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Warum du kurz vor dem Sex nicht mehr pinkeln gehen solltest

Statt auf die Toilette zu rennen, gönnt ihr euch lieber noch ein gemeinsames Gläschen Wasser. Eure Harnröhren werden es euch danken.
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Endlich habt ihr es mal wieder geschafft, gemeinsam einen gemütlichen Abend auf der Couch zu verbringen. Ein bisschen kuscheln, schmusen, knutschen und ja, jetzt könnte es eigentlich losgehen. Vielleicht besser noch mal schnell aufs Klo, mit erleichterter Blase ist die schönste Nebensache der Welt doch noch ein bisschen schöner. Oder?

Tatsächlich könnte euch dieser kurze Gang auf die Toilette zum Verhängnis werden—begünstigt er doch indirekt die Entstehung einer äußerst unangenehmen und lästigen Infektion, der Blasenentzündung.

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Während es wohl kaum ein Thema gibt, um das sich so viele Mythen, Legenden und gefährliches Halbwissen ranken, wie um den menschlichen Geschlechtsverkehr, war es der New Yorker Urologe David Kaufman, der als erster prominenter Mediziner mit seinem Fachwissen darauf aufmerksam machte, dass das Wasserlassen vor dem Sex die Wahrscheinlichkeit einer akuten Zystitis nicht wie teilweise fälschlich angenommen reduziert, sondern im Gegenteil sogar erhöht. Und das aus einem ganz simplen Grund: Wer kurz vor dem Sex uriniert, wird es direkt danach wahrscheinlich nicht mehr tun. Fällt die postkoitale Blasenentleerung aber aus, sind Kolibakterien und anderen Keimen auf ihrem Weg durch die Harnröhre Richtung Harnblase Tür und Tor geöffnet. Kaufman bezeichnet den Verzicht auf die Blasenentleerung nach dem Sex sogar als „Ursache Nr. 1 für einen post-koitale Infektionen des Harntrakts, auch bekannt als Honeymoon Cystitis".

Pärchen beim Sex

Beim vaginalen Geschlechtsverkehr werden durch die Bewegungen des Mannes Bakterien aus dem unteren Scheidenbereich in die Harnröhre der Frau gestoßen. Foto: Shutterstock

Das Risiko, an einer Blasenentzündung zu erkranken ist bei Frauen deutlich höher im Vergleich zu Männern, was zunächst schlicht und einfach anatomische Gründe hat. Während der Mann eine Harnröhre von 20 bis 25 Zentimetern Länge besitzt, misst die weibliche Harnröhre durchschnittliche gerade einmal vier Zentimeter—deutlich weniger Reisestrecke für einfallende Keime. Außerdem befindet sich der weibliche Harnröhrenausgang wesentlich näher am After, so dass es die Erreger aus dem Enddarm auf ihrem Weg in die Harnröhre bei der Frau nicht ganz so weit haben wie beim Mann.

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Beim vaginalen Geschlechtsverkehr werden durch die Bewegungen des Mannes diese Bakterien aus dem unteren Scheidenbereich in die Harnröhre der Frau gestoßen, wie David Kaufman in einem Interview mit der Huffington Post erläutert. „Die Bakterien haben winzig kleine Pili [aus Proteinen bestehende Anhängsel], die als Haken fungieren, mit denen sie sich im unteren Harntrakt festsetzen können." Haben sie dies einmal getan, sind es nur noch vier Zentimeter zur Blase, wo sie sich dann reproduzieren, prächtig gedeihen und eine Blasenentzündung verursachen.

Zwei Gläser Wasser

Wenn ihr euch vor dem Sex noch einen gemeinsamen Drink genehmigen wollt, ist Wasser nicht die schlechteste Option. Foto: Shutterstock

Die „effektivste Methode", das zu verhindern, sei es laut Kaufman, sich das Wasserlassen für nach dem Sex aufzusparen und stattdessen vor dem Schäferstündchen lieber noch ein Glas Wasser zu trinken, denn: „Je größer und kraftvoller der Harnstrahl, umso wahrscheinlicher werden die Bakterien wieder herausgespült." Wer also unbedingt noch vorher auf's Klo muss, dürfe das schon tun, solle dann aber entsprechend Flüssigkeit nachlegen. „Es muss nicht zwangsläufig Wasser sein, von mir aus auch ein Glas Weißwein. Das einzige, was mich interessiert, ist das Blasenvolumen!", so Kaufman.

Auch wenn Männer durch Sex keine Gefahr laufen würden, an einer Blasenentzündung zu erkranken—alleine schon durch den viel weiteren Weg, den die Bakterien durch die Harnröhre zurücklegen müsste—empfiehlt Dr. Kaufman ihnen ebenfalls, erst nach dem Sex pinkeln zu gehen und vorher ausreichend Flüssigkeit aufzunehmen. Denn auch in die männliche Harnröhre könne beim Sex Bakterien gelangen, welche sich dann in der Prostata, die sich unterhalb der Blase befindet, festsetzen, wenn sie nicht vorher durch Urinieren wieder ausgespült werden.

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Habe man das prekoitale Wasserlassen bereits als festes Ritual etabliert, könne man stattdessen ja einfach duschen. „Ich sage meinen Patientinnen, dass sie duschen sollen, wenn sie vor dem Sex noch etwas tun wollen. Einfach den Duschkopf nach unten führen, die Schamlippen etwas auseinanderziehen und das Scheidengewölbe säubern. Denn hier befinden sich bekanntlich viele Bakterien."

Übertreiben sollten es Frauen mit der Intimhygiene dann aber auch nicht, denn übermäßiges Duschen spült natürlich nicht nur Pilze und Krankheitserreger, sonder auch Teile der gesunden Bakterienflora der Vagina weg.

Wolfgang Bühmann, Sprecher des Berufsverbandes der Deutschen Urologen, erklärt, dass auch die richtige Hygiene nach dem Stuhlgang das Risiko einer Blasenentzündung deutlich reduzieren kann: „Der Analbereich sollte immer von vorne nach hinten gesäubert werden, um ein Eindringen von Darmbakterien in die Harnröhre zu verhindern." Er hält die regelmäßige Aufnahme von Flüssigkeit—nicht nur direkt vor dem Sex—für eine gute Prävention von Blasenentzündungen.

Wenn man sich dann doch einmal eine Blasenentzündung eingefangen hat, ist der Gang zum Arzt oft unumgänglich, denn haben sich die Bakterien erstmal eingenistet, hilft nur noch die Einnahme von Antibiotika, um noch Schlimmeres, wie zum Beispiel einen Befall der Nieren, zu verhindern.