Bei Trumps erster Anti-Terror-Operation starben 10 Frauen und Kinder

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Bei Trumps erster Anti-Terror-Operation starben 10 Frauen und Kinder

Laut Trump brachte der Angriff auf al-Qaida im Jemen Geheimdienstinformationen ein, die zukünftige Terrorattacken verhindern könnten.

Titelfoto von Program Executive Office Soldier | Flickr | CC BY 2.0
Dieser Artikel erschien zuerst auf VICE News. Donald Trump hat sein erstes präsidiales Anti-Terror-Unterfangen als Erfolg bejubelt, obwohl es offensichtlich nicht plangemäss ablief und im Tod eines US-Kommandosoldaten, weiteren sechs verletzten Soldaten und mindestens 10 toten Frauen und Kindern resultierte, so Reuters. Trump sagte, dass der Angriff auf al-Qaida im Jemen am frühen Sonntagmorgen Geheimdienstinformationen einbrachte, welche zukünftige Terrorattacken zu verhindern helfen würden. 14 al-Qaida-Kämpfer wurden laut dem US-Militär beim Angriff im Regierungsbezirk Al Bayda getötet; al-Qaida sagte, dass Abdulraoof al-Dhahab, einer ihrer Anführer im Jemen, zu den Getöteten zählt.

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Die Attacke hatte zudem laut Berichten zivile Opfer gefordert, darunter auch Nawar al-Awlaki, die achtjährige Tochter des berüchtigten al-Qaida-Propagandisten Anwar al-Awlaki, wie ihr Onkel auf Facebook postete. Das Mädchen, dessen Tod noch nicht vom US-Militär bestätigt wurde, wäre das zweite von Awlakis Kindern, das bei einem US-Militäreinsatz ums Leben kam. Während Anwar al-Awlaki in New Mexico geboren wurde, geht man davon aus, dass seine Tochter keine US-Bürgerin war. Jedoch zirkuliert ein Foto des Mädchens in den sozialen Medien und Menschenrechtsgruppen warnen davor, dass der Angriff – der erste für US-Truppen auf fremdem Boden seit 2004 – dazu beitragen könnte, al-Qaidas Sympathien im kriegsgeplagten Land zu steigern. Dies an einem Ort, dessen Ableger von al-Qaida als einer der gefährlichsten dieser Terrororganisation angesehen wird.

Jemens zweijähriger Bürgerkrieg erzeugte ein Gesetzesvakuum, in welchem die Terrorgruppe aufblühte. Sie rühmt sich mit fähigen Bombenbauern und trachtet aktiv danach, westliche Ziele zu attackieren. Die Gruppe wurde mit erfolgreichen Terrorangriffen in Verbindung gebracht, darunter das Charlie-Hebdo-Massaker und der Anschlag auf den Boston-Marathon, sowie mindestens drei vereitelte Versuche, Bomben an Bord von US-Passagierflugzeugen zu sprengen.

Al-Awlakis Netzwerk im Visier

Nawar al-Awlakis Tod wurde noch nicht von offizieller Stelle der USA bestätigt, doch sie wäre das zweite von al-Awlakis Kindern, das bei einem US-Angriff ums Leben kam. Ihr Vater war ein radikaler Geistlicher und für seinen immensen Einfluss auf englischsprachige Jihadisten bekannt. Er war der erste US-Bürger, der im September 2011 zum Ziel eines US-Drohnenangriffs im Jemen wurde. Zwei Wochen später wurde jedoch versehentlich sein sechzehnjähriger, in Colorado geborener Sohn Abdulrahman bei einem weiteren Drohnenangriff getötet, der eigentlich einen anderen al-Qaida-Verdächtigen hätte treffen sollen. Der Vorfall löste eine genaue Prüfung der Drohnenkriegsführung durch Obamas Administration aus.

In einem Facebook-Eintrag behauptet Ammar Al-Aulaqui, der ehemalige stellvertretende Staatssekretär vom Jemen, dass seine Nichte "mehrere Male von Schüssen getroffen wurde, wobei eine Kugel ihren Hals durchdrang. Sie blutete während zwei Stunden, weil es nicht möglich war, sie medizinisch zu versorgen."

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Als eine von al-Qaidas einflussreichsten Persönlichkeiten hatte Awlaki Verbindungen zu zahlreichen hoch gehandelten Jihadisten, darunter auch drei der World Trade Center-Attentäter und der Fort Hood-Amokläufer. Aufnahmen seiner Predigten zirkulieren weiterhin in weiten Kreisen im Internet und sind angeblich seit seiner Tötung noch beliebter unter Extremisten. Während sein Vater mit einem Stipendium in den USA studierte, wurde Awlaki in den Staaten geboren, seine Familie zog jedoch in ihr Heimatland zurück, als er sieben war. Er selbst kehrte als Student in die USA zurück und lebte nach seiner Radikalisierung in Grossbritannien und seit 2004 wieder im Jemen, wo wahrscheinlich seine Tochter geboren wurde.

