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Sex

Ich war im Strip-Schuppen und es war beschissen

Bei einem Junggesellenabschied brach für mich die glitzernde Illusion des Striptease zusammen.
Foto von Gabriel Saldana

Polterabende gehören sich irgendwie: Freunde organisieren eine letzte, wilde Nacht für den werdenden Bräutigam. Der darf sich noch einmal voll und ganz im Klischee der Männlichkeit baden. Stripperinnen und Alkohol gehören als Grundpfeiler zu jedem gelungenen Junggesellenabschied. Die Illusion muss perfekt sein.

Zehn Jungs auf dem Weg nach Hamburg

Mit einer bereits stolzen Anzahl Promille intus, planten wir im Flugzeug den bevorstehenden Abend. Die Nacht musste natürlich legendär und der Hangover brutal werden. Hier und da wurde über Kleinigkeiten gezankt, über einen Punkt waren sich jedoch alle einig: Ein Besuch im Striptease-Club ist Pflicht! Meine Fantasie war sofort voll dabei: Ich wollte saufen, feiern und wunderschöne nackte Frauen für mich tanzen sehen. Anschliessend würde ich besoffen und aufgegeilt durch die Strassen der Elb-Stadt ziehen. Wir würden Hamburg unseren Stempel aufdrücken. Und als Höhepunkt in „Susis Show Bar"—einem der bekanntesten Strip-Läden Deutschlands—Titten und Ärsche gegen massenweise Dollarscheine wackeln lassen. Meine Erwartungen stiegen ins Grenzenlose! Wir würden unseren Freund wie richtige Männer verabschieden!

Mit der Vorfreude eines Primaten

So kam es dann auch: Nach dem Vorglüh-Marathon von gut fünf Stunden standen wir schwankend vor dem Tor zu unserem Polterabend-Paradies. Was uns wohl dahinter erwarten würde? Etwas schüchtern aber mit breitem Grinsen betraten wir das Lokal.

Der Weg zu unseren Plätzen—wir hatten eine Privat-Show für unseren Junggesellen gebucht—führte uns bereits durch einen Dschungel an Strings und Silikon-Titten. Es stank nach Schweiss und ausgeleerten Drinks. In den Ecken geifernde Typen, deren gierige Blicke die blutjungen Ladys fixierten. Das schummrige Ambiente mit den roten Vorhängen erfüllte all unsere Erwartungen. Wir nahmen im hinteren Teil des Clubs vor einer kleinen Bühne unsere Plätze ein. Gespannt sassen wir im Kreis, als die erste Tänzerin die Mini-Bühne betrat. Eine dunkelhaarige Schönheit, die aussah wie direkt aus einem Porno gehopst. Bevor ich realisierte was geschah, verschwand der Kopf meines Sitznachbarn auch schon zwischen ihren Brüsten, während ihre Hände nach den Geldscheinen schnappten. Euphorische Wärme durchströmte meinen Körper.

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Foto: Martin Abegglen | Flickr | CC BY 2.0

Doch bevor diese Wärme meinen Körper ganz einnehmen konnte, setzte ein verirrter Blick meiner Euphorie ein abruptes Ende. Hinter einem Vorhang sah ich eine junge Tänzerin, die weinend auf der Bühne zusammenbrach. Perplex versuchte ich mit meinem aufgegeilten und besoffenen Hirn nachzuvollziehen, was sich vor meinen Augen abspielte. Eine recht surreale Situation entstand: Eine Arbeitskollegin eilte der weinenden Stripperin zu Hilfe, während der vermeintliche Zuhälter ihnen kritische Blicke zuwarf. Kurz darauf verschwand der Kopf der weinenden Stripperin dort, wo eben noch der Kopf unseres Bachelors seinen Platz einnahm: Zwischen ihren Brüsten. Ihre Reaktion war angesichts der Situation zwar nicht vollkommen unangemessen, doch dieser unbeholfene Versuch, die Trauer in Silikon zu ertränken, killte unsere Stimmung nachhaltig.

„Ich will weg. Ich fühle mich beschissen", flüsterte mir einer meiner Freunde ins Ohr. Betretenes Schweigen. Doch schon startete die nächste Show und nur zwei Minuten später steckte ich der nächsten Stripperin die Dollarscheine ins Höschen und mein Gesicht tauchte zwischen ihren Brüsten ab.

Foto: Steven Depolo | Flickr | CC BY 2.0

Vorfreude trifft auf Realität

Na gut, man könnte jetzt sagen, ich hätte eben einmal ein schlechtes Erlebnis in einem Striptease-Schuppen gehabt und sei darum angewidert. Das wäre aber ein Trugschluss.

Warum gehen Männer überhaupt in Striptease-Clubs? Weil es von uns erwartet wird! Männerrunden entwickeln eine besondere Eigendynamik: Wir haben das Gefühl, uns unsere Männlichkeit dauernd gegenseitig unter Beweis stellen zu müssen und schaukeln uns dabei immer weiter hoch. Was? Du willst einer Frau, die am Existenzminimum lebt, nicht beim sich Ausziehen zuschauen? Du Pussy!

Als wir den Schuppen wieder verlassen hatten, startete ich eine Feedback-Runde bei meinen Kumpels. Ich erhielt Antworten wie: „Männer sind die Frauen von heute. Echte Männer brauchen das und es war geil!" Oder: „Ich hatte zwar zu keinem Zeitpunkt einen Ständer oder war angeturnt, trotzdem war's geil!" Und: „Die Tänzerinnen waren zwischen den Beinen genau so trocken, wie mein Schwanz auf Standby. Aber es war geil!" Die restlichen Antworten gingen irgendwo in den Windungen meines alkoholberauschten Hirns verloren.

Titel-Foto: Gabriel Saldana | Flickr | CC BY 2.0