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100 Jahre Frauenwahlrecht

Frauen an die Macht: Wir wollen nicht nur das Wahlrecht – wir wollen regieren

Denn auch nach 100 Jahren Frauenwahlrecht ist die Bundesregierung immer noch ziemlich männlich.
drei Frauen stehen vor dem Bundesadler
Foto: imago | Photothek (bearbeitet)

Anfang des 20. Jahrhunderts konnten manche Frauen wählen, ob sie sich im Opel oder im Mercedes zum Kaufhaus cruisen lassen. Mitentscheiden, wer sie regieren sollte, durften sie damals allerdings noch nicht. Denn das Recht, zu wählen und für politische Ämter zu kandidieren, bekamen Frauen in Deutschland erst später: Seit dem 12. November 1918 gibt es das aktive und passive Frauenwahlrecht. Unendliche Dankbarkeit sollten die Horste und Jensens dafür dennoch nicht erwarten. Denn wir wollen mehr: Wir wollen regieren.

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Ja, wir haben mitbekommen, dass Angela Merkel seit 13 Jahren Bundeskanzlerin ist. Und die aktuelle Regierung besteht aus sechs Ministerinnen und neun Ministern. Nicht nur für zahlreiche profilbildlose Accounts in Facebook-Kommentarspalten mag das ein Beweis dafür sein, dass Frauen und Männer in Deutschland gleiche Chancen haben: Wenn der mächtigste Mensch des Landes eine Vagina hat, könne es um die Geschlechtergleichheit schließlich nicht so schlecht stehen, lautet die Argumentation. Doch wirkliche Gleichberechtigung lässt sich nicht daran ablesen, wer im Bundeskanzleramt die Hände zur Raute formt.


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Tatsächlich sind Frauen in zahlreichen Lebenslagen noch immer strukturell benachteiligt: Sie haben besonders im Alter ein höheres Armutsrisiko, erleben im öffentlichen wie im privaten Raum öfter Gewalt und sind auf Entscheidungsebenen unterrepräsentiert. Besonders der letzte Aspekt spiegelt sich auch im Bundestag wider: Im aktuellen Parlament ist der Frauenanteil mit 30,9 Prozent so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren. Und selbst Politikerinnen sehen sich bei der Arbeit im Bundestag mit Arschlöchern konfrontiert, die die Kompetenz ihrer Kolleginnen daran festmachen, dass sie "den schönsten Arsch im Gremium" haben.

Quoten nützen nichts, wenn Frauen in den Parteien nicht unterstützt werden

Der Bundestag ist mit seinen hellblauen Hemden und den schütteren, grauen Haaransätzen insgesamt nicht wirklich divers. Doch einige Fraktionen scheinen sich noch mehr zum Auffangbecken für mächtige Männer in zu weiten Anzügen zu stilisieren als andere: Besonders bei der FDP, der Union und der AfD machen vor allem Kerle im Bundestag Politik. Die AfD zog im vergangenen Jahr mit 10 weiblichen und 94 männlichen Abgeordneten in den Bundestag. Schlechter als diese Machtverteilung dürfte nur das Parteiprogramm sein.

Wenn der profilbildlose Facebook-Account-Inhaber an dieser Stelle noch lesen würde, würde er wahrscheinlich satzzeichenreich sagen: "Dann geht doch in die Politik und macht es besser!!!" Tatsächlich haben viele Parteien mittlerweile Frauenquoten eingeführt. Selbst die CDU führte 1996 eine abgeschwächte Form der Frauenquote ein. Derzufolge soll jeder dritte Listenplatz von einer Frau besetzt werden. Aber ein Drittel ist eben noch lange nicht die Hälfte.

Man kann sich durchaus darüber aufregen, dass Menschen sich nicht für eine bestimmte Position bewerben. Man kann aber auch versuchen herauszufinden, warum sie das nicht tun und wie diejenigen unterstützt werden, die es doch gewagt haben. Selbst Angela Merkel sagte am Montag bei einer Veranstaltung zu hundert Jahren Frauenwahlrecht: "Die Quoten waren wichtig. Aber das Ziel muss Parität sein."

Ausgeglichenheit kann man nur erreichen, wenn Strukturen geschaffen werden, die generell alle Frauen nachhaltig unterstützen, aber auch im Speziellen Women of Colour, ebenso wie Transpersonen. Die Bevölkerung ist diverser als die Horste und Jense, die aktuell Ministerämter bekleiden. Es wäre nur konsequent, diese Diversität auf jeder Ebene durchzusetzen. Vielleicht tritt tatsächlich irgendwann eine Schwarze Bundeskanzlerin vor ihre vielseitige deutsche Regierung. Und vielleicht bringt sie sogar einen anderen Signature-Move mit als die Merkel-Raute.

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