Fünf Dinge, die uns die besten Fotos des Jahres über unsere Welt erzählen
Behnam Sahvi | 2018 Sony World Photography Awards

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Fotowettbewerb

Fünf Dinge, die uns die besten Fotos des Jahres über unsere Welt erzählen

Irgendwo auf der Welt ist immer Krieg – aber manchmal ist der Pulverdampf auch nur aus Mehl.

Es ist ganz schön deprimierend, die besten Presse-Fotos eines großen Wettbewerbs zu betrachten. Eine Witwe heult, weil ihr Mann im Krieg von einer Granate zerfetzt wurde. Ein Hund schleppt sich ausgehungert durch verdorrte Felder. Ein Junge treibt einsam einen platten Fußball über eine Schotterpiste. Solche Bilder entstehen jedes Jahr, denn irgendwo schlägt immer die nächste Bombe ein – Krisen und Kriege kommen und gehen wie Jahreszeiten. Die Auswahl der besten Pressefotos des Jahres zeigen ein Abbild des Zustands unseres Planeten, als würde er sich unter einem Brennglas winden.

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Vielleicht hilft dem Betrachter ja alleine die Ästhetik der Bilder, um nicht abzustumpfen und immer neue Gefühlsregungen in sich zu finden, so wie die Fotografen auch immer neue Zugänge zu Themen finden, selbst wenn diese auserzählt scheinen.

Etwa 320.000 Fotos wurden bei den diesjährigen Sony World Photography Awards 2018 eingereicht, was den Wettbewerb zum größten seiner Art macht. Gerade die Profi-Kategorie zeigt, wo die Welt sich etwas anders dreht als aus der westlich-urban-hedonistischen Blase heraus gedacht. Fünf Erkenntnisse über die Welt, auf die einen die Bilder bringen:

Fredrik Lerneryd | 2018 Sony World Photography Awards

1. DIE WELT SIEHT NICHT ÜBERALL GLEICH AUS

Vor allem, wenn der Weltblick durch die Facebook- oder Instagram-Brille erfolgt, scheint die Welt zusammenzurücken. Zumindest sehen die Urlaubsfotos der eigenen Freunde immer ähnlich aus – ob sie nun auf Hawaii schnorcheln oder auf Madagaskar Kokosnüsse daran hindern, weiterhin entspannt an Bäumen herumzuhängen. Das Meer leuchtet türkis, die Cocktails fruchtfarben und die unvermeidliche Palme ragt gut abgehängt in den Bildhintergrund.

Wie anders die Welt aussehen kann, zeigt beispielsweise Fredrik Lerneryd, der Mädchen und Jungs im kenianischen Mega-Slum Kibera beim Ballett-Unterricht fotografiert hat. Alleine das karge wie portioniert wirkende Licht demonstriert die besonderen Lebensumstände in einem Slum, in dem mehrere hunderttausend Menschen leben.

Noch weiter weg von der Lebensrealität im Westen wirken die Aufnahmen der Rohingya, die unter den miesesten vorstellbaren Bedingungen von Myanmar nach Bangladesch fliehen mussten.

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Mohd Samsul Mohd Said | 2018 Sony World Photography Awards

Oder dieses Foto, das palästinensische Arbeiter zeigt, die jeden Tag zwei bis zu vier Stunden für Sicherheitskontrollen einplanen müssen, um zu ihrem Arbeitsplatz nach Israel zu gelangen. So sieht es aus, wenn in einer Region das Gegenteil einer globalisierten Wirtschaft existiert, in der Waren und Menschen ungehindert Grenzen überwinden.

Eduardo Castaldo | 2018 Sony World Photography Awards

Und schließlich zeigen manche der Fotos auch einfach, wie krass sich Lebensrealitäten voneinander unterscheiden. In Afghanistan, wo auch von der Bundeswehr "die Freiheit Deutschlands am Hindukusch" verteidigt wird, wie der damalige Verteidigungsminister Peter Struck mal so prägnant gesagt hat, sieht diese Freiheit sehr anders aus. Männer lassen bei ihrem Nationalsport Buzkaschi die Ziege raus. Der Körper des toten Tieres ersetzt den Ball. Wer ihn zuerst dem Preisrichter übergibt oder ins Netz trägt, gewinnt.

Balazs Gardi | 2018 Sony World Photography Awards

Und das bringt uns schon zu Punkt 2.

