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Diese Frauen stimmen für Trump – komme, was wolle

Für diese Frauen in Las Vegas sind der Sexismus und die verbalen Ausfälle ihres Kandidaten ein Konstrukt der Medien.

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"Ich sehe viele Frauen hier im Publikum", sagt Lara Trump vor der Menge im South Point Casino, Las Vegas. "Aber ich dachte immer, Frauen stimmen nicht für Donald Trump …", stellt sie sich dumm. Es ist Dienstagnachmittag und Trumps Schwiegertochter spricht auf der Women For Trump-Kundgebung.

Der volle Saal feiert sie mit lautem Gejohle. Es haben sich tatsächlich überwiegend Frauen hier versammelt und sie werden für Trump stimmen—egal, was die Umfragen und die Medien sagen. Die Tatsache, dass es vor allem ihre Geschlechtsgenossinnen sein werden, die Clinton ins Weiße Haus befördern, interessiert hier niemanden. Wir befinden uns hier in einer Art Schutzraum—einem Ort, der nach einer eigenen Logik funktioniert. Alles, was oberflächlich betrachtet bewiesen werden kann, entspricht einer tiefgründigen Wahrheit. Frauen stimmen für Trump, weil diese Frauen hier für Trump stimmen.

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"Ich bin mit Eric verheiratet", fährt Lara fort. Sie meint Donalds Sohn.

In der ersten Reihe schießt eine ältere Frau in einem engen, roten Kleid in die Höhe. "Er ist so süß!", ruft sie mit ausgestreckten Armen.

"Danke, er ist wirklich süß", Lara streicht ihr Haar zurück. "Aber ich hatte wirklich nichts von dem hier erwartet. Ich bin in North Carolina aufgewachsen. Meine Eltern sind mein ganzes Leben lang Kleinunternehmer gewesen. Ich bin unter ganz normalen Umständen groß geworden. Ich bin übrigens ein ganz normaler Mensch. Wirklich sehr normal …"

South Point befindet sich weit entfernt vom berühmten Vegas Strip und die Trump-Veranstaltung ist der mit Abstand größte Event des Tages—die World Gay Rodeo Finals finden schließlich erst am 20. Oktober statt. Die Versammlung hier ist ein wahres Stelldichein der wohl ausgefallensten Trump-Kampagnen-Vertreter: Da ist Lyyne Patton, die schwarze Vizepräsidentin der Eric Trump Foundation; Sprecherin Katrina Pierson—berüchtigt dafür, ständig wirre und faktisch inkorrekte Aussagen zu machen; die ehemalige Apprentice-Kandidatin Omarosa, die Trumps Beziehung zur afro-amerikanischen Community verbessern soll, und das YouTube-Duo Diamond and Silk—zwei schwarze Schwestern, die im ganzen Land Pro-Trump-Reden halten.

Vergiss das "grab them by the pussy"-Tape, vergiss die ganzen sexuellen Übergriffe, die ihm vorgeworfen werden. Die Trump-Unterstützerinnen hier wissen sie sowieso zu entkräften. Eine Frau mit 30 Jahren Berufserfahrung als Flugbegleiterin hält Trumps übergriffiges Verhalten im Flugzeug zum Beispiel für frei erfunden. Hätte es sich nämlich wirklich so zugetragen, wäre der Frau auf jeden Fall eine Flugbegleiterin zur Hilfe gekommen. Das hier ist ein Ort, an dem Donald von allen geliebt wird und an dem Eric—der vor Kurzem erst die abscheulichen Aussagen seines Vaters über Frauen als Zeichen seiner "Alpha-Persönlichkeit" abgetan hatte—"süß" ist. Das hier ist der Ort, an dem Amerika kurz davor steht, wieder groß gemacht zu werden.

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Sondra Lynch

Das hier ist aber auch ein Ort, an dem aus Interviews Diskussionen werden und Diskussionen sich schnell im Kreis drehen. Sondra Lynch, eine 64-jährige Trump-Unterstützerin, die den Präsidentschaftskandidaten in den 1980ern als Angestellte in einem Gucci-Geschäft in Vegas kennengelernt hatte, warf bei der Veranstaltung einen Anstecker mit der Aufschrift "I'm an Adorable Deplorable" [etwa: "Ich bin eine liebenswerte Bedauerliche"] auf die Bühne und rief dazu "I'm adorable! I'm adorable!" Als ich mich mit ihr unterhalte, sagt sie, dass sie von dem Tape, das seit zwei Wochen Gesprächsthema Nummer eins ist, nichts mitbekommen hat.

