Die Beere, die den Regenwald retten könnte

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Die Beere, die den Regenwald retten könnte

2014 wurden in Brasilien Açaí-Beeren im Wert von 112 Millionen Euro produziert und die Nachfrage steigt weiter. Damit ist die Açaí eine Alternative für die Bauern der Region.

Für uns ist die Açaí-Beere (a-sa-ih) eine exotische Superfrucht voll mit verjüngenden Antioxidantien und krankheitsabwehrenden Pflanzenfarbstoffen. Promis und Gesundheitsfans loben sie in höchsten Tönen, man kann sie als Pulver, als Smoothie, als Kapseln und als Tabletten kaufen und bezahlt dafür schnell mal 20 Euro pro Packung. In den USA hat Starbucks daraus sogar einen geheimnisvollen Pink Drink gemacht und der Anfang des Monats Instagram überflutet hat.

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Die Nachfrage für die blaubeerähnliche Frucht steigt weiter an; in der Amazonas-Region, wo die Açaí-Beere wächst,gehört sie für die Einwohner allerdings zur täglichen Ernährung und ist ein wichtiges lokales Produkt.

Die schwarz-violetten Açaí-Beeren sind die Früchte einer bis zu 25 Meter hohen Palme. Alle Fotos von der Autorin

„Sie ist essenziell für uns", meint Romolu Morreia Lopes, ein 36-jähriger Açaí-Bauer aus dem brasilianischen Bundesstaat Amazonas.

Ungefähr 30 km von Manaus, in der kleinen ländlichen Gemeinde Pau Rosa, bewirtschaftet er eine kleine Açaí-Plantage mit 1.600 Bäumen.

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Fast alle Açaí-Beeren, die hier angebaut werden, gehen an Verbraucher in der Region und in den Städten; die Beeren für den Export hingegen kommen aus dem Bundesstaat Pará, Lopes' Heimat.

Ihn überraschen die vielen Açaí-Produkte. Für ihn und viele Einheimische ist es ein ganz normales Nahrungsmittel. Experten meinen, dass die Açaí in einigen Amazonasgebieten wegen ihres hohen Nährstoffgehalts zu den Grundnahrungsmitteln gehört.

Romulo Morreira Lopes baut im brasilianischen Bundesstaat Amazonas Açaí an

„Açaí ist nahrhaft und tut gut", meint Lopes.

Die schwarz-violette Amazonasfrucht mit der harten Schale wächst in Büscheln, die wie Ranken von der Spitze der 25 Meter hohen Palmen herunterhängen

Weil die Bäume so hochsind und keine Äste haben, müssen sich die Bauern am schmalen Stamm ohne Hilfsmittel hochhieven. Dann schneiden sie die Büschel ab und pflücken die einzelnen Früchte.

Das Geheimnis ist, verrät uns Lopes, die Früchte danach in lauwarmes Wasser einzulegen.

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„Dann werden sie schön weich, sodass man mit ihnen arbeiten kann", erklärt er. „Wir mischen sie mit ein bisschen Zucker (oder auch nicht) und geben dann noch Tapiokamehl dazu."

Aus dem Fruchtfleisch der Açaí wird ein dickflüssiger Brei

Das Fruchtfleisch wird dann zu einem dickflüssigen Brei gemixt und gegessen: weder süß noch herzhaft, aber sehr fruchtig mit einer sämigen Konsistenz und einem leichten Geschmack nach dunkler Schokolade.

„Einige machen aus einem Sack Açaí 40 Liter, ich 18 Liter", sagt Lopes. „Mein Açaí-Brei ist schön dick."

In Rio und anderen Orten Brasiliens wird Açaí wie ein Sorbet gefroren serviert und dann noch mit Guarana-Sirup gemischt (eine weitere Amazonasfrucht mit viel Koffein). Darüber kommen alle möglichen Toppings. Am berühmten Strand von Ipanema oder in den vielen Saftbars der Stadt gönnen sich Surfer und die Schönen von Rio gern ein Açaí-Sorbet.