2. SPORT IST SO VIEL MEHR ALS FUSSBALL

OK, das sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber in einem Fußball-WM-Jahr ist es das eben nicht. Die Weltmeisterschaft wirkt wie ein wild gewordener Staubsauger, der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wobei die Buzkaschi-Berichterstattung in Deutschland ohnehin als ausbaufähig gilt.

Und sowieso gibt es außer dem Profisport ja noch den Blut-und-Tränen-Sport der Amateure. Dieser Junge aus Afghanistan hat sogar seiner Skier selbst geschnitzt.

Andrew Quilty | 2018 Sony World Photography Awards

Und diese Baseball-Spieler in Italien haben zwar eine maschinell gefertigte Ausrüstung. Trotzdem unterscheidet sie etwas fundamental von Profi-Sportlern: Sie sind blind.

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Matteo Armellini | 2018 Sony World Photography Awards

3. KRIEG UND FRIEDEN SEHEN SICH MANCHMAL ÄHNLICH

Es gibt auch jetzt viele Kriege, in denen täglich Menschen sterben. Und trotzdem existieren überall auf der Welt auch Bräuche, die mehr oder weniger subtil an Krieg erinnern. Dieser hier, aus der spanischen Stadt Ibi, der "Mehl-Krieg", findet seit 200 Jahren statt, immer am 28. Dezember.

Antonio Gibotta | 2018 Sony World Photography Awards

Wobei bei einem Blick auf ein richtiges Kriegsfoto der Unterschied schon schnell klar wird. Die Aufnahme stammt aus der irakischen Großstadt Mossul, die von Regierungstruppen nach heftigen Kämpfen vom IS zurückerobert wurde.

Rasmus Flindt Pedersen| 2018 Sony World Photography Awards

4. DER MENSCH VERSAUT DIE NATUR NOCH KRASSER, ALS ES UNS BEWUSST IST

Das ist jetzt keine allzu taufrische Erkenntnis, aber erst die Wucht mancher Fotos lässt einen verstehen, wie weit der Mensch eingreift. Manchmal entsteht dabei eine durchaus ästhetisch ansprechende Verschandelung, wie hier in den italienischen Alpen, wo schon seit der Antike Marmor aus dem Berg gefräst wird. Michelangelo himself soll diesen Marmor benutzt haben. Kein Wunder also, dass die Landschaft hier komplett verändert wurde.

Luca Locatelli | 2018 Sony World Photography Awards

Bei dieser Aufnahme aus Kasachstan war wohl das Tourismusbüro verantwortlich. Vielleicht ist dieses Poster also als Mahnung zu verstehen: Bald wird "echte" Natur nur noch auf Plastikfolie zu sehen sein, wenn wir nicht aufpassen.

Tomasz Padło | 2018 Sony World Photography Awards

Ein Spiel um das Sichtbare und das Unsichtbare betreibt das folgende Foto, entstanden in der Region Fukushima, wo 2011 mehrere Kernschmelzen eine ganze Region atomar verstrahlten.

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Florian Ruiz | 2018 Sony World Photography Awards

Vielleicht ist es angesichts so vieler menschengemachter Katastrophen nicht verwunderlich, dass so viele Menschen sich wieder ins Religiöse stürzen.

5. DIE RELIGION IST ZURÜCK

Jahrelang hieß es, dass die traditionellen christlichen Glaubensrichtungen an Bedeutung verlieren. Das trifft auf viele urbane Gesellschaftsschichten auch zu. Aber vor allem in der Peripherie kommt der Glaube zurück. Oder er war nie weg.

Mit dieser Thematik beschäftigt sich Alys Tomlinson aus Großbritannien. Sie wurde zur Fotografin des Jahres gewählt. Für ihre Serie Ex-Voto hat Tomlinson christliche Pilger abgelichtet.

Alys Tomlinson | 2018 Sony World Photography Awards

Was für ein Gesamtbild von der Welt ergibt sich also, wenn man die besten Fotos des Jahres betrachtet? Die Menschen überziehen den Planeten mit Krieg und Abgasen solange, bis nur noch der Glaube ans Übersinnliche hilft, all das zu ertragen. OK, das ist jetzt ein recht deprimierendes Fazit, so insgesamt. Aber es bleibt ja außerdem immerhin noch der Sport.

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