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Wie Euroskeptiker und Rechtsextreme von EU-Fördergeldern profitieren

Von Rechtspopulisten wird gerne das Feindbild der Brüsseler Bürokratie aufgegriffen. Gleichzeitig bemühen sich rechte Politiker jährlich um EU-Förderungen.
Ein Sujet des FPÖ-Europaabgeordneten Harald Vilimsky

Rechtspopulisten aus ganz Europa vereint ein beliebtes Feindbild: nämlich "die EU" im Allgemeinen, oder auch die "Brüsseler Bürokratie" im Konkreteren. Dabei sitzen die betreffenden Politikerinnen und Politiker mittlerweile selbst zu einer großen Zahl im Europäischen Parlament—und bekommen hier auch allerhand finanzielle Unterstützung. Neben dem Abgeordnetengehalt winken beträchtliche Summen bei der

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Bildung einer Fraktion.

Der FPÖ ist dies letztes Jahr

nach langem Mühen bekanntlich gelungen.

(siehe auch Sujet oben).

Es gibt aber auch einen weitern, einfacheren Weg, Fördergelder für die politische Tätigkeit zu bekommen—nämlich über die Bildung einer trans- oder pan-europäischen Partei, die von Fraktionen zu unterscheiden sind und der breiten Öffentlichkeit auch wenig bekannt sein dürften.

Für die Gründung benötigt man im Wesentlichen sieben gewählte Mandatare aus sieben verschiedenen EU-Ländern. Diese müssen gar nicht zwingend EU-Parlamentarier sein, es würden auch Bürgermeister oder Landtagsabgeordnete reichen. MEPs in den eigenen Reihen bringen jedoch mehr Geld. Seit der Regelung dafür im Jahr 2003 steigt die Zahl der neugegründeten Parteien und auch ihr Fördervolumen durch das EU-Parlament.

Ein Ärgernis für Euroskeptiker, könnte man meinen. Doch die mischen in diesem System wie gesagt selbst munter mit: Von den derzeit 15 anerkannten und geförderten Parteien sind etwa sechs dem euroskeptischen bis offen rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Natürlich geht ein Löwenanteil der Förderungen weiterhin an die Großparteien der Europäischen Volkspartei und der Sozialdemokraten.

Die rechten Parteien neigen aber zusätzlich noch dazu, sich in viele Kleinparteien aufzusplittern, die teilweise an den Mindestanforderungen zur Anerkennung kratzen. Absurd erscheint auch, dass Mitglieder von Parteien wie der NPD, dem Front National oder der Goldenen Morgenröte auf Europaebene nicht zwingend in derselben Partei sind, sondern sich in verschiedenen pan-europäischen Parteien befinden. Wir haben recherchiert und dabei entdeckt, wie sich auch Abgeordnete der FPÖ in diesem System einbringen.

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FPÖ-Abgeordnete sind in zwei verschiedenen EU-Parteien aktiv

Vier FPÖ-Abgeordnete, zwei europäische Parteien—beide werden separat gefördert

Im Jahr 2010 gründete sich die pan-europäische Partei "European Alliance for Freedom"(EAF), zu deren Mitgliedern in weiterer Folge etwa Marine LePen, Philipp Claeys vom Vlaams Belang oder auch Goodfrey Bloom von UKIP zählten. Der FPÖ-Abgeordnete Franz Obermayr ist seit 2012 Vorsitzender dieser Partei.

Im Jahr 2014 passierte dann ein merkwürdiger Schritt: Nach der EU-Wahl beschließt der überwiegende Teil der EAF-Mitglieder, eine neue Partei zu gründen, nämlich die MENL (Movement for a Europe of Nations and Freedom). Marine LePen und auch der neugewählte Harald Vilimsky von der FPÖ sind von nun an Mitglieder dieser Partei. Die EAF wurde aber nicht einfach durch die MENL ersetzt, sondern existiert seither parallel weiter. FPÖ-Obermayr blieb ihr Präsident; und auch der FPÖ-Abgeordnete Georg Mayer zählte sich noch zur EAF, nicht zur MENL.

Somit sind Mitglieder der FPÖ heute in gleich zwei pan-europäischen Parteien tätig, deren politische Ausrichtungen sich im Grunde nicht voneinander unterscheiden—und die trotzdem jeweils separat vom EU-Parlament Fördergeld erhalten. Dazu kommt für jede europäische Partei auch die Möglichkeit, noch eine "politische Stiftung" (ähnlich den nationalen Bildungsinstituten) zu gründen, die noch einmal zusätzlich Förder-Tranchen erhalten.

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Das Aufsplitten auf zwei Parteien bringt unterm Strich auch mehr an EU-Fördergeldern.

In Summe macht das im Jahr 2016 für die MENL rund 1,5 Millionen Euro, für die EAF 400.000 Euro und für ihre jeweiligen Stiftungen noch einmal 940.000 beziehungsweise 230.000 Euro.

