FYI.

This story is over 5 years old.

FIGHTLAND

Der nordkoreanische MMA-Kämpfer, der für seine Karriere sein Leben riskierte

Park Il Choong floh mit 18 Jahren aus Nordkorea, um dem Regime zu entkommen und Kampfsportler zu werden. Sein erster Fluchtversuch endete fast in einer Tragödie. Heute ist er in Südkorea ein Fan-Liebling.
Photos by SeoulPirates.com

Geschichten aus Nordkorea sind für gewöhnlich sehr gruselig, auch wenn man nicht immer zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden kann. Einer, der wissen muss, wie sich das Leben in einem der autoritärsten Regimes der Welt anfühlt, ist ein junger MMA-Kämpfer.

Park II Choong wohnt heute in Chuncheon, einer Stadt in Südkorea, wo er seinen Traum vom Leben als Kampfsportler verwirklicht. Doch er ist dort nicht geboren. Denn der 24-Jährige hat sein Leben riskiert, um aus Nordkorea zu flüchten: erst über einen Grenzfluss nach China und von dort aus weiter nach Südkorea.

Anzeige

Seine Profikarriere hätte definitiv besser beginnen können, schließlich verlor er seine ersten vier Kämpfe. Doch Choong hat schon viel größere Hindernisse gemeistert, als dass er sich so schnell aus der Fassung bringen lassen würde.

„Ich bin in Musan geboren. Mein Vater starb, als ich elf war. Und meine Mutter ist aus Südkorea geflohen, als ich zwölf war. Ich bin mit meiner kleinen Schwester im Alter von 18 Jahren nach Südkorea geflüchtet", erklärt er mir am Telefon. „Willst du aus Nordkorea raus, brauchst du einen Fluchthelfer, und die sind sauteuer. Meine Mutter wollte ursprünglich auch meine Schwester und mich mitnehmen, was einen großen Planungsaufwand bedeutet hat. Als sie das Geld beisammen hatte, gab sie es dem Fluchthelfer. Der stellte sich aber als Betrüger heraus und machte sich mit unserem Ersparten aus dem Staub."

Am Ende gelang ihm erst sechs Jahre nach seiner Mutter die Flucht nach Südkorea. Und das auch nur beim zweiten Versuch, denn der erste wäre für ihn fast tödlich geendet.

„Das erste Mal habe ich 2008 zusammen mit einer Gruppe anderer Nordkoreaner versucht, das Land zu verlassen. Doch als wir uns nach Informationen über den Süden umhörten, flogen wir auf und zwei von uns wurden festgenommen. Meine Schwester und ich konnten fliehen, die beiden Festgenommenen sollen—wie wir später erfahren haben—eingesperrt und gefoltert worden sein. Ich gehe davon aus, dass sie nicht mehr leben. Übrigens werden sieben von zehn Nordkoreanern auf der Flucht gestellt."

Anzeige

Obwohl der erste Versuch fast in einer Tragödie endete, war Choong fest entschlossen nicht aufzugeben.

„2009 habe ich es dann nochmal versucht. Ich wollte mir nicht vorstellen, was mir und meiner Schwester bei einer Verhaftung blühen würde. Lieber wäre ich gleich durch eine Kugel gestorben."

Zusammen mit seiner Schwester durchquerte er den Tumen, einen Grenzfluss zwischen Nordkorea und China, der extrem verunreinigt ist und an mehreren Stellen von nordkoreanischen Soldaten patrouilliert wird. Trotzdem gilt er als sicherster Weg, um aus Nordkorea rauszukommen. Wer es auf die andere Uferseite schafft, versucht für gewöhnlich, nach Südkorea zu kommen, weil China geschnappte Flüchtlinge nach Nordkorea zurückschickt.

Choong will nicht ins Detail gehen, wie er von China nach Südkorea gekommen ist, aber er erzählt mir, dass er bei seiner Ankunft geschockt war:

„Frisch in Südkorea angekommen, war es schwer, den Lebensstil hier zu verstehen. Ein 18-jähriger nordkoreanischer Junge kann mit dem Konzept Universität nichts anfangen. In Nordkorea muss man als 18-Jähriger für zehn Jahre zum Militär."

Während seiner ersten sechs Monate in Südkorea wurde Choong mehrfach vom südkoreanischen Geheimdienst verhört. Auch danach gestaltete sich die Eingewöhnung als schwierig.

„Obwohl ich bereits im März 2009 in Südkorea angekommen bin, war ich erst im September dieses Jahres so richtig frei. Davor musste ich regelmäßig beim Geheimdienst vorstellig werden, um meine Grundpflichten zu lernen. Als ich noch in Nordkorea lebte, hatte ich eine genaue Vorstellung davon, wie ich in Südkorea leben möchte. Doch das hat sich dann in der Praxis als sehr schwierig herausgestellt. Ich war zwischenzeitlich sehr verzweifelt."

Trotz der Startschwierigkeiten begann Choong schon bald damit, einen alten Kindheitstraum in die Tat umzusetzen.

„Schon als kleiner Junge träumte ich davon, Profi-Boxer zu werden. Nach meiner Ankunft in Chuncheon begann ich mit Boxtraining. Doch schon nach kurzer Zeit wollte ich noch eine weitere Kampfsportart erlernen und so bin ich dann bei MMA gelandet. Nach einem Monat Training stieß ich auf einen Aushang, auf dem stand, dass man in einer Kneipe an Vorauswahl-Kämpfen für Crying Fist teilnehmen konnte."

Crying Fist ist eine Art Reality-TV-Show für MMA-Kämpfer. Und Choong hat sich gegen seine Konkurrenz tatsächlich durchsetzen können und wurde schnell zum Liebling der Fans—vor allem, nachdem er seine bewegte Geschichte erzählt hatte. Egal, ob er gewinnt oder verliert, das Publikum hat er immer auf seiner Seite. Nicht nur für diesen Umstand ist Choong dankbar.

„Ich lebe mit meiner Mutter und meiner Schwester in Chuncheon, von wo aus ich mit dem Zug gut nach Seoul komme. Während des Trainings bin ich ein glücklicher Mensch. Jeder Tag ist eh ein Geschenk für mich, weil ich eine sehr schwere Zeit hinter mir habe, in der mein Leben in Gefahr war, ich letzten Endes aber überleben konnte."