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Sport

Die Schattenseiten des Daseins als Dessous-Footballspielerin

Halbnackte Schinderei zu Dumpingpreisen—wir haben mit einer Aussteigerin aus der „Legends Football League" gesprochen.

Los Angeles Temptation gegen Denver Dream. Foto: ​Tabercil | ​Wikimedia | ​CC ​BY-SA 2.0

Einige der härtesten und abgebrühtesten Menschen der Welt laufen in der ​Lingerie Football League auf. Dort werden ausgewählte Frauen hart trainiert, ihr Blutdurst geweckt, ihre Körper mit haufenweise Bräunungsspray bearbeitet und ihre Helme mit Mikrofonen ausgestattet. Anschließend lässt man sie dann auf das gegnerische Team los. Die Liga wurde inzwischen sogar in „Legends Football League" umbenannt.

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Das Dasein als weibliche Sportlerin ist nicht einfach, ob nun mit oder ohne Push-up-BH. Frauen, die für ihren Lebensunterhalt richtig schwitzen müssen, verdienen erheblich weniger als ihre männlichen Kollegen. 2014 ist die am besten verdienende weibliche Sportlerin Maria Sharapova mit einem Gehalt von 24,4 Millionen Dollar. An sich ist das schon ordentlich, aber im Vergleich zu den  ​105 Millionen Dollar, die der bestbezahlte männliche Athlet Floyd Mayweather im gleichen Zeitraum verdiente, eher eine Schande.

Essstörungen sind unter den Sportlerinnen ebenfalls keine Seltenheit:  ​Mehr als ein Drittel von ihnen steht kurz vor der Magersucht. Um es kurz zu machen: In der Welt des Sports müssen Frauen wirklich mit allen Mitteln kämpfen, um nicht unterzugehen.

Aber zurück zur Legends Football League (LFL). Dort wird den Frauen sportlicher Ruhm versprochen, die Spiele werden seit Kurzem im britischen Fernsehen übertragen und die Liga  ​fasst so langsam Fuß in Europa. Der „sportliche Ruhm" lässt sich allerdings nur in Unterwäsche erreichen, die kleiner als die meisten Bikinis ausfällt. Vor dem Betreten des Spielfelds solltest du dich besser einer umfassenden Wachsenthaarung unterziehen—ein Problem, dass das NFL-Team der Atlanta Falcons mit dem „​No-Shave-November" nicht hat.

Lass dich aber nicht täuschen: Ganz egal, was sie tragen, die Frauen in den Trikots sind oftmals unglaubliche Athletinnen, die—wie alle anderen Footballspieler auch—heftige Tackles austeilen und ihr Team zum Erfolg führen wollen.

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Genau das war auch das Ziel der 29-jährigen Tessa Barrera, einer ehemaligen LFL-Kapitänin des Teams  ​Los Angeles Temptation. Sie wurde in Texas geboren, wuchs mit Football auf und träumte davon, die erste Frau in der NBA zu sein. Barrera hörte von der LFL und wollte all das, was dort versprochen wurde: Wettkampf und eine richtige athletische Herausforderung. Sie spielte drei Jahre lang und hörte dann wieder auf, weil sie es nicht mehr ertragen konnte, wie die Spielerinnen behandelt werden. „Zum ersten Mal habe ich das Ganze auf YouTube gesehen", erzählt sie, „und auf der Website der Liga wurden die Termine für Probetrainings aufgelistet. Dort wird alles total aufregend dargestellt. Ich dachte mir: ‚Das habe ich auch drauf. Die Mädels denken wohl, sie sind hart.'"

Falls du mit der LFL nicht vertraut bist, dann pass jetzt gut auf: Das Ganze ist eine Sportart mit Körperkontakt, bei der zwei Mannschaften mit jeweils sieben Spielerinnen gegeneinander antreten. Mit diesem Konzept wird durch Arenen und Stadien getourt. Was eigentlich zuerst nur als Halbzeitunterhaltung gedacht war, wurde 2009 zu einer eigenen Sportart erklärt. Inzwischen finden sich allein auf Facebook fast 500.000 Fans—scheinbar ziemlich gleichmäßig aufgeteilt in aufrichtige weibliche und männliche Unterstützer. Es gibt jedoch auch die „u pervert LOL"-Fraktion, die sich in den vereinzelten ​„Wer ist die heißeste LFL-Spielerin?"-Artikeln über das Aussehen der Frauen auslassen. Man muss allerdings auch bedenken, dass es schon richtig viele ​Playboy-Fotoshootings (NSFW) gab und das Ganze von Mitch Mortaza, einem Mann, erfunden wurde.

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Neben Geschlechterpolitik betreffenden Fragen wie „Ist es für Frauen moralisch gesehen in Ordnung, in Bikinis antreten zu müssen?" hat die LFL noch eine weitere Schattenseite. Wenn man den ganzen Glamour weglässt, dann spielen die Frauen einen extrem gefährlichen Sport und haben dabei anscheinend keine Krankenversicherung. Das Unternehmen wurde schon von mehreren Athletinnen verklagt und die Spielerin Marirose Roach behauptet, dass sie sich bei einem Spiel das Genick gebrochen hat. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen: Die Frauen bekommen nur wenig bis kein Gehalt.

Barrera lebt inzwischen in Corpus Christi, Texas, und ist die erste Sportmoderatorin im Süden des US-Bundesstaats. Für sie ist die LFL vergleichbar mit dem „Feststecken in einer schrecklichen Beziehung."

