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Käse

Das große Krabbeln—weißt du, was alles auf deinem Käse war?

Du machst dir Gedanken wegen der zehn, zwölf Anderen, die vor dir mit deinem Schatz rumgemacht haben? Dann willst du bestimmt nichts von den 500.000 wissen, die schon über deinen Käse hergefallen sind.

Du machst dir Gedanken wegen der zehn, zwölf Anderen, die vor dir mit deinem Schatz rumgemacht haben? Dann willst du bestimmt nichts von den 500.000 wissen, die schon über deinen Käse hergefallen sind.

Damit, dass es sich auf unseren Lebensmitteln im Zuge ihrer Herstellung Bakterien, Pilze und Hefen gemütlich machen, haben wir uns inzwischen wohl oder übel abgefunden. Kein Bier und keinen Wein mehr zu trinken, auf Brot und Gebäck, Eingelegtes und—soweit kommt's noch!—auf Käse zu verzichten, wäre schließlich auch keine Alternative. Das Gute an solchen Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien, Rotschmierkulturen und Schimmelpilzen ist nun mal, dass sie mikroskopisch klein sind und es sich dabei so leicht wegschauen lässt wie ohne Zivilcourage bei einer U-Bahn-Prügelei. Vor einer Mikro-Stichsäge hätte ja auch keiner Angst und vor einer mikroskopisch kleinen Daniela Katzenberger würde auch niemand davonrennen. Was aber, wenn die Bewohner von deinem Käse plötzlich nicht mehr mikro sind? Die Rede ist nicht von den amüsanten sprechenden Kakerlaken aus Joes Apartment, sondern echten ekligen Milben und Maden, die deinen geliebten Käse zu ihrer Playboy Mansion ernennen, darauf eine wilde Orgie feiern, ihn anknabbern und sogar ihre Eier darauf ablegen. Zwar gelten Milben in erster Linie als Schädlinge und von ihnen besiedelte Lebensmittel als verdorben, trotzdem gibt es einige Käsemacher, die ihnen die Tür aufhalten und regelrecht den Weg in ihre Reifekeller weisen. Dort sieht es dann aus, als hätten die lieben WG-Kollegen monatelang nicht mehr staubgesaugt. Der Unterschied: Fegst du das grau-bräunliche Pulver noch so penibel von den Käselaiben, ist es wenige Minuten später—zack!—wieder drauf. Warum sollte sich jemand solche Untermieter wünschen, fragst du? Die staubkorngroßen käsegeilen Tierchen perforieren die Käseoberfläche und verschaffen damit den Reifekulturen einen besseren Zugang zum Inneren. Ihr fleißiges Schaffen verbessert außerdem die Enzymwirkung, was zu einem feineren Aroma und sehr speziellen Geschmacksnoten führt.

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Fressen und gefressen werden—der Würchwitzer Milbenkäse

Bei dem Slow Food Arche-Produkt Würchwitzer Milbenkäse teilen sich ganze 500.000 Milben drei bis sechs Monate lang ein Käse-Loft aus Magerquark, Kümmel und Salz. Konservierungsstoffe sind in der Milben-WG nicht willkommen, da sind die Tierchen heikel. Damit sie am Ende auch noch was vom Käse übrig lassen, werden sie täglich mit Roggenmehl gefüttert. Am Ende stehen sie aber doch wieder ganz unten in der Nahrungskette, sie werden kurzerhand beim Käseverzehr mitgegessen.

Cironè—ein Käse auf Au-pair im Milbenkeller

Der Schweizer Cironé aus dem Hause Jumi wurde sogar nach Milben—Französisch „ciron"— benannt. Nach zwölf Monaten Schonfrist ist der Kuhmilchkäse reif für ein halbes Au-pair-Jahr im Milbenkeller. Anders als die Au-pairs in deinem Freundeskreis kommt er davon unverdorben wieder zurück. Um die dort aufgerissenen neuen Freunde anschließend wieder los zu werden, wird er mit Sonnenblumenöl eingeschmiert, darauf stehen Milben nämlich gar nicht. Den Käse solltest du dir von der eigentümlichen Herstellungsart jedenfalls nicht madig machen lassen. Unter der dunkelbraunen Rinde verbirgt sich nämlich ein fruchtiger Käse mit einmaligen Karamellnoten und herrlich kristalliner Struktur, der sogar einem gut gereiften Parmesan die Schau stiehlt.

Wenn dir jetzt schon schlecht ist und du mit dem Gedanken spielst, auf veganen „Vromage" umzusatteln, liest du hier besser nicht weiter.

„Made" in Sardinia—Casu Marzu

Der sardische Casu Marzu (Dialekt für „verdorbener Käse") ist der Beweis dafür, dass selbst ein mit allen Qualitäten ausgestatteter Käse aus bestem Hause auf die schiefe Bahn geraten kann. Sei auf der Hut, Miley Cyrus! Was als junger Pecorino Sardo anfängt, entwickelt sich in feuchter Umgebung zu einem von Fruchtfliegen (Piophila casei) übersäten und schließlich von deren Larven durchdrungenen Ungetüm. Im Gegensatz zu anderen milbengereiften Käsen, dürfen die Maden bei dieser Delikatesse sogar bis in den Käseteig vordringen. Diesem bescheren sie durch ihre Verdauung und die Zersetzung der Proteine sein scharfes Aroma, das auf der Zunge prickelt, und einen cremigen Teig. Lebensmittelverschwendung kann man der Casu Marzu-Fangemeinde jedenfalls nicht vorwerfen. Übrig bleibt von dem polarisierenden überreifen Schafskäse nämlich rein gar nichts—nicht mal die Maden. Damit sollte ihm der Titel als nächstes Superfood bei der eiweißsüchtigen Sportlerfraktion eigentlich sicher sein. Aber ob das mit der bei Lebensmitteln sonst so strengen Hygienepolizei konform geht? Tatsächlich war der Käse zwischenzeitlich verboten und wurde nur noch illegal hinter verschlossenen Türen von einigen Sardiniern hergestellt. Seit 2005 darf aber wieder offiziell darauf gekreucht und gefleucht werden. Einzige Voraussetzung: die eingesetzten Fliegen müssen keimfrei sein und dürfen nicht in Kontakt mit Abfall oder Exkrementen gekommen sein.

Das große Käsekrabbeln geht also weiter…