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Sex

Ich habe meine Flitterwochen im berüchtigsten Sexclub Berlins gefeiert

Im Lab.Oratory gibt es in Bezug auf Schwulensex kaum Grenzen—eine perfekte Metapher für meine Ehe.

Illustration: Lili Emtiaz

Unser ganzes Leben lang heißt es, dass wir so viele Menschen hassen dürfen, wie wir wollen. Wenn du jedoch den Bund der Ehe eingehst, dann darfst du nur noch einen Menschen lieben und ficken. Wenn du dieses Konzept dann in Frage stellst, giltst du in Teilen unserer Gesellschaft als Gefahr für die Ordnung eben dieser Gesellschaft.

Ich lernte meinen Ehemann Alex vor viereinhalb Jahren durch die Schwulen-Dating-App Scruff kennen. Eigentlich sollte er nichts weiter als eine heiße Bettgeschichte sein und ich hätte mir anfangs nie träumen lassen, dass wir eines Tages heiraten. Letztendlich habe ich da jedoch den perfekten Partner kennengelernt, denn wir lassen uns gegenseitig das Leben leben, das wir auch wirklich leben wollen. Dabei setzen wir uns auch in Bezug auf die Liebe keine Grenzen. In anderen Worten: Andere Männer dürfen ebenfalls an unserer Beziehung teilnehmen.

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Es hat Jahre gedauert und es waren viele Diskussionen und Auseinandersetzungen nötig, um mit dieser Vereinbarung wirklich klarzukommen. So habe ich zum Beispiel auch Dreier wütend abgebrochen und Alex weggerissen, weil er unseren Bettpartner zu lange geküsst oder auf eine Art und Weise angeschaut hat, auf die er eigentlich nur mich anschauen sollte.

Als wir unseren Freund Jon kennenlernten, sah ich mich plötzlich mit neuen und unerwarteten Herausforderungen konfrontiert, weil ich dabei zusehen konnte, wie sich Alex in einen anderen Menschen verliebte. Und trotzdem hatte es auch etwas Schönes an sich, wie die beiden zum Beispiel Händchen hielten oder sich küssten. Solche Beobachtungen erweiterten meinen Horizont und mit der Zeit stellte ich fest, dass ich tatsächlich Gefühle sowohl für Alex als auch für Jon haben kann. Es ist möglich, dass wir drei uns (und andere Männer) wirklich grenzenlos lieben.

Alex und ich heirateten vergangenen Februar und wir entschlossen uns dazu, anlässlich unserer Flitterwochen durch Europa zu reisen. Wir wollten dabei so viele Abenteuer wie nur möglich erleben. Genauso wie bei unsere Ehe sollte es auch bei unseren Flitterwochen keine Regeln geben. Unser Urlaub, unsere Wünsche.

Und so stießen wir bei unseren Recherchen auch auf das Lab.Oratory, den Sexclub an der Seite vom berühmt-berüchtigsten Club Berlins, dem Berghain. Uns war direkt klar, dass wir dort vorbeischauen müssten, denn eine ausschweifende 300-Mann-Orgie schien für uns die perfekte Möglichkeit zu sein, unsere Ehe zu zelebrieren.

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Das Berghain ist vor allem für die schier endlose Warteschlange am Eingang berühmt, aber das Lab.Oratory hat eine eigene Tür mit eigener Einlasspolitik. So erfuhren wir auch, dass man dort mit Parfüm gar nicht erst ankommen braucht. Das ergibt auch Sinn, denn der natürliche Geruch eines Manns ist ja ein elementarer Bestandteil der Erotik von Schwulensex.

Das Motto des Abends war recht einfach: Zwei Getränke zum Preis von einem, Kleidung optional. Wir waren nervös, denn obwohl wir in den USA schon zig Sexpartys und Schwulensaunas besucht hatten, stellte das hier doch eine völlig neue Erfahrung dar.

