Zwei Frauen küssen sich im Bett
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Sex

Asexuelle Menschen erzählen uns von ihrem Liebesleben

"Ich fühle dieselbe Fürsorge, Liebe und Wärme, die jeder in einer glücklichen Beziehung fühlt – ich fühle nur einfach nicht den Drang, sie zu bespringen."

Elisa lebt in einer festen Partnerschaft. Trotzdem sind viele Menschen verwirrt, wenn sie hören, dass Elisa mit ihrem Partner schläft. Denn Elisa identifiziert sich selbst als asexuell. "Viele Leute sagen dann: 'Wenn eine Person XY tut, ist sich nicht wirklich asexuell'", sagt sie. Elisa hingegen glaubt, dass das einzige relevante Kriterium sein sollte, ob sich jemand selbst als asexuell identifiziert.

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Der Begriff Asexualität sorgt oft für Verwirrung, denn er ist ein Oberbegriff für Menschen, die keine sexuelle Anziehung verspüren oder kein Interesse an Sex haben. Das schließt auch Menschen ein, die sich als gray-asexuell oder demisexuell definieren. Was viele nicht auf dem Schirm haben: Auch viele asexuelle Menschen leben in romantischen Beziehungen.

Um das besser zu verstehen, muss man sich klar machen, dass sexuelle Orientierung und romantische Orientierung zwei unabhängige Komponenten sind. Die sexuelle Orientierung sagt etwas darüber aus, wen du sexuell begehrst. Romantische Anziehung hingegen ist, wenn du dich zu einer Person hingezogen fühlst, mit der du eine enge Bindung eingehen möchtest. Bei vielen Menschen stimmt die romantische mit der sexuellen Orientierung überein – das muss aber keinesfalls so sein. Eine Person kann gleichzeitig heterosexuell und homoromantisch sein oder asexuell und heteroromanitisch.

Wir haben mit vier Menschen darüber gesprochen, wie es als asexuelle Person ist, eine Beziehung zu führen, und was nicht-asexuelle Menschen über ihre Sexualität wissen sollten.

Angelica, 21: "Ich wusste mit etwa 10 Jahren, dass ich asexuell bin."

Einige Menschen begreifen ihre eigene Sexualität schon sehr früh. Angelica ist eine 21-jährige demiromantische Asexuelle. Der Begriff demiromantisch bedeutet, dass sie sich nur romantisch zu jemandem hingezogen fühlt, nachdem sie eine enge emotionale Bindung zu dieser Person aufgebaut hat. "Ich wusste mit etwa zehn Jahren, dass ich asexuell bin. Zuerst dachte ich, dass ich vielleicht lesbisch bin, da ich Frauen meist attraktiver finde", sagt sie. Dann habe sie erkannt, dass sie asexuell sei, weil sie die Frauen vor allem ästhetisch attraktiv fand, wie ein schönes Kunstwerk, und ihre Persönlichkeit bewunderte.

"Ich wollte nie eine Beziehung. Als Kind habe mir immer vorgestellt, dass ich irgendwann in einer kleinen Wohnung mit ganz vielen Haustieren wohnen werde", sagt Angelica. Sie identifizierte sich als klar aromantisch, bis sie ihren jetzigen Partner traf. Nun bezeichnet sie sich selbst als demiromantisch.

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Aromantische Personen entwickeln keinerlei romantische Gefühle. Angelica verliebte sich jedoch in ihren besten Freund. "Als ich meinen Partner kennenlernte, war ich überhaupt nicht an einer romantischen Beziehung interessiert. Erst als wir eine enge Freundschaft geschlossen hatten, musste ich ständig an ihn denken. Das ging so weit, dass ich davon Kopfschmerzen bekam. Ich freute mich immer darauf, mit ihm zu sprechen. Erstmals konnte ich mir vorstellen, mit jemandem zusammenzuleben und den Rest des Lebens gemeinsam zu verbringen", erzählt sie.


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"Viele Menschen glauben, dass Asexuelle im Grunde Menschen sind, die keinen Sex wollen", sagt Angelica. Dabei würden sie jedoch sexuelle Anziehung mit sexueller Begierde verwechseln. "Auf viele in der asexuellen Community trifft die Beschreibung zu, doch es gibt auch Asexuelle, die gerne Sex haben", sagt sie. Vor allem sollte die Gesellschaft aufhören, anzunehmen, dass jeder Sex braucht, um eine enge Beziehung führen zu können.

Elisa, 35: "Wir wünschen uns eine Familie, darum schlafen wir miteinander."

Elisa Hansen beschreibt sich selbst als biromantische Asexuelle. Die 35-jährige fühlt sich romantisch zu mehr als einem Geschlecht hingezogen. Sexuell angezogen fühlt sie sich von niemandem. "Einige asexuelle Menschen fühlen Erregung, auch wenn sie keine sexuelle Anziehung verspüren. Doch ich gehöre nicht dazu", sagt sie.

