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no blood no foul

Fightball hält, was der Name verspricht

Eine neue——und deutlich härtere——Variante von Basketball erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Und sie könnte für Spieler, die den Sprung in die NBA nicht geschafft haben, eine mögliche Option darstellen.
Foto: #FIGHTBALL/Dot Hong

Mittwoch Abend in einer Lagerhalle irgendwo in Manhattan. Mittendrin ein rund zwölf Meter langes Basketballfeld. Von der Atmosphäre her—dank Lichteffekten und einer Nebelmaschine—könnte man fast glauben, in einem gut besuchten Club zu stehen. Passend dazu legt ein örtlicher DJ dröhnende Rapmusik auf, zu der sich einige hier und da im Takt bewegen. Auf der einen Seite steht eine kleine Tribüne, während die restlichen Seiten nur Stehplätze bieten. Die Halle, ganz in Schwarz und Weiß gehalten, ist von einem minimalistischen Design geprägt. Das gilt auch für das Feld, das, bis auf die Auslinie und einen fetten weißen Streifen in der Mitte, ganz ohne Markierungen auskommt. Die einzige andere Ausnahme: Der Schriftzug FIGHTBALL in der Ecke.

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Trotz des Namens sind bei Fightball echte Kämpfe nicht erlaubt. Stattdessen handelt es sich um ein körperlich sehr anstrengendes Basketballturnier, bei dem man acht Minuten lange Eins-gegen-eins-Duelle mit deutlich lockeren Foulregeln spielt. Fightball ist nicht wirklich eine neue Sportart, sondern eine abgeänderte Variante von Basketball, die all das mitbringt, was vor allem ältere Menschen der heutigen Jugend nur allzu gerne vorwerfen: eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, purer Egoismus und ein unersättliches Verlangen nach Highlights, das bisweilen so weit geht, dass ein Spiel zu einem einzigen großen Highlight wird.

Heute ist das erste große Fightball-Event, bei dem acht Spieler—darunter auch der ehemalige Kurzzeit-Knicks-Profi Chris Smith, Bruder von J.R.—und einige frühere NCAA-Spieler in einem knallharten Ausscheidungsturnier um die Gewinnsumme von 10.000 Dollar gegeneinander antreten. Nicht nur aufgrund der ausgefallenen Location unterscheidet sich die Stimmung hier deutlich von jeder normalen Basketball-Arena. Und dass die „„richtige" Atmosphäre bei Spielen durchaus zum Streitthema taugt, wissen nicht zuletzt auch einige NBA-Eigentümer.

Letzten September hat der ehemalige Besitzer der Atlanta Hawks, Bruce Levenson, freiwillig das Team verkauft, nachdem er die Liga über eine zwei Jahre alte E-Mail in Kenntnis gesetzt hatte, in der er rassistische Aussagen gemacht hat. So beschwerte er sich darüber, dass in der Halle verhältnismäßig viele schwarze Zuschauer seien, die eventuell finanzstärkere Weiße davon abbringen könnten, zu Spielen der Hawks zu kommen. Zudem störte er sich an den vielen Rapsongs, die vor allem schwarze Fans gut finden würden. Wenn es nämlich nach ihm ginge, würde er am liebsten nur solche Musik in der Halle spielen lassen, mit denen sich „„40-jährige Weiße" identifizieren könnten—in der Hoffnung, an die auch mehr Saisontickets verkaufen zu können. Auch wenn er sich natürlich unmöglich ausgedrückt hat, steht Levenson für einen aktuellen Trend in den großen US-Ligen, bei dem sich die Klubverantwortlichen mehr und mehr nach den Besitzern von VIP- und Dauerkarten richten, während die „„einfachen" Fans zunehmend an Bedeutung verlieren.