Was passierte beim Angriff?

Der Angriff im Jemen begann, als eine Drohne Dhahabs Zuhause bombardierte, gefolgt von Helikoptern, die US-Soldaten absetzen, welche die verbliebenen Bewohner ausschalteten. Das US-Militär verkündete in einer Stellungnahme, dass der tote Soldat in einem Feuergefecht im Zielgelände fiel, wo noch drei weitere US-Soldaten verwundet wurden. Im Bericht hiess es weiter, dass drei Kämpfer im Bereitstellungsraum Verletzungen erlitten, als das MV-22 Osprey Schwenkrotor-Luftfahrzeug eine "harte Landung" machte, jedoch nicht aufgrund von Feindbeschuss. Das Flugzeug wurde absichtlich von den US-Streitkräften zerstört, als es für fluguntauglich befunden wurde.

Ein Ortsansässiger sagte zu Reuters, dass Schützen auf die sich zurückziehenden US-Kräfte schossen, bevor Helikopter hinzukamen, welche Soldaten evakuierten und Bomben auf die Kämpfer und deren Häuser warfen, was viele Opfer zur Folge hatte. Der Angriff wurde von Mitgliedern des Navy SEAL Team 6 durchgeführt, berichtete die New York Times. Mediziner vor Ort sagten laut Reuters, dass rund 30 Menschen, davon 10 Frauen und Kinder, getötet wurden. Der Sprecher des US-Militärs, Army Major Josh T. Jacques, sagte gegenüber VICE News, das Militär untersuche Berichte, denen zufolge Zivilisten, Frauen und Kinder getötet wurden; er sagte zudem, dass die Soldaten, die am Angriff teilnahmen, berichteten, dass sie unter Beschuss seitens "mehrerer weiblicher Personen" gerieten.

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Das Zentralkommando der Vereinigten Staaten sagte, dass der Name des toten Soldaten unter Verschluss bleiben würde, bis die Familie informiert ist. Zudem hätten ähnliche Unterfangen Geheimdienstinformationen zur Logistik von Terrororganisationen, deren Rekrutierung und Finanzierung zu Tage gebracht hatten.

"Die bombardieren unser Land"

Andrea Prasow, Washingtons Vizedirektorin bei Human Rights Watch, sagte zu VICE News, sollten zivile Opfer bestätigt werden, so sehe der Angriff schlecht aus – besonders da die USA bereits wegen Trumps präsidialer Verordnung in Bezug auf Immigration unter Kritik stehe; ein Erlass, der Jemeniten Restriktionen auferlegt, wenn sie in die USA einreisen wollen. "Jedes Mal, wenn die USA etwas im Jemen unternimmt, sehen es die Zivilisten und sagen: schau, was die USA tut – die bombardieren unser Land und töten unsere Zivilbevölkerung", sagte sie. "Ich denke bestimmt nicht, dass dies der Position der USA in der Welt zuträglich ist."

Aber Bill Roggio, Senior Partner der Stiftung Defense for Democracies sagte zu VICE News, obwohl al-Qaida versuchen würde, den Tod Newar al-Awlakis und anderer Zivilisten zu Propagandazwecken zu gebrauchen, so erreiche dies "nur Leute, die bereits dazu neigen, deren Weltansicht zu teilen." Er sagte, dass die amerikanischen Einsätze im Jemen seit 2009 zwar erfolgreich einige Hauptakteure von al-Qaida ausgeschaltet haben, jedoch daran scheiterten, die Organisation zu zerstören, welche zweimal grosse Gebiete des Landes einnahm und damit fortfährt, Attentate gegen den Westen zu planen.

Während den zwei Jahren Bürgerkrieg zwischen Saudi-unterstützten, regierungsloyalen Kräften und Iran-unterstützten Houthi-Rebellen hat die US Regierung seine Militäraktivitäten im Land beachtlich zurückgefahren, unterstützt jedoch die Saudi-geführten Einsätze mit Waffen und Geheimdienstinformationen. Ihr Angriff war die erste amerikanische Spezialoperation im Jemen seit Dezember 2014.

Roggio sagte, es bleibe abzuwarten, wie Trump die Bedrohung, welche al-Qaida im Jemen darstellt, angehen würde; er, der schwor, den Druck auf die islamischen Militanten dieser Welt zu erhöhen. Nur Stunden nach dem Einsatz wurde von einem weiteren US-Drohnenangriff berichtet, der zwei mutmassliche al-Qaida-Kämpfer im Land tötete.  "Ich denke, es ist möglich, dass die Trump-Administration zu einer aktiveren Herangehensweise neigt und mehr Spezialeinheiten einsetzen wird", sagte Roggio.