Diese üppigen Fördermöglichkeiten bestehen natürlich generell für Politiker aller Färbungen. Die anderen österreichischen Angeordneten von SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS gehören im Gegensatz aber geschlossen einer Partei des europäischen Parteiensystems an, während sich die Rechten im EP umständlicher aufteilen.

Das Aufsplitten bringt diesen Parteien unterm Strich auch mehr Geld: denn 15 Prozent des Gesamt-Etats für Parteien werden zunächst auf alle Parteien gleich aufgeteilt—für das Jahr 2016 bringt das einen Sockelbetrag von gut 300.000 Euro. Wenn man bedenkt, dass der EAF heuer insgesamt 390.000 zustehen, wird klar, dass sie zum großen Teil von diesem Grundbetrag "lebt"—sie hat mit Obermayr und einem polnischen Abgeordneten auch nur mehr zwei MEPs in ihren Reihen.

Bei einem Zusammenschluss von MENL und EAF, die ja in derselben Fraktion sitzen, würde man deshalb auch auf die etwa 300.000 (plus für die 230.000 für die Stiftung) verzichten.

So ganz passt diese Konstruktion jedenfalls nicht zu den Tönen, die man daheim anschlägt, etwa wenn FPÖ-Abgeordneter Georg Mayer, auf seiner (vom Europaparlament finanzierten) Website verkündet:

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Die EU darf keine Geldvernichtungsmaschine sein, sondern soll, auf ein Minimum reduziert, ein Zusammenleben souveräner Mitgliedsstaaten regeln.

Schlechter Eindruck bei der Transparenz

Bis zum Jahr 2014 sind derzeit die Finanzberichte der pan-europäischen Parteien einsehbar. Den größten Teil gab die EAF demzufolge in diesem Jahr rund 200.000 Euro ihres Budgets für "salaries" aus. Auf wie viele Mitarbeiter diese Gehälter kommen, muss sie natürlich nicht berichten, aber ganz allgemein sind Informationen zur EAF—wie auch zur dazugehörigen Stiftung—auf den jeweiligen Websites mangelhaft, veraltet und ziemlich unbrauchbar.

So gab man für "publications" rund 50.000, bei der dazugehörigen Stiftung rund 60.000 Euro aus. Auf der Homepage der EAF findet man dazu jeweils zwei 20 Seiten lange Analyse-Papiere, auf der Website der Stiftung (deren Schatzmeister zu dieser Zeit Georg Mayer war) sind gar keine Veröffentlichungen abrufbar. Natürlich muss die Partei ihre Publikationen nicht öffentlich machen—im Sinne der Transparenz und einer stimmigen Kommunikations- und Informationstätigkeit nach außen wäre es aber doch wünschenswert.

Auch im Rechtsaußen-Medium "Die Aula" (Ausgabe Dezember 2015) wird gegen "EU-Wahnsinn" mit EU-Geldern inseriert

Bei anderen Parteien ist das auch der Fall. Nur als Beispiel: Bei der Stiftung der liberalen Partei veranschlagte man für das Jahr etwa 100.000 Euro für "publications", auf deren Homepage stehen dazu 22 Publikationen zum Download bereit. Beim "Centre Mauritz Coppieters" der regionalistischen EFA-Partei wurden 20.000 Euro budgetiert und auch zwei Publikationen und acht wissenschaftliche Texte online gestellt.

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Dubiose Parteispenden in der Vergangenheit

Die pan-europäischen Parteien finanzieren sich zu einem großen Teil aus den Fördergeldern des EU-Parlaments. Diese öffentlichen Mittel dürfen laut Regelung am Ende aber auch nicht mehr als 85 Prozent des Gesamtbudgets der Parteien ausmachen. Sie sind daher auch angehalten, sich zu einem Teil selbst zu finanzieren— etwa über Mitgliedsbeiträge oder Spenden. Einzelne Spendenbeiträge von Personen oder Unternehmen dürfen gleichzeitig nicht mehr als 12.000 Euro betragen.

Durchaus interessant ist dabei zu sehen, wer an die FPÖ-geführte EAF in den Jahren 2011 bis 2014 hauptsächlich gespendet hat. An die EAF und ihre Stiftung gingen demnach—neben Spenden der nationalen Parteien FPÖ, Front National oder dem Vlaams Belang—vor allem auch Beiträge diverser maltesischer Firmen ein.

Die Unternehmen mit Namen wie "Cassar and Schembri Limited, "Food World Ltd.", "Ineraa Holdings" oder "More Supermarkt" spendeten zusammen jährlich einige 10.000 Euro.

Diverse Blogs und Medien aus Malta zeigen, dass diese Firmen im Prinzip alle dem Unternehmer Ryan Schembri zuzurechnen sind. Der Verdacht liegt also nahe, dass hier so die 12.000-Euro-Grenze bewusst umgangen wurde. Für eine Partei wie die EAF, die jedes Jahr an der erlaubten 85 Prozent-Quote des Budgets durch öffentliche Mittel kratzt, waren diese Spenden als Ausgleich essentiell.

