommen stellte er dann einfach seinen Fuß neben meinen und sagte: "Reserviert." Ich hatte keine Ahnung, was zur Hölle er wollte. Und wieder: "Reserviert, Bruder." Ich tat die Aktion mit einem Lachen ab. Er ging wieder weg und fing an, zu fluchen und rumzuschreien. Mist, der meinte das verdammt ernst.

Später am Abend machte ich mir Mi Goreng im Gemeinschaftsraum, um es zum Footy-Spiel in der Zelle zu essen. Dabei lief ich dem Typen aber wieder über den Weg und als ich in meinen Raum ging, ist er schnell hinter mir reingehuscht, während sein Kumpel an der Tür Wache hielt. Sofort begann er, mich anzubrüllen: "Lass sie rüberwachsen, du Hund!" Ich fing an, meine Schuhe auszuziehen, aber irgendwie hatte ich nicht richtig nachgedacht. Plötzlich warf ich ihm nämlich mein heißes Mi Goreng ins Gesicht. Frag mich nicht warum. Jedenfalls ist er dann total durchgedreht und hat angefangen, auf mich einzuschlagen und zu treten. Ich beschützte einfach meinen Kopf so gut, ich konnte. Sein Kumpel sprang auf mir rum und dann haben sie mir meine Treter gekaut. Es ist schon komisch, wie alle anderen sich nach so einer Geschichte verhalten. Die reden einfach so mit dir, als wäre nie was passiert. Und jetzt rennt der Insulaner die ganze Zeit in meinen Schuhen rum. Alle wissen es, aber so läuft das hier halt.

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