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Kiffergame Zonk: Das Brettspiel für die breite Masse

Die Legalisierung von Marihuana verändert in den USA mittlerweile auch den Brettspielmarkt: Weil es sich so großer Beliebtheit erfreut, wurde jetzt sogar ein altes Underground-Game offiziell neu aufgelegt.
Brettspiel und Zubehör (wird separat verkauft). Bild: Game of Zonk

Ich rechne mit dem Schlimmsten, als ich mich an den Tisch setze. Es ist ein Samstagabend in Denver und ich werde gleich zum ersten Mal Zonk spielen, ein kürzlich erschienenes Brettspiel, das auf dem Underground-Kifferspiel gleichen Namens beruht.

Gastgeber der Partie ist Jake Browne, seines Zeichens Marihuana-Kritiker und Kolumnist bei der Tageszeitung Denver Post. Browne und die meisten seiner Kollegen, die zum heutigen Spieleabend erschienen sind, haben deutlich mehr Erfahrung als ich—sowohl mit dem Kiffen als auch mit dem Spielen von Zonk. Langsam werde ich nervös.

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Ziel von Zonk ist es, als erster 10.000 Punkte zu erreichen. Man beginnt mit fünf Würfeln und erhält 100 Punkte für eine Fünf, 300 Punkte für drei Dreien und so weiter. Würfelt man die aus Kniffel bekannte große Straße erhält man 1.500 Punkte. Erreichst du mit deiner Wurfkombinationen gar keine Punkte, so bist du „gezonkt" und der nächste Spieler ist an der Reihe. Genau das passiert mir dann auch gleich bei meinem ersten Wurf.

Vielleicht sollte ich mich aber auch glücklich schätzen, dass sich die Punkte bei mir nur langsam ansammeln. Jedes Mal, wenn ein Zonk-Spieler 1.000 Punkte einstreicht oder eine bestimmte Punktkombination erreicht, muss er oder sie einen Zug von der frisch gestopften Bong nehmen. Um das Spiel zu gewinnen, muss man also mindestens zehn Hits vom Bong nehmen. Das offizielle Motto von Zonk lautet übrigens: „Bei Zonk ist jeder Spieler ein Gewinner"—ich wage allerdings, stark zu bezweifeln, dass ich mich nach mehreren Zügen von der Bong noch auf der Gewinnerseite befinden werde.

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Als ich vor einigen Wochen zum ersten Mal von Zonk hörte, war ich sehr neugierig. Wie schlägt sich wohl ein Marihuana-Spiel im Vergleich zu den uns wohlbekannten Trinkspielen? War Zonk wirklich mal ein „legendäres Underground-Spiel", wie auf der offiziellen Website des Spieleherstellers behauptet wird? Und falls ja, was bedeutet es eigentlich, dass Elemente der subversiven Cannabiskultur an dem Punkt angekommen sind, an dem wir ein stylisches Brettspiel brauchen, um in gemütlicher Runde zu kiffen? Sind Zonk oder ähnliche Spiele dieser Art wirklich gut genug, um die Marihuana-Äquivalente bewährter Trinkspiele wie Bier Pong oder Meiern zu werden?

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Um das herauszufinden, gab es nur einen Weg, wie ich schnell merkte. Ich musste gezonkt werden.

Bereits im Vorfeld des besonderen Spieleabends hatte ich mit dem Typen telefoniert, der Zonk gerade zu seinem neuen Ruhm verhilft: Spieleentwickler David Rakower. Er erklärte mit, dass Zonk in den späten 1970er Jahren an einer Universität in Upstate New York erfunden wurde. Rakower selbst spielte Zonk in seiner Studentenzeit am Marist College in Poughkeepsie in den 1990ern—und er spielt es bis heute, auch wenn er mittlerweile tagsüber einem respektablen Beruf nachgeht und sich um Klagen über von BP verursachte Ölschäden kümmert.