Um die Beeren zu ernten, klettert Lopes den schmalen Stamm hoch

Außerdem wird aus Açaí Marmelade, Schnaps, Saft und sogar Kosmetik gemacht. Und nicht nur die Beeren der Palme werden gegessen, sondern auch die Palmherzen.

Die Beeren sind echte Gesundheitsbooster: Sie enthalten Anthocyane, Pflanzenfarbstoffe, die antioxidativ wirken und den Blutfluss unterstützen. Als Eisenlieferant gibt Açai einen Energieschub und liefert massig Ballaststoffe, Vitamin E und Kalium.

Auf der Farm von Lopes wird zwei Mal im Jahr geerntet, 250 Säcke Açaí-Beeren insgesamt. Die Arbeit erledigen nur ein paar wenige Arbeiter, die pro Sack 15 brasilianische Real [umgerechnet circa 4 Euro] bekommen.

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Diese Einnahmequelle ist nicht nur für die regionale Wirtschaft wichtig, sondern auch für die Umwelt. Von den vier Açaí-Arten im Amazonas-Gebiet werden zwei wirtschaftlich genutzt. 2014 wurden Açaí-Beeren im Wert von 422 Millionen Real [112 Millionen Euro] produziert. Über die Hälfte der Produktion kam aus Pará, im Bundesstaat Amazonas waren es immerhin Açaí-Beeren im Wert von 102.800 Real [27.000 Euro].

Der Anbau von solchen Produkten, die nichts mit der Holzproduktion zu tun haben, wird gefördert, ums so die Abholzung des Regenwaldes und die Abhängigkeit von Holzexporten zu reduzieren.

„Eine Frucht mit enormem wirtschaftlichen Potenzial", meint Forstexperte Alfonso Rabelo,. „Im östlichen Amazonasgebiet ist die Açaí-Beere ein vielversprechendes Beispiel, wie man nachhaltig andere Produkte außer Holz anbauen kann."

60 Prozent der Açaí-Beeren aus Pará gingen an Verbraucher in der Region, 15 Prozent wurden nach Europa und in die USA exportiert, so Rabelo.

„Dank der Açaí-Wirtschaft wurden Arbeitsplätze geschaffen, Einwohner kleiner Städte oder ländlicher Gebiete haben so ein Einkommen", fügt er noch hinzu.

Dieses Jahr hat der brasilianische Landwirtschafts- und Entwicklungsminister Hildegardo Nunes ein Pro-Açaí-Programm ins Leben gerufen, damit soll auch die Açai-Produktion in Pará noch weiter ansteigen: Bis 2020 sollen 50.000 Hektar neue Açaí-Plantagen entstehen. In einer Presseerklärung meint er dazu: „Die Nachfrage steigt weiter, die Produktion kann dem gestiegenen Verbrauch nicht mehr ausreichend nachkommen, wodurch auch der Preis gestiegen ist."

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Die Regierung meint, dass dadurch 15.000 Arbeitsplätze in der Region entstehen werden, die direkt oder indirekt mit der Açaí-Industrie verbunden sind.

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In seinem Statement meint Nunes weiter: „Die Açaí-Produktion bietet Familienbetrieben eine gute Einnahmequelle. Das bringt die Gemeinden auch sozial voran, gerade auch Ortschaften am Flussufer, wo wegen der steigenden Nachfrage immer mehr Açaí angebaut wird."

Allerdings gibt es beim Anbau ein Problem: den Klimawandel. Romolu Morreia Lopes erzählt, dass sich durch einen verzögerten Sommer die zweite Ernte nach hinten verschoben hat und auch die Ernteprognosen sind nicht so gut.

„Letztes Jahr war es ziemlich heiß, so einen heißen Sommer habe ich noch nie erlebt", erklärt er. „Fast zwei Monate lang hat es nicht geregnet. Und man braucht sowohl Regen als auch Sonne. Das hat alles verzögert." Und niemand weiß, wie der nächste Sommer wird.

„Es gibt aber auch weiße Açaí-Beeren, kennst du die?", fragt er mich. „Der Saft ist ein bisschen wie Ananassaft und grün."

Macht euch gefasst auf ein neues Superfood.