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So kannst du mit einem 3D-Drucker Prothesen zu Hause herstellen

"Die 3D-gedruckte Hand konnte meine Behinderung nicht verstecken – stattdessen gab ich aber mit ihr an." – Nicolas, 35
Eine medizinische Prothese, die einen Unterschenkel ersetzt
Symbolfoto: Max4e / Alamy

Weltweit tragen Millionen Menschen Prothesen. Sie haben ihre Gliedmaßen durch Unfälle oder Krankheit verloren oder wurden ohne sie geboren. Es gibt ästhetische Prothesen, die das Aussehen von Armen, Händen und Beinen imitieren, aber nicht sehr praktikabel sind. Andere Prothesen sehen nicht so realistisch aus, sind aber funktionaler. 

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Was sie alle eint: Sie sind kostspielig. Eine ästhetische Prothese kann um die 4.000 Euro kosten, Hightech-Modelle sogar bis zu 100.000 Euro. Jeder Fall ist individuell, aber das Gesundheitssystem in Frankreich hilft Menschen mit Amputation normalerweise finanziell. Auch in Deutschland zahlt die Krankenversicherung im Regelfall. In einem Land wie den Vereinigten Staaten, in dem viele Menschen keine Versicherung haben, bleiben die Kosten zumeist beim Patienten hängen. 


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"Im Vergleich zum Rest der Welt haben wir hier sehr viel Glück", sagt Jean-Pascal Hons-Olivier von der ADEPA, einem Verein für Menschen mit Amputation in Frankreich. 

Bedauerlicherweise sind sowohl die teuren als auch erschwinglichen Modelle sehr sperrig. Sie brauchen Jahre, um perfekt angepasst zu werden und Monate zur Reparatur, wenn sie kaputt gehen. Manche Modelle können die Haut irritieren, weil sie den ganzen Tag getragen werden. Manche Leute können mit ihnen nicht kochen oder sich die Schuhe zubinden. Deswegen tragen manche Menschen mit einer Arm-Amputation laut Hons-Oliver gar keine Prothese. "Es ist angenehmer mit dem Stummel. Damit kannst du wenigstens noch Essen machen."

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Viele Menschen mit Amputation, wie Hons-Olivier, unternehmen kleine Änderungen an ihrer Prothese, um sie komfortabler zu machen. "Bedauerlicherweise machen manche Menschen zu viele Änderungen und sagen ihrem Prothetiker nichts davon."

Neue Technologien wie 3D-Drucker eröffnen Prothesenbauern neue Möglichkeiten. Nachdem er 2014 zum ersten Mal mit 3D-Druck in Berührung kam, hat der IT-Berater Thierry Quidam e-NABLE für sich entdeckt. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaft, die Pläne für Prothesen für 3D-Drucker entwirft und frei zur Verfügung stellt. Er kaufte seinen eigenen 3D-Drucker und gründete  nur einige Monate später den französischen Ortsverband von e-NABLE

Heute verbindet e-NABLE Menschen mit Amputation mit Herstellern. Das Modell "Unlimbited-Arm" benutzt elastische Kabel, um Sehnen nachzumachen, damit die Benutzer einen Ball fangen oder Fahrrad fahren können. “Jede Prothese ist maßgeschneidert und an den Körper der Person angepasst”, sagte Quidam. Durch 3D-Druck kann die Prothese weiter personalisiert werden, die Nutzer können sie mitgestalten. 

Quidam erklärt, dass die Funktionalität der Prothese zweitrangig zu anderen Aspekten  ist, insbesondere für Kinder. "Wenn Kinder mit Amputation eingeschult werden, verlassen sie ihr familiäres Nest und sind plötzlich von anderen Kindern umgeben", sagt er. "Ihre neue Hand kann ihren Status von 'Kind mit Behinderung' zu 'einzigartig' ändern – andere Kinder sind dann vielleicht sogar ein bisschen neidisch."

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E-NABLE ist nicht die einzige Organisation, die an selbstgemachten Prothesen für Arme und Hände arbeitet. Nicolas Huchet, 35 Jahre alt, hat seine rechte Hand bei einem Arbeitsunfall verloren. Er entschied sich, seine eigene Prothese zu bauen, nachdem er von einem der führenden Hersteller eine Prothese erwerben konnte, die durch Muskelspannung bedient wird. 

Obwohl es das teuerste Modell auf dem Markt war, war er nicht zufrieden. "Prothesen sind fast nie angenehm zu tragen und fallen manchmal ab." Schweiß und Feuchtigkeit können die Sensoren stören oder sie sogar unterbrechen. Auch die Apps, die die Hand steuern sollten, seien schlecht gewesen. 2013 gründete Huchet deshalb Bionicohand, um seine eigene myoelektrische Prothese zu entwerfen. 

Huchet benutzte eine Kombination aus 3D-Druckern und frei verfügbaren Designs aus einer Datenbank namens Thingiverse, um sein Modell zu entwickeln. Seine Inspiration nahm er dabei von dem 3D-Roboter des Künstlers Gaël Langevin. So konnten Huchet und sein Team eine myoelektrische Hand bauen, die an Huchets Arm angepasst wurde. Vom Computer aus konnten sie jeden Finger einzeln bewegen. Ihr Prototyp kostete um die 400 Euro. Dadurch bekamen sie viel Aufmerksamkeit in den Medien und einen Zuschuss von 200.000 Euro von Google. 

Huchet fand heraus, dass seine selbstgemachte Prothese mehr als nur eine Alternative zu den professionell hergestellten war. Zu Beginn war er enttäuscht vom Aussehen seines Prototypen, aber gewöhnte sich mit der Zeit daran. "Die 3D-gedruckte Hand konnte meine Behinderung zwar nicht verstecken – stattdessen gab ich aber mit ihr an." 

Trotz ihrer Mängel bleiben die professionellen Prothesen überlegen. Aber selbstgemachte Prothesen rütteln die Branche wach. Heutzutage müssen Menschen mit Amputation einen intensiven Prozess durchlaufen, um eine Prothese zu bekommen. "Aber Gesundheit kann nicht von einem Profit-Aspekt aus betrachtet werden", sagte Huchet. "Ansonsten enden wir damit, dass jemand mit Insulin an der Börse spekuliert." 

Huchet arbeitet momentan an einem neuen System, bei dem die großen Unternehmen durch ein Netzwerk aus kleinen Handwerkern umgangen werden. Die Idee dahinter ist, dass Prothesentragende eine aktive Rolle in dem Prozess haben sollen, statt nur als Käufer gesehen zu werden. Das neue System wäre schneller und insbesondere für Kinder hilfreich, weil sie ihren Prothesen schnell entwachsen. Huchets neues Unternehmen, My Human Kit, leitet dieses Projekt. 

"Wir wollen Kunden etwas Kraft zurückgeben", sagte er. "Große Unternehmen haben vielleicht einen Geschäftsplan, aber wir haben ein soziales Anliegen." 

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