Als er im letzten Herbst eine Cannabismesse in Las Vegas besuchte, kam Rakower die Idee, sein altes Lieblingsspiel einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Zonk ist nicht das erste Spiel, das vom neue Hype um Cannabis profitiert. Es gibt da auch Weed-Opoly, das an die Siedler von Catan angelehnte Lords of Cannabis und sogar ein Schachspiel im Cannabis-Style. Der Markt für solche Angebote laufe gerade heiß, bestätigt Kristin Looney, die gemeinsam mit ihrem Mann Andrew das Spieleunternehmen Looney Labs führt, besonders bekannt für die Fluxx Kartenspiele. Im Jahr 2003 brachten die Looneys, die als Cannabisaktivisten bekannt sind, das Kartenspiel Stoner Fluxx heraus und spendeten einen Teil der Erlöse an Legalisierungskampagnen. Die Verkaufszahlen für das Spiel waren ganz okay—bis Colorado und Washington State Marihuana 2012 zu einem legalen Freizeitvergnügen machten.

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„Wir haben so viel verkauft wie nie, auf einmal war das Spiel in vielen Läden ausverkauft", so Kristin Looney. „Die Leute trauten sich plötzlich, es zu kaufen."

In vielen dieser Spiele spielt Cannabis eine Rolle, ohne dass das Spiel zwingend den Konsum voraussetzt. So heißt es etwa in den Spielregeln für Stoner Fluxx: „Die Anweisungen auf den Karten umzusetzen, ist gesetzeswidrig. Legen Sie die Karte beiseite, bis Cannabis in ihrem Bundesstaat legal konsumiert werden darf." Bei Zonk dagegen ist es allerdings kein netter Nebeneffekt des Spiels, breit zu werden, sondern der eigentliche Sinn und Zweck. Das erste, was man sieht, wenn man den Spielkarton öffnet, ist dann auch eine Haschpfeife aus Glas.

„Mir kommt es vor, als spielten wir Monopoly."

Die Menschen liebten es immer schon, den Rausch in einen Wettbewerb zu verwandeln. Bereits im antiken Griechenland spielte man ein Trinkspiel namens Kottabos, und im alten China erfreuten sich verschiedene Wettbewerbe, die Würfel, Rätsel und Alkohol vereinten, großer Beliebtheit. Vor allem in den letzten Jahrzehnten ist jedoch eine zunehmende Popularität dieser Spiele zu beobachten. Thomas Vander Ven, Soziologieprofessor an der Universität von Ohio, hat über neun Jahre beobachtet, wie sich die Trinkkultur an den Colleges, in Bars, auf Festivals und auf privaten Partys im Mittleren Westen der USA entwickelt. Und er sieht eine Zunahme der Spiele, die auf kollektiven Alkoholgenuss abzielen. Hier könne der Einzelne sich beweisen: „Wer immer weiter trinkt, auch wenn er sich vielleicht sogar schon erbrochen hat, aber trotzdem nicht aufhört, gilt als Held", erzählte Vander Ven Motherboard. „Dieses Verhalten führt zu einem Statusgewinn."

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Am wichtigsten ist dabei aber vielleicht die Tatsache, dass Trinkspiele einen schnellen und effizienten Weg zum kompletten Besäufnis bieten. Vollkommen betrunken zu sein, ist das erklärte Ziel der Spiele.

„Meiner Meinung nach liegt es daran, dass das Leben eines Collegestudenten relativ unkompliziert ist, und die Studenten deshalb eine Herausforderung suchen", erklärt Vander Ven. „Durch das Trinken kommt ein wenig Drama in ihr Leben: sie übergeben sich, fangen an zu kämpfen, werden verhaftet und streiten mit ihrem Partner. All das entsteht durch den kollektiven Rausch, und das wollen die jungen Leute. Sie müssen dann zusammenarbeiten, um die Probleme zu lösen. Das bindet die Gruppe noch enger aneinander. Erlebnisse aus dieser Zeit werden oft ein Leben lang als Anekdoten weitererzählt."

Leider überwiegen die negativen Auswirkungen der Trinkspiele die positiven Effekte wie Gruppenzusammenhalt und Trunkenheitsanekdoten, fügt Vander Ven hinzu. Unzählige Studienhaben bereits den Zusammenhang zwischen Trinkspielen und Alkoholabhängigkeit bewiesen.

Ähnlich wie ihre alkoholischen Pendants fördern auch Cannabis-Spiele die Zusammenarbeit und geben Teilnehmern die Möglichkeit, ihre Kiffkünste heroisch zur Schau zu stellen. Ein wichtiger Aspekt unterscheidet sie aber von den Trinkspielen: Marihuana-Games führen nicht unbedingt dazu, dass sich zum Schluss alle im Vollrausch befinden. „Weed wird ja als viel wertvoller als Alkohol betrachtet", sagt Andrew Looney von Looney Labs. „Da muss man Regeln aufstellen, die den Konsum begrenzen. Man muss sein Weed gut einteilen."