Die "Purple-Red Scale of Attraction" habe ihr geholfen zu verstehen, dass Asexualität ein Spektrum ist. Die Skala teilt Anziehung in zwei Dimensionen ein: zu wem du dich hingezogen fühlst und wie du dich zu ihnen hingezogen fühlst. Das Modell soll die Kinsey-Skala ersetzen, um die menschliche Sexualität einerseits vereinfacht darzustellen und gleichzeitig genug Raum für Komplexität zu lassen. Außerdem ist es Elisa wichtig, zwischen primärer und sekundärer Anziehung zu unterscheiden. Primäre Anziehung entsteht durch oberflächliche Eigenschaften eines Menschen, wie Aussehen oder Geruch. Sekundäre Anziehung entsteht durch die Beziehung und emotionale Bindung, die wir zu einer Person entwickeln. Sie basiert nicht auf flüchtigen Eindrücken, sondern auf gemeinsamen Erlebnissen.

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Elisa ist verheiratet. Als sie ihren Partner kennenlernte, versuchte sie gerade, ihre eigene Sexualität zu verstehen. Zuvor hatte sie längere Beziehungen mit Männern und Frauen geführt. Damals verstand sie nach eigener Aussage noch nicht, dass sie asexuell war. Stattdessen glaubte sie, dass mit ihr etwas nicht stimmte, und versuchte, es zu überspielen.

"Das Fehlen von sexueller Anziehung ist ein genauso wichtiger Aspekt des Sexualitäts-Spektrums wie die restlichen sexuellen und romantischen Orientierungen in der LGBTQ-Community."

Ihre Ehe beschreibt Elisa als glücklich. "Sex spielt dabei nur eine kleine Rolle. Wir wünschen uns eine Familie. Wir schlafen miteinander, um ein Kind zu zeugen", sagt sie.

Sie sagt, dass ihr Mann sich sexuell zu ihr hingezogen führt, aber selbst keine starke Libido habe. Obwohl Elisa mit ihm schläft, um ihn glücklich zu machen, verspüre er nur selten das Verlangen dazu. "Wenn wir nicht versuchen, ein Kind zu bekommen, haben wir vielleicht alle drei Monate Sex", sagt sie. "Ich fühle mich sexuell absolut nicht zu ihm hingezogen, obwohl ich ihn und unser gemeinsames Leben sehr liebe."

Aaron, 25: "Andere Leute sagen dann: 'Es ist nur eine Phase.'"

Aaron, ein 25-jähriger heteroromantischer Asexueller, beschreibt die Beziehung zu seiner Freundin so: "Wenn ich meiner Freundin in die Augen schaue, fühle ich dieselbe Fürsorge, Liebe und Wärme, die jeder in einer glücklichen Beziehung fühlt – ich fühle nur einfach nicht den Drang, sie zu bespringen."

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Die Doktorandin Dominique A. Canning schrieb in der Studie “Queering Asexuality: Asexual-Inclusion in Queer Spaces" von 2015, dass Asexuelle seit jeher Schwierigkeiten haben, in der queeren Community akzeptiert zu werden. Viele würden sie nicht als "queer" betrachten. Darum ist es für asexuelle Menschen traditionell schwierig, Räume zu finden, die ihnen bei der Definition ihrer Identität helfen. Aaron glaubt jedoch, dass die asexuelle Community wächst, da mehr Menschen auf die LGBTQ-Community aufmerksam werden. Und die würde immerhin auch als LGBTQIA+-Community bezeichnet – das A steht in diesem Fall für asexuell.

"Das Fehlen von sexueller Anziehung ist ein genauso wichtiger Aspekt des Sexualitäts-Spektrums wie die restlichen sexuellen und romantischen Orientierungen in der LGBTQ-Community", sagt Aaron. Trotzdem räumt er ein, dass bei vielen Menschen in der Community das Verständnis für Asexualität fehlt: "Viele Diskussionen über Asexualität enden so, wie Diskussionen über Bisexualität vor ein paar Jahren. Dein Gegenüber sagt dann 'Du hast einfach noch nicht die richtige Person gefunden' oder 'Es ist nur eine Phase'."

Joey, 26: "Es ist schwer, mit den sexuellen Bedürfnissen eines Partners umzugehen."

Auch bei potenziellen Partnern stoßen Asexuelle manchmal auf Unverständnis. Denn asexuellen Menschen fällt es schwerer, in romantischen Beziehungen eine Bindung aufzubauen, vor allem, wenn der andere Partner nicht asexuell ist. Einige schlafen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin, damit diese sich wohl fühlen. So auch Joey Schwind. Der 26-jährige ist heteroromantisch und gray-asexuell (oder Gray-A). Das bedeutet, dass er sich grundsätzlich als asexuell identifiziert, aber in seltenen Fällen sexuelle Anziehung verspüren. "Es ist schwer, mit den sexuellen Bedürfnissen eines Partners umzugehen – es fühlt sich so an, als ob du nicht genug für sie tust", sagt Joey.

Joey sagt, dass jemand, der mehr von ihm verlangt, als er bieten kann, nicht die richtige Person für ihn ist. "Ich versuche, viel über die Person und ihre sexuellen Wünsche herauszufinden, bevor ich ihnen nahekomme." In seinen vergangenen Beziehungen habe Joey stets versucht, die Bedürfnisse seiner Partnerinnen zu befriedigen. "Wenn sie es sehr genossen, konnte ich es auch genießen. Wenn wir Sex hatten, konzentrierte es sich meist auf ihre Erfahrung. Ich war mal in einer Beziehung mit einer Person, die auch keinen Sex brauchte. Wir hatten extrem selten Sex, aber wenn es passierte, hatte es große Bedeutung für uns."