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Trendfood

Macht bitte Schluss mit diesen Einhörnern

Das ist eine Intervention. Ein offener, kitschiger Brief an das Einhorn.
Collage aus Kuchen: Elena Roussakis | Flickr | CC BY 2.0; und Einhorn: Grey Hutton

Du bist auf dem Gipfel, liebes Einhorn, ganz oben. Ich habe mir die Google-Suchergebnisse der letzten zehn Jahre angesehen, noch nie haben so viele Menschen nach irgendwas so verzweifelt gesucht. Zumindest, seitdem sich niemand für die halb-virtuellen Fabelwesen aus Pokémon Go interessiert. Du bist ganz oben, jeder Marketer im Land kennt dich, dein Horn, deinen Staub, deinen Regenbogen. Ja, auch VICE hat nach dir gesucht, hat dich gefunden in einem Café in Bangkok. Von Beginn war unsere Beziehung schwierig, aber es hat dir trotzdem geholfen, dass wir über dich geschrieben haben. Aber wer mit VICE die Karriereleiter hinaufsteigt, klettert auch mit ihr wieder runter.

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Du verkaufst dich auf Wurst, auf Schokolade, auf Gewürzen, im Frappucino und du verkaufst dich als Dosenfleisch und zwar so lange, bis es nur noch eines von dir gibt. Du bist süß, ja. Und du kommst aus einer Welt, in der keiner Probleme hat. Du bist aus dem Reich der Fantasie und dem Reich der Magie und zwar nicht das Reich der Magie, in dem nur gezaubert wird, um Frauen anzumachen, so wie Barney Stinson. "Eskapismus, also Realitätsflucht, nennen Experten solches Denken", das wollen deine Fans, und "Sicherheit, Harmonie und Idylle", erklären die Realismus-Experten von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie wollen sicher kein Typ I Diabetes, denn oft ist es einfach zu viel:

Aber wer hat dich entdeckt, wer hat dich groß gemacht? Die New York Times fand deinen Förderer. Adeline Waugh, 27, sei es gewesen. Eine Bloggerin und Food Stylistin aus Miami. Sie allein soll dich als Food Trend groß gemacht haben, mit einem Brot und einem Aufstrich, den sie mit Roter Bete färbte. Das sah schön aus, schmeckt aber nach nichts weiter. Also nur "ästhetische Gründe".


Auch bei VICE: Hinter den Kulissen von Londons hedonistischer, polyamoröser Einhorn-Bewegung


Dabei hast du nicht als Schöngeist angefangen, du warst ein Symbol. Für die Internet-Kultur, für die LGBTQ-Bewegung. Jetzt bist du scheinbar beliebter als die Menschen, die du mal hauptsächlich repräsentiert hast. Und als Symbol für Kreativität funktionierst du kaum noch. Leo Fischer, der ehemalige Chefredakteur der Titanic, warnte dich schon vor Jahren in der Jungle World , wie es sonst nur ein Bundespräsident tut: Sich das deutlichste aller Symbole für Phantasie zu suchen, "zeugt schon davon, dass man keine mehr hat."

Es ist an der Zeit, dich zurückzuziehen, mal ein bisschen in sich zu gehen, vielleicht ein bisschen Wellness und Massage und die Menschen sich was Neues suchen zu lassen, was ihre Fantasie anregt. Lass gut sein. Aber dein Einsatz war nicht umsonst. Die ganzen gekotzten Regenbögen, der Glitter, die Supermarktregale voll mit Glitter-Lebensmitteln: Deutschland bleibt bunt.