Popkultur

Der neue Michael-Bay-Film 'Ambulance' zeigt, was im Leben wirklich zählt

Und zwar Hunde.
Ein Krankenwagen fährt zwischen explodierenden Streifenwagen hindurch. Der Film Ambulance von Michael Bay ist großer Trash
Bild: IMAGO / Prod.DB

Während da unten Autos durch die Gegend fliegen, automatische Waffen auf Hubschrauber schießen und zwei Brüder nach einem Banküberfall einen Krankenwagen als Fluchtauto benutzen, fliegt die Kamera mal gemütlich, mal rasant über die Dächer der glänzenden Gebäude von Los Angeles. Von hier oben wäre es friedlich, würden wir nicht immer wieder unvermittelt runterstürzen und dem Krankenwagen folgen, um den herum die Hölle explodiert.

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Ambulance, der neue Film von Michael Bay, erzählt eine Geschichte von zwei Brüdern. Ihr Vater war Bankräuber, weswegen der eine, Danny, gespielt von Jake Gyllenhaal, jetzt auch Banken ausraubt und den anderen, Will, gespielt von Yahya Abdul-Mateen II, in einen letzten großen Job mit reinzieht. Will braucht das Geld für die Krebsbehandlung seiner Frau, eigentlich ist er nämlich ein lieber Kerl, der als Afghanistan-Veteran jetzt im zivilen Leben kämpfen muss.

Weil Will ein lieber Kerl ist, verspricht ihm Danny, dass der Überfall supereinfach würde. Keine Gewalt und so weiter. Klappt natürlich nicht, Polizei, Schüsse, Tote. Um vor der Staatsgewalt zu fliehen, klauen die beiden einen Krankenwagen. In dem fürchtet auch noch eine Sanitäterin um ihr Leben, die einen Polizisten versorgt. Den wiederum hat Will kurz zuvor angeschossen, um Danny zu beschützen. 

Was für ein Trash. Danny ist der böse Bruder und Will der Gute. Beide überfallen die Bank, aber der eine nur, um aufzusteigen und reich zu werden. Ein Neureicher ist er da schon, dem es wichtig ist, Kashmir-Pullover zu tragen. Der andere ist der Arbeiterklasse treu geblieben, beim Militär wurde er zum Held. Wäre das System gerecht, müsste er keine Banken überfallen. 

Dass die Polizei innerhalb von Minuten mit Sturmgewehren, Hubschraubern und Panzerfahrzeugen anrückt, hinterfragt der Film dabei nicht. Muss er vielleicht auch nicht, weil wir uns hier im Action-Genre bewegen. 

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Und das sieht geil aus, was da alles explodiert. Dass eine hochgerüstete und militarisierte Staatsgewalt aber ein faires Gesundheitssystem in Frage stellt, wird gar nicht thematisiert. Man könnte sagen: Wäre die Polizei nicht so krass brutal aufgepumpt, würde es den Überfall gar nicht geben, weil Wills Frau einfach ihre Behandlung bekäme.

Gleichzeitig werden die staatlichen Institutionen glorifiziert. Die Sanitäterin Cam, gespielt von Eliza Gonzáles, ist eine verkappte Ärztin, die beste Sanitäterin der Stadt und ihr Herz ist aus purem Gold. Die Polizisten haben allesamt eine sympathische Backstory. Nicht zuletzt der eine, der die Verfolgungsjagd stoppt, als er erfährt, dass sein Hund in einem der Autos sitzt. Da haben wir bereits gesehen, wie schnell die Polizei durch Wohngebiete rast und sich Schusswechsel mit den Gangstern liefert, aber hier setzt er klare Prioritäten. Und dass Will Soldat war, ist ja ohnehin super sympathisch, thank you for your service.

Ambulance ist purer Trash in seiner langweiligsten Form. Die Figuren des Films bleiben von Anfang bis Ende Klischees. Entweder gruselig durchgeknallt und böse oder super zuvorkommend und von Grund auf gut. Keine Ambivalenz, keine Charakterentwicklung, keine Tiefe. Das Schauspiel unterstreicht das: Während Jake Gyllenhaal durchgehend wahnsinnig grinst oder blöd rumbrüllt, schaut Yahya Abdul-Mateen II fast die ganze Zeit vermeintlich tiefgreifend in die Menschen hinein. 

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So bleibt der wichtigste Charakter, wahrscheinlich sogar der erinnerungswürdigste, der Hund. Wow, ist der süß. Groß und flauschig und ein bisschen zerknautscht sitzt er erst auf dem Beifahrersitz seines Herrchens, was super lustig ist, weil dessen Auto gar nicht so groß ist. Später sitzt er dann auf der Rückbank eines verfolgenden Wagens. Zwar bleibt er willenlos, ja geradezu passiv und doch kristallisiert sich in dem Tier alles, was der Film erzählen will. Oder wollen könnte, wir sprechen immer noch von einem Actionfilm.