Das weiträumige Innere des Clubs wirkt durch die Betonwände und die Stahlträger sehr industriell und zweckmäßig. Ich hatte das Gefühl, Teil einer Orgie in einem verlassenen, dreckigen und gefährlichen Lagerhaus zu sein. Die meisten anwesenden Männer waren um die Hauptbar versammelt, wo sie lachten und miteinander redeten. Andere hatten sich hingegen in die dunkleren Ecken zurückgezogen, wo sie entweder Sex hatten oder sich oral befriedigten. Die eigentliche Action findet jedoch in den vielen kleineren Räumen statt. Alex und ich entschieden uns dazu, den Club genauer zu erkunden.

Zu sagen, dass die Clubgänger im Lab.Oratory viel ficken, wäre untertrieben. Dabei sind es gar nicht die ganzen Sexschaukeln, die Badewannen für goldene Duschen, die Fisting-Räume, die Gangbangs oder die zwanglose Art und Weise, einfach so einen Blowjob geben zu können, die den Club so übersinnlich machen. Nein, es ist die Kameradschaft, die dort in der Luft liegt.

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Ja, man geht ins Lab.Oratory, um dort zu ficken. Aber dabei handelt es sich aber um eine feierliche Art des Fickens. Es ist auch sofort erkennbar, dass dieser Club ein Ort ist, an dem wir unsere Körper, unser Verlangen, unsere Homosexualität und unsere Männlichkeit zelebrieren sollen.

Mir fiel direkt ein großer und muskulöser Typ an der Bar auf. Er kam aus Südafrika und verbrachte das Wochenende in Berlin. Schon bald hatten Alex und ich leidenschaftlichen Sex mit ihm, während andere Männer uns dabei zusahen, uns berührten und uns küssten. Der Klang von Sex war allgegenwärtig. Mein Gehirn schaltete ab und ich gab mich ganz der Reizüberflutung hin.

Als Alex später mit einem Kolumbianer fickte, kniete ich mich neben ihn, damit er mir dabei zusehen konnte, wie ich einen großen Rotschopf mit wunderschönem Penis oral befriedigte. Irgendwann drehte sich Alex von seinem Sexpartner weg und ich gab ihnen beiden einen Blowjob, während sie über mir rumknutschten. Und als sich die Nacht dem Ende zuneigte, lernten wir noch einen durchtrainierten Bulgaren mit graumeliertem Bart und Haar kennen. Zusammen mit Alex drang er in mich ein und die beiden flüsterten sich hinter mir noch diverse Nettigkeiten ins Ohr.

In solchen Momenten sehe ich Alex nicht als meinen Ehemann an. Wir verbringen sowieso schon so viel Zeit unseres Lebens damit, uns mit Rechnungen herumzuschlagen oder unsere persönlichen Wünsche und Vorstellungen mit denen unserer Familien, Freunde und Kollegen in Einklang zu bringen. Im Lab.Oratory konnte ich das alles vergessen. Mein Mann wurde zu einem sexy dominikanischen Hengst mit großem Schwanz. Ich durfte ihm beim Ficken, Verführen und Flirten zusehen. Dazu durfte ich selbst neben ihm Sex haben und mich ihm und anderen Männern hingeben. In solchen Momenten waren wir—genau wie diese anderen Männer—völlig unkompliziert und es gab auch nichts zu diskutieren.

Ich bin nicht der Meinung, dass ich meinen Charakter und meine Sexualität irgendwie verstecken muss, nur weil ich jetzt verheiratet bin. "Ich will das aber nicht auf die gewohnte Art und Weise machen", meinte Alex, als wir zum ersten Mal darüber redeten, den Bund der Ehe zu schließen. "Ich will keine kirchliche Zeremonie. Und ich will auch keine Anzüge tragen oder sonst irgendetwas machen, das nicht zu uns passt." Wir wollten einfach nicht vergessen, dass wir immer noch schwule Männer sind und dass unsere Ehe keinem heteronormativen Weltbild zu entsprechen hat. Nein, wir können unsere Ehe so gestalten, wie wir das wollen. Unser Leben, unsere Regeln.

Nachdem wir den Club wieder verlassen hatten, spazierten wir noch am Kanal neben unserer Unterkunft entlang. Es war kalt und der Himmel färbte sich langsam rosa. Alex hielt meine Hand. Wir machten auf einer Brücke halt und er umarmte mich und gab mir einen Kuss.

"Ich liebe dich so sehr", sagte er. "Und ich könnte mir keine schöneren Flitterwochen vorstellen."