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Wahlen 2015

Wie ich mir den neuen SVP-Videoclip vorstelle

Auf den Willy folgt das „Welcome". Wir freuen uns auf einen rappenden Blocher und einen Toni Brunner in Badehose.
Foto von Welcome to SVP

Ein Swimming Pool, im Hintergrund der Zürichsee: Über den perfekt gestutzten Rasen rennen nackte Männerfüsse, springen ins Wasser. Erst, als sie wieder auftauchen, erkennt man sie: Adrian Amstutz, Toni Brunner, Roger Köppel, in ihrer ganzen, nassen Männlichkeit. Als sie sich am Rand des Beckens hochziehen wollen, kommt Christoph Blocher, schüttelt eine Flasche Suure Moscht (Swissness muss sein!) und spritzt sie ihnen mitten ins Gesicht. Und dreht sich Anerkennung suchend zu Nathalie Rickli um, die sich auf einer Liege sonnt.

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Heute Nacht, in nur noch wenigen Stunden, so verkündet der Countdown auf der Homepage, ist es soweit: Dann spielt die grösste Partei des Landes ihren nächsten Trumpf aus. Oder, um es etwas hipper und jugendlicher auszudrücken, denn genau so will die SVP mit dieser Aktion ja wirken: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag droppen MC Blocher und seine Posse ihren neuen Tune „Welcome to SVP".

Das angekündigte Video muss nicht unbedingt so aussehen wie grad von mir beschrieben. Es könnte aber gut sein, denn sind wir ehrlich: Die stärkste politische Kraft des Landes versucht in diesem Wahlkampf nicht staatstragend zu wirken oder sachlich, ja, nicht einmal kämpferisch, sondern: sympathisch, locker, unbeschwert. SVP 2015, das heisst: Mit uns wird alles gut. SVP, das heisst: Solange wir da sind, bleiben die Sorgen fern. „Wo e Willy esch, esch ou e Wäg."

EDM gegen Europa?

Wer würde da besser als Vorlage für einen neuen Wahlkampf-Song passen als ein in Saus und Braus lebender Schweizer EDM-DJ, ein Held seiner Profession, ein erfolgreicher Unternehmer im Unterhaltungssektor, der (vor allem junge) Massen zu begeistern weiss?

Die hedonistische Vorlage für den neuen SVP-Hit?

Meine These: „Welcome to SVP", dahinter verbirgt sich eine „sünneli-gelbe" Cover-Version des von Dekadenz nur so (wortwörtlich) überschäumenden DJ Antoine-Knüllers „Welcome to St. Tropez". Gründe gibt es dafür genug. Der Offensichtlichste: Der Name. St. Tropez—SVP—, von der Länge, den Silben und vom Klang her passt es einfach zu gut, als dass das ein Zufall sein könnte.

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Dazu das Englisch. Auch wenn sich die Partei mit Leuten wie Roger Köppel, Hans-Ueli Vogt und in manchen Kantonen gar mit Listen wie „SVP international" einen kosmopolotischen, weltoffenen Anstrich verleihen will: Nie würde sie ein grenzenloses „Welcome" ohne triftigen Grund gegen ein „Hoi zäme!" oder ein „Saletti!" oder ein „Tschau!" und schon gar nicht gegen ein bodenständiges, demütiges „Grüssgott!" auswechseln.

Vom Festbank in die Clubs

Mit Englisch können vor allem junge und urbane Leute etwas anfangen. Also das Gegenteil der bisherigen SVP-Wähler. Diese geben ihre Stimme aber meistens nicht für eine andere Partei ab, sondern bleiben oft ganz zuhause. Diese Spontan- bzw. Nicht-Wähler abzuholen könnte ein weiteres Ziel der Kampagne sein und wenn DJ Antoine vielleicht selber auch nicht Blocher und Mörgeli supportet, hat das doch Wirkung. „Was, der trägt eine Ray Ban?" Warum sollte, was in Sachen Mode klappt, (leider) nicht auch für politische Meinung gelten?

Ausserdem: Eine englisch sprechende SVP—gibt es etwas ironischeres? Die feine Kunst des Sich-selbst-auf-die-Schippe-nehmens, sie kommt gut an beim einfachen Manne, der sich von den Herrschaften dort Oben eigentlich übergangen fühlt. „Der kann noch über sich selber lachen", sagt Kurt zum Hans, „dem ist die Macht noch nicht in den Kopf gestiegen". Die kurzen Teaser-Videos, von denen in der letzten Woche täglich eins freigeschaltet wurde, sie sind das Nonplusultra in dieser Hinsicht.