Denn der Hund will ja gar nichts Böses. Wie Will, der Sympathieträger, ergibt er sich dem Geschehen um ihn herum. Während die Welt sich auflöst, fährt er mit, hofft darauf, ein Leckerli zu kriegen und den Menschen, die er liebt nah zu sein. 

Die Kamera begleitet diese herzergreifende Story komplett wild. Sie steht nie still, fliegt uns oft auf einer Drohne um die Ohren und zwar im ganzen Raum umher. Manchmal entstehen so wirklich anspruchsvolle Aufnahmen, die man im Actionkino so nur selten sieht, etwa wenn erst ein Auto über sie drüber fliegt, bevor sie selbst abhebt und ganz knapp über ein zweites Auto gleitet. Das sieht in seinen guten Momenten schon geil aus, auch wenn die Schnitte oft so schnell sind, dass man sich fragt, wo man jetzt gerade ist. Oft nervt es aber auch nur. 

Überhaupt sieht der Film geil aus. Alles explodiert und fährt und ballert und brüllt. Der Sound knallt ohne Pause und ist dabei so miserabel gemischt, dass man kaum versteht, was die Menschen sagen, weil der Motor des Autos so laut brummt, die Rotoren der Hubschrauber oder einfach die Sturmgewehre rattern. 

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Gleichzeitig ist der Film sehr lang. Über zwei Stunden für eine Story, die kaum existiert. Klar, Mad Max Fury Road war auch eine endlose Verfolgungsjagd. Aber da war Charakterentwicklung und Symbolik. Hier passiert einfach nichts, außer dass Autos kaputt gehen. Das ist, so geil es ist, irgendwann auch genug. 

Hinzu kommen gigantische Logiklöcher. Das erste gleich zu Beginn: Will will sich Geld von Danny leihen. Die Krebsbehandlung und so weiter. Der aber bietet ihm im Gegenzug an, bei dem Banküberfall mitzumachen, der genau in der Sekunde beginnen soll.

Danny, der sein gesamtes Geld in das Projekt gesteckt und ewig lang geplant haben soll, vertraut darauf, dass Will schon ja sagen wird? Und dann auch noch rein zufällig vorbeikommt, um sich Geld zu leihen? Beziehungsweise, er disponiert in letzter Sekunde um und nimmt noch seinen Bruder mit? Das ist der größte Quatsch, den Michael Bay je erzählt hat und Michael Bay hat die Transformers-Filme gedreht. Und dann haben wir noch gar nicht darüber gesprochen, dass das Herrchen des Hundes die Verfolgungsjagd stoppen lässt, um seinen Vierbeiner zu schützen. Im wahren Leben würde man einfach überrollt.

Es bleibt offen, warum Will denn nun 200.000 Dollar stehlen muss. Warum er nicht genug Geld hat, obwohl er doch der beste Autofahrer der Welt sein soll. Und als er am Ende, Spoiler, gefasst wird, gönnt der Film ihm doch auch tatsächlich, dass er das Geld behalten darf, um die Behandlung seiner Frau zu zahlen. 

Er muss sich also persönlich darum kümmern, dass ihm Gerechtigkeit zuteil wird. Wir sehen, dass er sie verdient, weil er ein lieber Kerl ist, wir gönnen ihm, dass er sich aus der Lage befreit, in die die Gesellschaftspolitik ihn zwingt. Wäre er ein Arsch wie sein Bruder, würden wir ihm den Tod wünschen. Jedenfalls würden wir ihm nicht wünschen, dass er das Geld behält, das er aus der Bank geraubt hat. Er ist genauso Opfer der Gesellschaft, die ihn in die Situation zwingt, wie er Opfer der Situation ist, die ihn zu immer krasseren Maßnahmen zwingt. Er ist Spielball der Welt, wie der Hund. Und vielleicht: Wie wir alle.

Am Ende lernen wir aus dem Film also, dass nichts zählt. Außer dem Leben eines Hundes. Geld kommt und geht, aber ein Hund ist dein bester Freund. Menschen können auf der Straße erschossen werden, motorisierte Vermögenswerte in Millionenhöhe in die Luft gejagt und große Teile der Infrastruktur von Los Angeles zerstört werden: Lebt der Hund, geht es uns gut. Und das ist wahrscheinlich das Schönste an diesem belanglosen Abfall.

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