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Anders gesagt: Die zunehmende Beliebtheit der Kiffspiele wird sicherlich keine abartigen Blüten treiben, die mit den alkoholexzessbedingten Shit Shows der College-Studenten zu vergleichen wären. Trotzdem ist der ein oder andere angesichts der neuen Popularität dieses Zeitvertreibs, der ursprünglich zur Subkultur gehörte, besorgt.

„Je mehr Spiele es gibt, desto besser, finde ich. Die Leute können zusammen rauchen und mit anderen über ihren Konsum sprechen. Dadurch wird der Vorgang des Kiffens normalisiert", sagt Marty Otañez, Professor für Anthropologie an der Universität Colorado-Denver, der neben seiner Rolle als Lektor auch Studien über die Marihuana-Industrie durchführt. „Was aber verloren geht, sind die Underground- und Subkultur-Elemente, die das Spielen dieser Spiele so interessant gemacht haben."

Rakower gibt gerne zu, dass es ihm auch darum geht, mit seinem früheren Hobby Geld zu verdienen. Seit das Spiel im vergangenen Sommer herauskam, führt er eine aufwendige Marketingkampagne in Cannabis-Shops und arbeitet mit Stars wie Snoop Dogg und Doug Benson zusammen. Außerdem stellt er eigens zertifizierte „Zonk Ambassadors" an, die Zonk-Turniere in den gesamten Vereinigten Staaten durchführen.

Die Cannabis-Shops vertreiben das Spiel gerne, führt es doch zu erhöhtem Konsum. In einem Werbevideo rechnet Rakower vor, dass eine durchschnittliche Partie Zonk dazu führt, dass jeder Spieler 11,5 mal an der Bong zieht. Damit bringt ein Spiel im Wert von 40 US-Dollar der Cannabis-Industrie Mehreinnahmen von circa 2.800 US-Dollar pro Jahr.

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Ob die Marketingkampagne letztendlich erfolgreich verläuft, hat natürlich auch damit zu tun, ob die offizielle Version des Spiels überhaupt Spaß macht—und hier liegt meiner bescheidenen Meinung nach genau das Problem. Meine Sorge, dass ich zu stoned werden könnte, erwies sich an besagtem Spieleabend als völlig unberechtigt. Durch die ganzen merkwürdigen und schwer zu verstehenden Regeln und Strafen, von „bloody zonks" bis zu „sex odyssey bonuses", braucht einfach jeder Spieler ewig, um überhaupt die 1.000 Punkte-Marke zu erreichen und einen Zug von der Bong zu nehmen.

Spielprotokoll. Bild:Zonk the Game | Facebook

Vielleicht waren wir als Anfänger auch einfach noch zu langsam. Aber dadurch, dass man sich die ganze Zeit gegenseitig Fallen stellt und darauf hofft, dass der andere einen Fehler macht, entsteht einfach nicht die entspannte Atmosphäre, die ich von anderen Smoke Sessions kenne.

„Mir kommt es vor, als spielten wir Monopoly", sagt eine Mitspielerin, als es ihr zu langweilig wird. „Und das ist jetzt nicht als Kompliment gemeint."

Nachdem wir erst ungefähr zu einem Drittel durch sind, verlassen die Mitspieler nach und nach den Tisch, um sich interessanteren Aktivitäten zuzuwenden—etwa in der Küche Popcorn zu essen oder im Hof Karaoke zu singen. Ans Zonk-Brett kehrt keiner von uns zurück.

Aber noch ist der Spieleabend nicht ganz verloren. Zac Maas, ein Comedian aus Denver, schlägt eine Alternative vor: 10.000, der Klassiker unter den Würfelspielen, auf dem Zonk basiert. „So hab ich das Spiel immer mit meinen Großeltern gespielt", erklärt er uns, als wir uns wieder an den Spieltisch setzen.

Das Spiel nimmt schnell Fahrt auf und wir sammeln fleißig Punkte, ohne dass wir uns um verwirrende Richtungsänderungen kümmern müssen.

„Und wann muss man rauchen?" frage ich Maas. „Wann immer du willst", antwortet er. „Hier ist die Bong, bedien dich."

Das ist die Art von Regeln, mit denen ich klarkomme.