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Diese Probleme und Bedenken spielen hingegen bei Fightball keine Rolle. Die Fans sitzen auf einer behelfsmäßigen Tribüne oder stehen neben dem Court. Die Musik ist laut und vulgär, weil Musik nun mal oft laut und vulgär ist. Die Spieler dürfen sich gegenseitig, aber auch den Schiedsrichter anschreien und beleidigen, was natürlich jeder Zuschauer mitkriegt. Technische Fouls gibt es nicht. Freiwürfe sind keine wirklichen Freiwürfe. Der Nichtwerfer kann dem Schützen bei dessen Freiwurf so sehr auf die Pelle rücken (und ihn auch beleidigen), wie er will, solange er nicht direkt den Wurf behindert. Wobei gesagt werden muss, dass die Auslegung von „„behindern" durchaus locker ausfällt, weswegen sich ein Freiwurf am Ende kaum von einem normalen Wurf unterscheidet.

Foto: #FIGHTBALL/Dot Hong

Das erste Duell des Abends findet zwischen Marvin Roberts aus Brooklyn—der unglücklicherweise den Spitznamen „Kinderschänder" inne hat—und Mike Keyes aus Philadelphia statt. Nachdem es rund 30 Sekunden lang auf dem Spielfeld hin und her geht, sind beide Spieler ordentlich am Keuchen. Kein Wunder, ist Fightball doch alles andere als einfach: Gerade mal acht Sekunden haben die Spieler pro Aktion auf der Wurfuhr. Da es eins gegen eins heißt und fast keine Fouls gepfiffen werden, ist klar, dass Spieler schnell am Ende ihrer Kräfte sind. Obwohl durch eine offene Tür eiskalte Luft in die Halle strömt, ist Roberts nach nur wenigen Minuten schon schweißüberströmt. Um der Erschöpfung entgegenzuwirken, lassen beide viele freie Würfe zu. Der MC, Joe Pope, der ein bisschen an einen feindlich gesinnten Videospiel-Kommentator erinnert, zieht die Spieler dafür auf, dass sie erschöpft aus der Wäsche schauen oder zu viele Sprungwürfe nehmen: „„This is Fightball, not Jumper Ball", lässt er die Spieler wissen.

Im zweiten Aufeinandertreffen wird Allan Sheppard sehr hart gefoult und bleibt auf dem Boden liegen. Anscheinend hat er sich eine Kopfverletzung zugezogen. Zwei Ärzte kommen herbeigeeilt und behandeln ihn (auch wenn er am Ende weiterspielen kann). Während Sheppard am Boden liegt, wird er von den Fans aufs Übelste beschimpft. Einem „„Steh auf du Pussy!" folgt umgehend „„Zieh die Windel aus, bevor du auf den Platz zurückkehrst!" Sogar der MC geht auf den verletzten Sheppard los und erinnert ihn an daran, dass hier Fightball gespielt wird, was ein bisschen komisch ist, weil eigentlich niemand weiß, was genau nun Fightball ist.

Am Ende gewinnt Mike Tuitt, der früher für die Hampton University auf Korbjagd gegangen ist, das Turnier und damit auch das Preisgeld in Höhe von 10.000 Dollar. Er erzählt mir, dass er das Geld für den kommenden Urlaub zurücklegen möchte. Jonas Hallberg—einer der Mitgründer von Fightball—hofft, das Spiel demnächst auf ein neues Level zu heben. „„Unser Ziel ist, dass einige dieser Spieler von Fightball leben können", meint er, wobei er vielleicht auch an den einen oder anderen heutigen Teilnehmer gedacht haben könnte, der demnächst seine NCAA-Karriere beenden wird.

Sollte Fightball eines Tages wirklich eine Option für all die College-Spieler werden, die leider nicht gut genug für die NBA sind, aber dennoch einiges auf dem Kasten haben, hat der Sport definitiv eine Zukunft. Doch bis wir so weit sind, wird es noch eine ganze Weile dauern. Heute war gerade mal das erste Event. „„Es hat echt Spaß gemacht", meint Hallberg mit einem Lächeln. Und das ist—zumindest für den Augenblick—alles, was zählt.