"Ich war außer Landes", sagt sie.

"Wollen Sie es sich nicht anhören?", hake ich nach.

"Das hat damit nichts zu tun. Ich war in Irland, wie ich eben gesagt habe. Ich will es mir nicht anhören."

"Aber wenn es vielleicht Ihre Wahl beeinflusst?"

"Das wird es nicht."

"Aber Sie haben es doch gar nicht gehört."

"Ich möchte nicht."

"Aber Sie haben von dem Inhalt gehört? Sie haben gehört, was er darin sagt?"

"Ich habe es ihn nicht selbst sagen hören. Ich habe es andere Frauen sagen hören."

"Aber Sie wissen, was auf dem Band ist … er sagt, dass es OK ist, solche Dinge zu tun."

"Nein. Ich habe es nicht gehört. Ich war außer Landes."

"Sie sind sich aber über den Inhalt des Bandes bewusst? Das ist meine Frage."

"Nein."

"… ich kann mir nicht vorstellen, wie das möglich sein soll."

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"Ich war in Irland."

Unsere Gastgeberin an diesem Nachmittag ist Patricia Martinelli-Price, 64. Ihre Familie lebt in dritter Generation in Vegas und ihr Vater Al "hatte früher in Las Vegas das Sagen, mehr brauchen Sie nicht zu wissen." Ihre wilden, platinblonden Haare bieten wenig Raum für ein seriöses Auftreten. "Vegas verkauft eine Menge Sex", sagt sie. Sie selbst hat mal als Lounge-Sängerin gearbeitet. Daher kommt auch—sie macht eine eindeutige Geste—ihr Hang zu eher freizügig ausgeschnittenen Oberteilen.

Als Frau von Welt stört sie sich nicht wirklich an Trumps derben Äußerungen. Sie habe ihren Sohn schon auf dem Weg zum Golfplatz so reden hören. Sie habe Frauen in ähnlicher Art über Männerhintern sprechen hören. Ihr schwuler Freund habe ihr ein Bild vom Penis seines Freundes geschickt. Sie habe sogar ihren Vater so reden gehört. "Natürlich nicht vor mir. Aber ich habe ihn nachts gehört, wenn ich versucht habe zu schlafen und er mit seinen Freunden am Telefon geredet hat." Vor ein paar Tagen erst, erzählt sie mir, habe ein muskelbepackter Mann ihren Women for Trump-Button gesehen und ihr gesagt, dass sie mit so einem Anstecker doch auf Cunnilingus stehen müsse.

Jedenfalls sei Amerika ein Unternehmen, sagt sie, und sollte dementsprechend von einem Unternehmer geführt werden.

"In der ersten Folge von The Apprentice, wisst ihr, welche Aufgabe er uns da gegeben hat?", fragt Omarosa in die Menge. "Er hat alle 16 von uns losgeschickt, um Limonade an der Straßenecke zu verkaufen. Er hat uns die Zitronen gegeben, er hat uns den Zucker gegeben und er hat gesagt: 'Schaut her: Das ist alles, was ihr habt. Ihr müsst das Beste daraus machen.'"

Die Menge tost, Omarosa ist kaum noch zu hören. "Die letzten sieben Jahre wurde uns in diesem Land ein großer Korb mit schlechten Zitronen gegeben", brüllt sie, "aber der wahre Geist der amerikanischen Bevölkerung besteht darin, dass wir auch diese Zitronen nehmen und daraus die beste Limonade überhaupt machen."

Wenn du dich fragst, wie zur Hölle es in den USA immer noch so viele unentschiedene Wähler geben kann; wenn du dich fragst, wie es immer noch so viele Trump-Unterstützer geben kann, die sich von den ganzen Beweisen dafür nicht tangieren lassen, dass ihr Kandidat im allerbesten Fall ein schmieriger und undisziplinierter Aufschneider ist, dann musst du nur ein paar Stunden in einer Blase wie dieser hier verbringen. Hier reden Männer halt so, hier macht Trump alles richtig und hier reichen die kritischen Stimmen nicht hin.

"Niemand bewegt sich", sagt einer der Organisatoren vom Podium als die Reden vorbei sind. Er trägt einen zu großen Anzug. "Niemand bewegt sich. Ihr seid das schönste Publikum überhaupt. Wir lieben euch. Die Mädchen stellen sich dort hin. Ihr seid so wunderschön. Wir machen ein paar Bilder mit euch. Niemand bewegt sich."