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Käse

Was ist mit dem Käse der US-Regierung passiert?

Dieser Käse ist mehr als nur ein Nahrungsmittel von Millionen, er ist ein historisches Symbol für Armut, der aus der Speisekammer verschwand. Gesellschaftlich gesehen sind die Erinnerungen an den Käse zweigeteilt … aber hey, das ist eben repräsentative...
Foto: Wiki Commons

Falls es dich wütend macht, wenn sich Konservative über Obamas soziale Gesundheitspolitik beschweren, dann erinnere sie einfach daran, dass Präsident Reagan damals den Käse verstaatlicht hat.

James L. Kraft aus Illinois ließ sich 1916 einen Herstellungsprozess patentieren, durch den die Massenproduktion seines berühmten orangenen „Käseprodukts" möglich wurde. Der Fast-Käse des Kraft-Unternehmens enthält eine Mischung aus Colby- und Cheddarkäse, Bruch und Emulgatoren und war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ungemein beliebt. Er war billig, leicht zu transportieren und extrem lange haltbar. Verarbeiteter Käse—am Ende einfach nur noch ‚Amerikanischer Käse' genannt—wurde zu einem Grundnahrungsmittel im Amerika des 20. Jahrhunderts.

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Gleichzeitig begann die Regierung der USA als Teil des in den 1930ern gestarteten Programms zur Unterstützung der Landwirte damit, Milchprodukte als Vorrat zu lagern. Anfang der 1980er Jahre waren die Vorräte so groß, dass das einfache Lagern unfassbar teuer wurde. Die Regierung hat Milchbauern sogar dafür bezahlt, fünf Jahre lang keine Milch zu produzieren und kaufte deren Kühe. Der Käse wäre irgendwann einfach verschimmelt und es gab keinen Platz, um noch mehr zu lagern. 1981 entschied sich die Regierung unter Reagan dazu, kostenlos verarbeiteten Käse unter Amerikas Mittellosen zu verteilen. Das alles passierte unter dem Temporary Emergency Food Assistance Program (Vorläufiges Notfall-Essenshilfprogramm).

Während den 1980ern und den frühen 1990ern waren die Leute ganz begeistert von mysteriösem und kraftvollem Glibber—denk einfach an das Ektoplasma aus Ghostbusters und Haarspülung. Aber ‚Regierungskäse' war vielleicht die beliebteste zähflüssige Substanz dieser Ära. Da das Temporary Emergency Food Assistance Program so weit verzweigt war, aß ein wesentlicher Teil der US-Bevölkerung mit geringem Einkommen Käse, der von Uncle Sam verpackt und verteilt wurde. Die Waren wurden von der zentralen Regierung in die einzelnen Staaten geliefert und dort weiter verteilt an verschiedene Lagerhäuser und Gemeindezentren, wo sie kostenlos abgeholt werden konnten. Weniger häufig waren sie auch den Opfern von Naturkatastrophen vorbehalten.

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Als in den 1990ern die Kühe wieder zurück an die Bauern gingen und der Milchproduktmarkt sich stabilisierte, gab es für die Regierung quasi keinen Anlass mehr, weiterhin Käse zu horten. Laut Ken Vorgert, der Vorsitzende der Bewertungsabteilung des Agricultural Marketing Service des USDA, verschwanden mit den billigen Käsevorräten der Regierung auch die Hilfsprogramme.

Aber es steckt doch etwas mehr hinter der Tatsache, dass dein Essen von Uncle Sam kommt—oft ist da Verachtung oder eine Assoziation mit harten Zeiten. Für viele beinhalten die Erinnerungen an den Käse mehr als nur den Geschmack: Käse von der Regierung steht für Zeiten der Armut, in denen die Konsumenten den Essenstisch nur mit den Hilfsgütern der Regierung füllen konnten. Einige Rapper spielen in ihren Texten auf diesen Käse an, der sinnbildlich für magere Zeiten steht. In „F.U.T.W." spricht Jay-Z offen über seine Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Story: „After that government cheese, we eating steak/After the projects, we on estates." Kendrick Lamar erinnert sich in „Money Trees" auf gleiche Weise an eine mittellose Jugend voller Käse: „Pots with cocaine residue, every day I'm hustling/ What else is a thug to do when you eating cheese from the government?"

Es gab aber auch andere Probleme, der den Käse der Regierung vom normalen verarbeiteten Käse unterschied. Da die Mengen so groß waren, führten die Probleme bei der Lagerung oft zu Schimmel. Mein Onkel Kirk Meyer war beim Start des Temporary Emergency Food Assistance Programs bei der Boston Food Bank beschäftigt. Er erinnert sich an den logistischen Albtraum bezüglich des Lagerns und des Kühlens der riesigen Mengen Käse, die oft einfach schlecht wurden. „Wir reden hier von über zehn Meter langen Anhängern, alle beladen mit 20 Paletten Käse", sagte er.

Was aber vielleicht noch wichtiger ist: Jede Art von Käse kann für das Verdauungssystem von Millionen Amerikanern zum Problem werden. Laut der University of Georgia leiden 75% der Afroamerikaner, 51% der Lateinamerikaner und 80% der asiatischen Amerikaner unter Laktoseintoleranz. Bei den Weißen sind es nur 21%. Und da die Geschichte gezeigt hat, dass vor allem Minderheiten die Sozialhilfeprogramme nutzen, hat die Regierung den Hintern der Amerikaner keinen wirklichen Gefallen getan.

Aber nicht jeder hasste den Regierungskäse. Laut dem USDA-Dokument „PCD5 Pasteurized Process American Cheese for Use in Domestic Programs" muss sich der Käse leicht schneiden lassen und muss gut schmelzen. Genauer gesagt: „Der Käse muss mit den AMS-Methoden der Laboranalyse auf seine Schmelzfähigkeit getestet werden und muss dabei Nummer 3 oder höher erreichen." Die Schmelzfähigkeit Nummer 3 nach dem AMS-Maßstab—von Gourmets auch Numéro trois genannt—eignet sich anscheinend perfekt für Grilled Cheese-Sandwiches, Nachos und ähnliche Gerichte mit geschmolzenem Käse. Im beliebten Restaurant Chico's Tacos in El Paso, Texas gibt es ‚Regierungstacos', eine Wiederaneignung oder fast schon eine Verneigung vor einem Nahrungsmittel, das viele arme Immigranten in der von vielen Latinos bewohnten Gegend während den 1980ern und 1990ern regelmäßig gegessen haben. In Online-Foren erinnern sich die Leute gerne und oft an Omeletts, Soßen und Sandwiches mit Regierungs-Käse.

Dieser Käse ist mehr als nur ein Nahrungsmittel von Millionen, er ist ein historisches Symbol für Armut, der aus der Speisekammer verschwand. Gesellschaftlich gesehen sind die Erinnerungen an den Käse zweigeteilt … aber hey, das ist eben repräsentative Demokratie. Verneigt euch vor dem Käse.