„Du liebst deinen Partner, aber du weißt auch, dass du etwas Besseres verdient hast", sagt sie. „Du denkst dir ‚Wir stehen das durch und alles wird sich zum Positiven wenden', aber irgendwann musst du dir eingestehen, dass es nicht das Richtige ist. Football ist mein Leben, aber ich werde nicht für einen schlechten Menschen spielen, der seine Mitmenschen so unfair behandelt. Mitch hat viele Athletinnen gefeuert, weil sie über die Gründung einer Gewerkschaft nachgedacht haben. Seitdem ist die LFL nicht mehr das, was sie sein könnte."

Sind die ganzen Behauptungen über das mickrige Gehalt und die fehlende Krankenversicherung wahr?

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„Ja. Einmal habe ich mir bei einem Spiel die Hand gebrochen. Noch heute muss ich die Rechnungen dafür abbezahlen", erzählt Barrera. „In meinem ersten Jahr haben wir im Vergleich zu den Männern lächerlich wenig verdient. Im zweiten Jahr war es dann wieder nur extrem wenig. OK, ich bin so umsonst an echt coole Orte gereist, aber verdammt, wir haben diese Arenen ausverkauft, also war das meiner Meinung nach das Mindeste, was uns zustand. Ich habe immer gedacht, dass ich spiele und dann mit meinem Gehalt zumindest über die Runden kommen würde. Dem war aber nicht so."

Aber ist das Ganze nicht auch extrem gefährlich? Schürft man sich nicht alles auf, wenn man nur mit einem Bikini bekleidet über den Kunstrasen rutscht? „Ja, es geht schon blutig zu", sagt sie. „Aber bei den Spielen wollte ich auch Blut sehen. Jedes Mal habe ich habe mir die Lippen aufgeschlagen, meine Finger gequetscht und diverse Muskeln gezerrt. Aber ich habe es geliebt! Man muss schon ein paar Schrauben locker haben, um Football spielen zu wollen."

Da hat sie Recht. Man kann auch schon mal Angst bekommen, wenn man den komplett durchtrainierten Frauen dabei zusieht, wie sie sich gegenseitig ohne Gnade umnieten. Bei jedem Spiel werden zwei Athletinnen mit Mikrofonen ausgestattet, um ein gewisses Reality-TV-Gefühl zu erzeugen. So vulgären Trash-Talk hast du in deinem ganzen Leben noch nicht gehört. Oberflächlich betrachtet ist das Ganze also schon sehr aufregend.

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„Um in Form zu bleiben, wurde drei Mal die Woche mindestens vier Stunden lang trainiert", erzählt Barrera. „Dazu mussten wir noch Werbung für alle möglichen Marketing-Projekte machen. Das Ganze war also eine 20- bis 30-Stunden-Woche. Allerdings mussten wir in unseren Trikots auch gut aussehen. Deswegen haben die meisten von uns irgendwie noch zusätzlich trainiert." Barrera machte „mindestens vier Mal pro Woche" CrossFit und ging dazu noch bis zu drei Mal ins normale Fitnessstudio. „Ich war eine Maschine", sagt sie. „Man darf aber nicht vergessen, dass wir für nichts davon bezahlt wurden. An den Spieltagen musstest du dann noch schön braun gebrannt aussehen. Deine Haare und das Make-up mussten wegen den Foto- und Promo-Shootings immer perfekt aussehen. Eine Vergütung haben wir jedoch nie gesehen." Klingt nach einer Menge Spaß.

Die Mannschafts-Castings sind ebenfalls knallhart. „Bei meinem Probetraining waren über 200 Mädels anwesend. Wir mussten den ​40-Yard-Sprint durchführen und unsere Beinarbeit, unsere Geschwindigkeit, sowie unsere Beweglichkeit unter Beweis stellen. Dabei trugen wir die normale Spielerausrüstung, die unsere Figur betont—das fließt schließlich mit in die Bewertung ein. Man musste uns ja auch vermarkten können", erklärt Barrera. „Ich habe mich jetzt nie als Model betrachtet, aber anscheinend war mein Aussehen gut genug, um weiter zu kommen."

Warum sollte man sich so etwas trotz der ganzen (womöglich pleite machenden) Negativaspekte weiter antun? „Eigentlich interessierte mich nur der Football", sagt Barrera. „Es ist mir ziemlich egal, ob mich jemand wegen den gewagten Foto-Shootings als Sportlerin nicht ernst nimmt. Ich weiß, was ich drauf habe."

Trotz der schlimmen Dinge, die Barrera wegen der LFL erleben musste, hatte das Ganze auch gute Seiten. „Ich erinnere mich noch daran, als wir in Mexiko-Stadt in einer ausverkauften Arena gespielt haben. Ich habe der O-Line richtig Feuer gegeben. Ich meine, nichts konnte mich aufhalten!", grinst sie. „Ich habe so bestimmt drei Quarterbacks wieder vom Feld geschickt. Die Zuschauer wussten nicht, wie ich heiße, und haben deshalb die ganze Zeit meine Rückennummer auf Spanisch gerufen. Ich bin mexikanisch-amerikanischer Abstammung, also war ich in diesem Moment richtig stolz. Ich dachte mir ‚Mann, das sind mi gente [meine Leute] und sie lieben mich.' Daran werde ich mich noch mein ganzes Leben lang erinnern."

Aber was ist nun mit den gebrochenen Händen, den verletzten Genicken und den zerstörten Träumen der Frauen, die für Football und das LFL-Management wirklich alles geben? Das sind alles Anzeichen dafür, dass das Ansehen des weiblichen Teils der Sportwelt dort immer noch schlechter ist als angenommen.