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Mit der App Peeple werden andere Menschen dich bewerten—ob du willst oder nicht

Der Mensch als Produkt. Ab jetzt auch ohne sein Einverständnis.
Das Logo von Peeple samt des zynischen Slogans „Charakter ist Schicksal". Foto: Facebook Peeple

Drei Sterne für den One Night Stand von gestern Nacht, ein Stern für meinen dämlichen Ex-Kollegen aus der Firma und fünf Sterne für meinen besten Kumpel. Leute bewerten macht Spaß. Hat man ja schon zu Schulzeiten gemacht. Wie viele Punkte gibst du dem Mädel aus der Nachbarklasse? Welche Note bekommt der coole Typ aus der Raucherecke?

Später im Job läuft es dann andersrum. Dann bekommst du selbst eine Bewertung in Form eines Arbeitszeugnisses. Da steht dann auf einmal Schwarz auf Weiß, was du kannst und—blumig umschrieben—was du nicht kannst. Johannes hat sich sehr schnell in das Team integriert und wurde von seinen Vorgesetzten stets geschätzt. Oder war er nur stets bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden? Dem Urteil, das andere über dich fällen, bist du erstmal schutzlos ausgeliefert.

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Kommt das Echtzeit-Bewertungssystem für Menschen aber wirklich so überraschend?

Während du bei einem Arbeitszeugnis aber selbst entscheidest, wer es lesen darf, ist eine Peeple-Review deiner Person sofort für alle User dieser neuen App sichtbar—und somit quasi öffentlich. Die App, die im November auf den Markt kommt, erlaubt es Menschen nämlich nicht nur, ein bis fünf Sterne an andere Menschen zu verteilen, sondern auch eine Rezension zu schreiben—ein persönliches Testurteil sozusagen.

Jeder, der im Besitz deiner Handynummer ist, kann dich als Person bei Peeple anlegen—auch wenn du selbst gar nicht bei Peeple angemeldet bist. Ist dein Name einmal in der Peeple-Datenbank, kann jeder über dich schreiben, der bei Peeple angemeldet ist. Und: Du kannst deinen Namen nicht löschen lassen. Diese Tatsachen haben bisher so ziemliches jedes Medium, was über Peeple berichtet hat, auf die Palme gebracht.

Kommt das Echtzeit-Bewertungssystem für Menschen aber wirklich so überraschend? Schon längst existieren und zirkulieren dank Big Data und globaler Datenhändler mehr oder minder anonyme Persönlichkeitsprofile von uns allen. Während es hier aber vor allem um Business geht, bringt Peeple das Prinzip „Mensch als Produkt" nun mit aller Konsequenz in den privaten Bereich. Allerdings ist auch das nicht gerade eine neue Entwicklung. Was anderes als Selbst-Marketing ist das reich bebilderte Zurschaustellen der eigenen Person auf Facebook? Wir bewerten hier seit Jahren andere Menschen mit Likes.

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Peeple-Mitgründerin Julia Cordray mit der Beta-Version der App. Foto: Peeple Facebook

Nicht zufällig ist die einzige Voraussetzung für das Benutzen von Peeple dann auch der Besitz eines Facebook-Accounts. Während positive Bewertungen auf Peeple sofort veröffentlicht werden, gibt es bei negativen Rezensionen eine Gnadenfrist von 48 Stunden. Laut den Peeple-Gründerinnen Nicole McCullough und Julia Cordray habe die bewertete Person so die Zeit, ihren Rezensenten noch einmal umzustimmen. Wie das dann in der Praxis aussehen könnte, bleibt fraglich. Derzeit noch unklar ist, wie Peeple auf Beschwerden reagieren wird, sollten sich Bewerteter und Bewertender einmal nicht einigen können.

Müssen wir nun in Zukunft Angst haben, auf Schritt und Tritt von unserem zukünftigen Arbeitgeber begleitet zu werden?

Zumindest eine Option bleibt jedem, der sich unrecht bewertet oder gar als Opfer von Rufmord sieht: Er kann das Peeple-Netzwerk wieder verlassen, wodurch alle negativen Bewertungen zu seiner Person ausgeblendet werden. Was weiterhin Positives über ihn verfasst wird, kann er dann aber auch nicht mehr verfolgen. Die Gründerinnen verstecken sich dabei ein bisschen hinter der allseits beliebten American positive attitude: Sie wollten „unseren positiven Charakter zur Schau stellen. Wir wissen, dass ihr erstaunliche, besondere, einzigartige Individuen seid. […] Unsere Mission ist es, das Gute in euch zu finden." Eine individuelle Entscheidung darüber, ob wir bewertet wollen werden oder nicht, steht man uns dann allerdings nicht zu.

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Nun verlaufen natürlich zwischenmenschliche Beziehungen stets unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Diesem Umstand wird auch Peeple ansatzweise gerecht, indem die App drei verschiedene Kategorien anbietet, um einen anderen Menschen zu bewerten: personal, professional und romantic. Während die Bewertungen in ersterer und letzterer Kategorie zweifelsohne zu einer Ökonomisierung von Privatleben und sozialem Umkreis führen und somit das Stressniveau für den Einzelnen voraussichtlich nicht gerade positiv beeinflussen werden, ist eine Bewertung der beruflichen Persönlichkeit eine Praxis, die im Business-Bereich genauso notwendig wie bereits seit Langem etabliert ist.

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Peeple treibt dieses Prinzip nun auf die Spitze und bietet quasi die öffentliche Verteilung von Arbeitszeugnissen und Referenzen inklusive einer Persönlichkeitsbewertung an. Müssen wir nun also in Zukunft Angst haben, auf Schritt und Tritt von unserem zukünftigen Arbeitgeber begleitet zu werden?

Ein bisschen schon, denn jeder kurze Moment der menschlichen Interaktion könnte eine rufbildende Peeple-Bewertung nach sich ziehen. Die Ökonomisierung des Privatlebens ist dabei aber ebenfalls kein Trend, den Peeple angestoßen hat. Dienste wie AirBnb, Uber oder gar Couchsurfing arbeiten schon seit Jahren mit gegenseitigen persönlichen Bewertungen ihrer User. Und wie immer entscheiden letztendlich auch wir selbst, welchen Stellenwert eine neue App in unserem Leben einnehmen soll.

Peeple ist nur ein weiteres untrügliches Anzeichen dafür, dass der Mensch immer mehr zum Produkt verkommt und soziale Interaktionen zunehmend nach der Prämisse ausgewählt werden: Ich muss das bestmögliche aus einem Kontakt herausholen und darf mich nur mit Menschen abgeben, die mir etwas nutzen. Das ist das Denken eines Geschäftsmanns. Menschliche Authentizität, die sich Peeple schon jetzt auf die Fahnen schreibt, ist hier Fehl am Platze.