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Blocher im Bademantel am Rasen trimmen, Nathalie Rickli im Schlabberlook auf dem Sofa, Roger Köppel auf dem Klo sitzend am WOZ lesen—„Glatti Sieche si das!" Denn eines ist klar: Wenn die SVP auf House und YOLO macht, dann weiss sie, dass das niemand ernst nehmen kann und die Bevölkerung weiss es auch und gerade deshalb funktioniert es.

Foto von Welcome to SVP

Wer etwas leistet, darf auch feiern

Aber wenn ich ehrlich sein soll, dann schreibe ich genau deswegen diesen Artikel: Ich will schlicht, dass es so ist! Ich will, dass aus DJ Antoine vs. Timati feat. Kalenna DJ Amstutz vs. Mörgeli feat. Nathalie R. wird und dass ich recht habe mit meiner Vermutung, dass die stärkste, die epischste, jede Sachfrage, jeden Entscheid zu einem finalen Kampf des Guten, Schweizerischen gegen das Böse, Fremde machende Partei den Song eines jetsettenden, alle Probleme und alle Grenzen für nichtig erklärenden Electro-Schnösels aus Basel zu ihren Zwecken verwendet.

Abgesehen davon nämlich, dass das nur bestätigen würde, was ich von der seelenlosen, nur auf Geld und schnellen Profit setzenden EDM-Szene halte: Man stelle sich die SVP-Garanten vor, wie sie den Refrain wie schon beim „Freiheits-Song" im Chörli mitsingen, die Hand mit den drei gestreckten Fingern zum Gruss der Eidgenossen gereckt: „Whoa party now / Too much money in the bank account / Hands in the air make you scream and shout / Then we're the SVP". Wer arbeitet, etwas leistet, darf auch einmal feiern. Und Konsum ist sowieso gut für die Wirtschaft.

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MC Blocher

Foto von Welcome to SVP

Vor allem Christoph Blocher passt dabei die Rolle des grosskotzigen, russischen Rappers Timati (mit Label, Kleidermarke, Clubs und veröffentlichter Autobiografie selbst ein waschechter Unternehmer) wie angegossen. In meiner Vorstellung steuert er zum Beispiel eine Yacht auf dem Zürichsee, hustlet zu seinem geliebten Chick Silvia: „Ain't nothin' here that my money can't buy / Dolce, Gucci and Louis V / Yacht so big I could live out in the sea."

Oder er lässt sich in einer fetten Limo vors Albisgüetli kutschieren und droppt die Line: „So much money like we own the lotto / pull up to a club in a white Murcielago." Oder er zelebriert den Beef mit der EU: „In these Euro frames the whole world change / Mad bitches so much brought / Feel the life when I wanna fuck them all." Oder hatet gegen die linke Lügenpresse: „Haters kiss the ring of the Don." Und schwört dann am Ende seine Crew wieder ein: „We the shit. I mean how much better can it get." Viel besser könnte es wirklich nicht werden.

Auf den Willy folgt also das „Welcome" (angesichts der Flüchtlingsdebatte besitzt schon dieses Wort aus dem Mund der SVP einen zynischen Beigeschmack). Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass Brunner und Co. den Text beibehalten werden und natürlich werden auch keine betrunkene Bikini-Girls im Champagner baden (wobei das Titelbild auf der Homepage mit zehn hübschen „Modis" gespickt ist).

Möglich ist natürlich auch, dass es sich dieses Mal gar nicht um einen Song, sondern um eine Aneinanderreihung von Schenkelklopfer-Gags handeln wird, wie man sie aus Giacobbo/Müller kennt, nur eben nicht mit Mike Müller als Toni Brunner sondern mit dem echten. Egal wie das Video aber ausschauen wird: die Bevölkerung wird darüber reden und die Medien (siehe diesen Artikel) darüber berichten und die SVP-Werber damit wieder einmal ihr Ziel erreicht haben.

Weitere Politik-Vorhersagen macht Daniel auf Twitter: @kissi_dk

An den Wahlen 2015 dran bleibt auch Vice Schweiz auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild zur Verfügung gestellt von Welcome to SVP