Ryan Schembri ist für die maltesischen Medien—und auch die Behörden—aber vor allem deshalb von Interesse, weil er wegen diverser Betrugsvorwürfe in Millionenhöhe im Jahr 2014 aus Malta verschwunden ist und seither polizeilich gesucht wird.

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Die guten Kontakte zwischen EAF und Malta sind auf die maltesische EAF-Generalsekretärin Sharon Ellul-Bonici zurückzuführen, die 2015 vor allem mit einem Facebook-Posting auffiel, in dem sie meinte, die Antwort auf die Flüchtlingssituation an den Grenzen wäre, wörtlich, "shoot to kill". Auch der offizielle Sitz der EAF, deren Präsident wie gesagt der FPÖ-Mann Obermayr ist, befindet sich in Malta.

Neofaschisten und Rechtsradikale auf der Förderliste der EU

Die finanzielle Unterstützung von anderen, offen rechtsextremen bis neofaschistischen Parteien und Politkern sorgt für immer mehr für Aufsehen.

Zuletzt etwa die Förderungen in Höhe von 600.000 Euro an die neugegründete "Allianz für Frieden und Freiheit", die sich aus Abgeordneten der NPD und der Goldenen Morgenröte zusammensetzt. Eines weiteres Mitglied ist etwa der Jobbik-Bürgermeister Laszlo Toroczkai, der mit seinem actionlastigen Grenzzaun-Musikclip wohl in die rechten Geschichtsbücher eingehen wird.

Eine weitere pan-europäische Partei, die "Allianz der nationalen Bewegungen", wird dieses Jahr mit rund 550.000 Euro gefördert. Sie besteht im Kern aus drei EU-Abgeordneten der ungarischen Jobbik. Weiters gehören ihr der NPD-Landtagsabgeordnete Stefan Köster oder der Franzose Alexandre Gabriac an, der einst wegen eines Hitlergrußes aus dem Front National geworfen wurde. Gabriac, der sich selbst als militanter Nationalist bezeichnet, war auch Chef der mittlerweile aufgelösten "nationalistischen Jugend" (Jeunessen Nationalisten), die für den Mord an einem 18-Jährigen Studenten verantwortlich gemacht wird.

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Der "Allianz der nationalen Bewegungen" gelang es letztes Jahr noch mit Müh und Not, die nötigen sieben Mandatare zusammenzukratzen; Gabriac und ein polnischer Senats-Abgeordneter sind seit Herbst nicht mehr im Amt, was der Partei de facto eigentlich eine zu geringe Mitgliederzahl gibt. Dem Jobbik-Vorsitzenden der Partei Bela Kovacs wurde zudem im Herbst die Immunität entzogen, da in Ungarn wegen Spionage im Auftrag von Russland gegen ihn ermittelt wird.

Bei der FPÖ-geführten EAF stützt wiederum seit vielen Jahren der schwedische Parlamentsabgeordnete Kent Ekeroth das Mitglieder-Repertoire. Vor ein paar Jahren sorgte ein Video für Aufsehen, das ihn betrunken und mit Eisenstangen bewaffnet zusammen mit einem anderen Abgeordneten zeigt, wie sie im Streit eine weibliche Passantin tätlich angreifen und rassistisch beschimpfen. Während der zweite Abgeordnete sein Mandat abgab, sitzt Ekeroth immer noch im Parlament.

Ab dem Jahr 2017 wird die EU die Regelungen zur Parteienförderung verschärfen.

Dass die Sorge um den korrekten Umgang mit der EU-Parteienfinanzierung nicht unbegründet ist, zeigt auch der Fall der EU-skeptischen MELD-Partei. Sie musste sich im Herbst 2015 auflösen und Strafzahlungen begleichen, als bekannt wurde, dass dänische Abgeordnete die Fördergelder für regionale Wahlkämpfe missbräuchlich verwendet hatten. Teil dieser MENL-Partei war auch die österreichische Nationalratsabgeordnete Martina Schenk vom Team Stronach.

Mit dem System der finanziellen Förderung pan-europäischer Parteien, die die europäische Union in ihrer bestehenden Form eigentlich ablehnen, ist die EU mittlerweile selbst nicht mehr so ganz zufrieden. 2014 beschloss man deshalb, die Regeln und ihre Überwachung künftig zu verschärfen. Parteien und ihre Mitglieder werden in Zukunft als Voraussetzung schriftlich die Werte und Prinzipien der EU, so wie sie die Verträge vorsehen, unterzeichnen müssen. Wie sich die neuen Regelungen, die ab 2017 in Kraft treten, auf die Zahl rechten pan-europäischen Parteien auswirken, wird man sehen.

Thomas auf Twitter: @T_Moonshine