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Forscher koppeln drei Affenhirne zu einem Superhirn

Schöne neue Welt: Der Bau eines lebenden Computers aus mehreren Gehirnen ist nah. Aber kein Problem, wir probieren das erstmal mit Tieren aus.
Einer der Teilnehmer in einem früheren Versuch des Labors der Duke University. (Kein Rhesusäffchen, sondern ein Schimpanse.) Bild: Nicolesis Lab

Spektakuläre Forschungs-News aus der Welt des Brückenschlags zwischen Hirn und Maschine überschlagen sich momentan. Zappen nur mit Hilfe eines Headsets: probiert die BBC gerade aus. Flugzeugsteuerung per Gedankenkraft—schon fast ein alter Hut. Eine Woche nicht aufgepasst, und das Brainet ist da: Die Verschmelzung mehrerer tierischer Gehirne zu einer Superintelligenz, die sich einer kollektiven Aufgabe am Rechner widmet—und sich selbst optimiert. Was passiert also, wenn Hirne direkt miteinander kommunizieren können? Vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei. Gemäß dieser Logik würden dann auch drei Gehirne zur Problemlösung einer Aufgabe mehr leisten als eins. Um diese Theorie zu testen, haben Forscher die Gehirne von drei Rhesusaffen zusammengeschlossen.

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Die Tiere wurden zu einer Art „lebendem Computer", konnten als solcher einen virtuellen Arm bewegen und ihn Aufgaben ausführen lassen. Dafür wurden die Gehirne der drei Affen mit einem Brain-to-Brain Interface (BtB) verbunden, mit dem die Primatengehirne untereinander sensorische Informationen austauschen können. Bekommt das Brainet eine Motorikaufgabe gestellt, teilen sich die Gehirne die Koordinationsarbeit gleichmäßig auf und lenken die Affenarme ins Ziel. Und tatsächlich: Es stellte sich heraus, dass die drei Affen den Avatar auf dem Bildschirm gemeinsam besser steuern konnten als einzeln.

Die Rhesus-Makaken „synchronisieren ihre Gehirne und bewältigen Aufgaben, indem sie ein Superhirn erschaffen—eine Struktur, die eine Kombination aus drei Gehirnen darstellt", berichtet Miguel Nicolesis von der Neurologengruppe der Duke University dem New Scientist. Die Ergebnisse der Studie wurden vergangene Woche im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht und haben viel Anerkennung von nicht an der Arbeit beteiligten Forschern geerntet.

Für den Versuch wurden drei Rhesusaffen in getrennten Räumen vor einen Computerbildschirm gesetzt, nachdem Elektroden in ihre Motorikzentren im Gehirn implantiert wurden. Eine weitere Elektrode sass an der Stelle im Hirn, die mit der Somatosensation asoziiert ist (das ist die Positionsbestimmung des eigenen Körpers im Raum). Nun sollten die Tiere einen Arm auf dem Bildschirm bewegen und auf ein kreisförmiges Ziel manövrieren—zunächst mit Hilfe eines Joysticks, dann ausschließlich per Gedankenkraft. Gelang es den Affen, den Arm in den Kreis zu schieben, gab es etwas Saft als Belohnung.

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In einem weiteren Experiment teilten sich die Tiere die Kontrolle über den Arm schließlich gleichberechtigt per BtB-Interface und bewegten ihn gemeinsam über verschiedene Achsen am Computer.

Könnten auch Menschengehirne in ähnlicher Weise zusammengeschaltet werden, würden wir übermenschliche Fähigkeiten entwickeln.

Als die Wissenschaftler die Elektroden auswerteten, stellten sie Verblüffendes fest: Die Hirne der Affen teilen sich die Arbeit und vebessern sich in Kooperation. Zuvor hatten die Forscher in den Gehirnen der Affen Hunderte Neuronen markiert, deren Bewegungen sie so tracken konnten. Bei allen drei Affen verliefen diese Neuronen nun in denselben Bahnen in der gleichen Geschwindigkeit; die drei Hirne lösten die Aufgabe also kollektiv und erfolgreicher als separiert. Ein Brainet optimiert sich selbst. Sollten also auch Menschengehirne in ähnlicher Weise zusammengelötet werden, könnten wir analog den Versuchsergebnissen übermenschliche Fähigkeiten zur Problemlösung entwickeln. Denn die Forschung weiß bereits: Wenn zwei Menschen mit derselben Aktivität beauftragt werden, beginnen die Neuronen in ihren Gehirnen in paralleler Geschwindigkeit herumzuschießen und sich an den gleichen Orten zu verteilen. Wieso das passiert, ist der Wissenschaft allerdings ein Rätsel. Wie können zwei voneinander völlig unabhängige Einheiten sich so weit angleichen und synchronisieren, ohne verbunden zu sein? Es scheint, als seien unsere Gehirne dafür bestimmt, miteinander zu kooperieren.

Der Bau eines organischen Computers aus miteinander verbundenen Gehirnen ist nah.

Die Forschergruppe aus dem Nicolesis Lab beließ es aber nicht dabei. Neben dem Affen-Brainet bauten sie auch gleich noch ein Ratten-Hirnnetzwerk. Die Nager sollten allerdings keine Arme in Zielkreise schubsen, sondern mussten Muster erkennen, sensorische Informationen speichern und Wetterfrosch spielen: Rattengruppen, die auf Temperaturschwankungen reagieren und das Wetter korrekt vorhersagen konnten, wurden belohnt. Ein Rattenteam, dessen Gehirne zusammengeschaltet und mit einem Computer verbunden wurde, beherrschte diese Fähigkeit bereits nach nur zehn Trainingseinheiten in 61 Prozent der Testfälle reibungslos.

Es sind wie so oft Rhesusaffen, die für unsere Hirnforschung herhalten müssen: SOKO Tierschutz zeigt das grausame Schicksal Tübinger Laboraffen

So können tierische Brainets als Kern biologischer Recheneinheiten dienen, die als ein Hybrid aus digitalen und analogen Komponenten gebaut werden. Beliebig erweiterbar, zusammenschließbar zwischen einzelnen Hirnen und Gehirn-zu-Rechner-Interfaces: Der Bau eines organischen Computers aus miteinander verbundenen Gehirnen ist nah. Denn die in den Versuchen geschaffenen Netzwerke aus Tiergehirnen arbeiten zusammen und tauschen Informationen in Echtzeit aus. Hirn-zu-Hirn-Interfaces dieser organischen Computer können für die Erforschung tierischen Verhaltens eingesetzt werden, schlägt die Duke-Forschergruppe in einem zweiten Paper gleich vor. Eine etwas verschrobene Idee, die nur von Menschen stammen kann, die sich hauptberuflich im Labor aufhalten. Wäre es nicht sinnvoller, tierisches Verhalten ganz klassisch durch Beobachtung in freier Wildbahn zu erforschen, und nicht, in dem man sie gruppenweise einsperrt und ihre Hirne zu einem Netzwerk zusammenlötet, mit dem sie dann unsinnige Spiele am Bildschirm für ein Schlückchen Saft absolvieren müssen? Komm schon, Wissenschaft—da fällt dir doch sicher noch eine bessere Anwendungsmöglichkeit für Superintelligenzen ein.