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Sex

Was Liebe angeht, bin ich ein richtig mieses Opfer

Ich sagte Treffen mit Freunden ab, nahm Beruhigungstabletten, wenn mal keine SMS zurückkam und schwänzte die Arbeit, um zum Waxing zu gehen.
Nicht die Autorin | Foto: Laura Flores | Flickr | CC BY 2.0

Titelfoto: Laura Flores | Flickr | CC BY 2.0

Bald werde ich 30 und war noch nie verliebt. Wenn mir jemand gefällt, gibt es für meine Zuneigung zwei Kategorien: Verknalltheit oder Obsession. Beides ist ungesund, wobei die Obsession ein bisschen brutaler ausfällt.

Ich glaube aber auch, dass viele Beziehungen da draußen ebenfalls einer der beiden Kategorien angehört. Mindestens ein wenig. Und sie funktionieren—wenn auch nur für eine Weile.

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Der Großteil meiner Ex-Beziehungen—und deren gibt es viele kurze—fundierten auf Verknalltheit. Dabei waren die Typen immer in mich verliebt, hochgradig und gefährlich. Es bestand also immer ein Ungleichgewicht, dessen ich mir von Anfang an bewusst war. Und trotzdem machte ich weiter. Weil ich in die Vorstellung verliebt war, geliebt zu werden. Im Nachhinein merke ich, dass meine Ex-Freunde fast austauschbar waren. Ich suchte mir immer gute, ehrliche, anständige und intelligente Männer aus und ruinierte sie. Wenn ich ehrlich bin, gefiel es mir, mit ihrer Faszination für mich zu spielen. Zu wissen, dass sie von ihren Freunden für mich Komplimente bekommen, dass sich ihre Eltern über ein so süßes Mädchen freuen, dass die Arbeitskollegen beim Weihnachtsdinner ihren Augen nicht trauen.

Und natürlich sagte ich ihnen auch „Ich liebe dich". Im Affekt. Um es zurückzusagen. Um etwas zu spüren. Ich dachte immer, dass das „richtige" Gefühl vielleicht einsetzt, wenn ich es nur oft genug sage und mich so verhalte, wie sich verliebte Menschen verhalten.

Ich habe mir schon tausend Mal versprochen, nie mehr eine Beziehung einzugehen, bei der ich nicht mit ganzem Herzen dabei bin. Wo ich keine Freundinnen brauche, die mir sagen „dass ich mich jetzt nicht stressen soll", dass man es „nicht immer gut haben kann" und „dass Liebe wächst". Man weiß eigentlich immer ganz genau, ob und dass man sich selber verascht. Man muss es sich nur eingestehen können. Tough love.

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Dann ist da noch das andere Extrem. Ich habe mich zweimal in meiner Beziehungshistorie so unglaublich abhängig gemacht von Menschen, dass ich mir selber geschadet habe. Ich habe mir mein Rückgrat für sie durchgesägt und meinen Stolz im Klo runtergespült. In Momenten, in denen ich einfach hätte wegrennen sollen, bin ich geblieben. Ich habe mir Sprüche über die vermeintlichen Schwachstellen meines Körpers gefallen lassen, ich habe mir offene Respektlosigkeit und andere Frauen gefallen lassen. Ich dachte immer, irgendwann würde ich zu ihnen durchdringen. Das würde sich irgendwann auszahlen. Irgendwann würde ich schön und gut genug sein für sie.

Ich verhielt mich wie ein Junkie. Nervös, labil, immer den nächsten Schuss suchend: den Typen.

Dabei sagten mir beide von Anfang an: „Verlieb dich nicht in mich. Ich will gerade keine Beziehung. Lass uns Spaß haben."

Ich nahm das nicht ernst und dachte: „Ja ja, warte nur, bis ich dir einen blase und/oder du merkst, wie lustig und unkompliziert ich bin, dann überlegst du dir das nochmals mit dem Heiraten."

Ich simulierte Lockerheit, doch innerlich drehte ich maximal durch. Ich dachte an nichts anderes mehr. Mein Handy und mein Körper existierten nur noch für sie. Ich sagte Treffen mit Freunden ab, nahm ärztlich verschriebene Beruhigungstabletten, wenn mal keine SMS zurück kam, schwänzte die Arbeit, um zum Waxing zu gehen, ruinierte mich finanziell, um die richtigen Kleider zu haben. Ich wollte nichts anderes, als dass sie mich wollten. Ob das Liebe war? Ich glaube nicht. Obsession. Verrücktheit. Ich war ein richtig mieses Opfer. Eine dumme, naive Nuss. Du machst uns Schande, werden andere Frauen hierzu sagen. Das stimmt, denn ich habe leider eine sehr ausgeprägte Lust danach, etwas zu spüren. Und wenn ich jemandem Schande mache, dann nicht nur Frauen, sondern dem Menschen allgemein. Indem ich jenen Psychopathen eine Spielwiese biete. Viele werden von mir das Gleiche behaupten. Vielleicht ist es ja Karma.

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Dass ich nun von den beiden Männern fern bin, ist das Beste, was mir jemals passieren konnte. Und ich kann ihnen nicht mal böse sein. Sie hatten mich gewarnt.

Als Resultat beider Beziehungen war mein Selbstbewusstsein zu einem Häufchen heiß dampfender, stinkender Scheiße verkommen. Die Männer hatten mir nie wirklich das Gefühl gegeben, eine schöne, gute Frau zu sein. Aber ich hatte sie an meiner Seite. Das gab mir Bestätigung. Nun hatte ich nur noch mich, und ich musste erstmal wieder mit mir klarkommen, runterkommen, in den Spiegel schauen und mir gefallen, ausnüchtern von meinem High.

Nach dem ersten „Suchttypen" zog ich in ein anderes Land. Ich wusste, ich konnte nicht mehr in seiner Nähe sein. Ich würde nie von ihm wegkommen, solange ich blieb. Ich habe diesen Menschen einmal nicht aus meiner Wohnung gelassen, obwohl er gehen wollte. Ich habe die Türe versperrt und einen Wutanfall bekommen. Ich schmiss Sachen gegen die Wand und schrie. Die ganze Zeit hindurch saß er ruhig auf dem Bett und dachte wohl, er müsse gleich die Rettung rufen. Für uns beide.

Nach dem zweiten „Suchttypen" konnte ich leider das Land nicht wechseln, weil ich langsam erwachsen werden und meinen Job behalten wollte. Mein Lösungsansatz bestand darin, alles zu vögeln, was mir in die Quere kam. Fuck the pain away. Vielleicht würde ich dabei ja jemanden kennenlernen. Meine dumme Hoffnung stirbt wirklich nie. Gott sei Dank.

Ich frage mich immer wieder, ob ich mich einmal richtig verlieben werde. Nicht so ungesund wie mit den beiden Suchtmenschen. Und nicht so oberflächlich wie mit all meinen Ex-Freunden. Sondern supertoll. Hinterfragt immer noch supertoll. Mit Ewigkeitsgedanken, Rimming und einem wunderschönen Nachnamen in Aussicht.

(Anmerkung: Verpisst euch mit „Lern mal, alleine glücklich zu sein" und „Du brauchst keinen Mann zum Glücklichsein." - Die Emma lesen kann ich selbst.)