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„Habemus Plasmam“: Greifswalder Physikern gelingt Durchbruch bei 1 Million Grad

Nach seiner heutigen Inbetriebnahme hat der Wendelstein 7-X zum ersten Mal erfolgreich für eine Zehntelsekunde Heliumplasma erzeugt.
Das erste Heliumplasma im Wendelstein 7-X. (Eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto) Bild: IPP

In Greifswald wurde am heutigen Donnerstag zum ersten Mal der Fusionsreaktor Wendestein 7-X angeschmissen. Wie erhofft produzierte der Stellarator bei einer Million Grad Celsius für eine Zehntelsekunde echtes Heliumplasma.

Nachdem die Wissenschaftler aus dem Kontrollraum heraus das Magnetfeld hochgefahren hatten, setzte die computergeregelte Experimentsteuerung ein und speiste rund ein Milligramm Heliumgas in das ausgepumpte Plasmagefäß. Dann versetzte sie diesem mit Hilfe der Mikrowellenheizung einen kurzen, 1,8 Megawatt starken Puls, wie die Max-Planck-Forscher entzückt verkündeten.

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Das Greifswalder Pendant zur NASA Mission Control: So erlebten die Plasmaphysiker am MPP die Plasmaerzeugung. Bild: Facebook / MPP, Helmut Faugel

Nach einigen spannungsgeladenen Sekunden zeigte sich in den Mittagsstunden des 10. Dezember nun im Visier der eingebauten Kameras und Messgeräte das erste Plasma.

Das erste Plasma!!! / The first plasma!!! (js) #W7X pic.twitter.com/lWk1ykaisA
— MPI für Plasmaphysik (@PlasmaphysikIPP) December 10, 2015

Die Nachricht vom erfolgreichen Start des weltgrößten Fusionsreaktors beflügelt nicht nur die wissenschaftliche Community, sondern befeuert auch die Fantasie der Facebook-Physiker: „Habemus Plasma", schrieb beispielsweise ein Facebook-User unter den Post des Max-Planck-Instituts. Doch es wäre nicht das Internet, wenn andere Social-Media-Nutzer die Euphorie nicht bremsen würden—zum Beispiel mit dem Hinweis auf den fehlenden Akkusativ: „Plasmam! ^^".

So funktioniert der Greifswalder Fusionsreaktor

Dieses Video zeigt das gesamte Schauspiel in seiner beeindruckenden Kürze:

Da mit Helium der Plasmazustand leichter zu erreichen ist als mit Wasserstoff, wurde für ein erfolgreiches erstes Ergebnis mit dem Edelgas gearbeitet. „Außerdem können wir mit Helium-Plasmen die Oberfläche des Plasma-Gefäßes reinigen", erläuterte der Leiter des Projektes, Thomas Klinger, in einer Presseerklärung.

In den nächsten Schritten soll die Dauer der Plasmaentladungen verlängert werden und gleichzeitig erforscht werden, wie Helium-Plasmen durch Mikrowellen noch besser erzeugt und aufgeheizt werden können. Im Januar 2016 sollen dann auch die ersten Versuche mit Wasserstoff folgen.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob die von englischen Medien martialisch „Fusionsreaktor aus der Hölle" getaufte Anlage uns tatsächlich dem heiligen Gral der Stromproduktion, einem Fusionskraftwerk, näher bringen wird. Zwar wird der Stellarator aufgrund seines kleinen Durchmessers von 16 Metern weiterhin nur der Grundlagenforschung und nicht selbst der Energieproduktion für Endverbraucher dienen—dennoch ist der heutige Start der Anlage nach neun Jahren Bauzeit nicht weniger als ein wissenschaftlicher Meilenstein und Physiker warten gebannt auf die Erkenntnisse, die der Betrieb von Wendelstein 7-X liefen wird.