Europawahl 2019

Die PARTEI schickt womöglich eine Kandidatin ins EU-Parlament, die gar nicht nach Brüssel will

"Andere hätten es bestimmt mehr verdient, aber es stand bisher nie im Raum, dass das klappen würde", sagt Lisa Bombe, Listenplatz 3 der Drei-Prozent-Partei.
Lisa Bombe
Lisa Bombes Wahlplakat

Heute vor einem Monat eröffnete Die Partei Die PARTEI ihren Europa-Wahlkampf in der vollbesetzten Berliner Volksbühne. Die Anhänger der Satirepartei feierten ihren Spitzenkandidaten Martin Sonneborn, wie immer halb ironisch und halb im Ernst.

Seit fünf Jahren sitzt der Satiriker als fraktionsloser Abgeordneter im EU-Parlament. Aber eine Amtszeit, das reicht dem Parteivorsitzenden Sonneborn nicht. Und ein Abgeordneter erst recht nicht.

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Deswegen stand Sonneborn dieses Mal nicht alleine auf der Bühne. Der Kabarettist Nico Semsrott, Markenzeichen schwarzer Hoodie, ist die Nummer zwei der Partei.

Trotz der Popularität von Sonneborn und Semsrott war vor einem Monat noch völlig unklar, ob es eine Partei mit dem Slogan "Für Europa reicht's!" überhaupt mit zwei Abgeordneten in das Parlament in Brüssel schafft. Aber: In aktuellen Umfragen erreicht Die PARTEI bis zu drei Prozent. Das würde nicht nur für die beiden Satiriker reichen – sondern auch eine dritte Person. Eine Frau, die sie im Wahlkampf fast vergessen hatten: Lisa Bombe. VICE hat die Frau interviewt, die bisher ungefähr so bekannt ist wie ein durchschnittlicher EU-Parlamentarier: also gar nicht.

VICE: Frau Bombe, Sie landeten auf der Liste der Partei, weil Sie einen lustigen Nachnamen haben. Jetzt könnten Sie bald im EU-Parlament sitzen. Sind Sie darauf vorbereitet?
Lisa Bombe: Politisch hatte ich mit Europa bisher gar nichts zu tun. Dafür bin ich in Hamburg für Die PARTEI aktiv. Gestern haben wir zum Beispiel in der Sternschanze eine Aktion unter dem Motto "Saufen statt Ersaufen" gestartet, Bier verspendet und damit Spendengelder für Sea-Watch gesammelt.

Der Europa-Wahlkampf ihrer Partei war eine Two-Men-Show von Sonneborn und Semsrott. Warum sind Sie bisher in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung getreten?
Ich stehe ja auch nur auf dem diesem Listenplatz wegen meines Nachnamens. Er soll darauf aufmerksam machen, dass die Europäische Union mehr Geld für Rüstungsexporte als für Entwicklungshilfe ausgibt …

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… nach Ihnen folgen auf der PARTEI-Liste Krieg, Göbbels, Speer, Bormann, Eichmann, Keitel und Heß …
Dass ich eine Frau bin, hat bei der Verteilung der Listenplätze auch eine Rolle gespielt.

"Martin Sonneborn und Nico Semsrott haben schon gesagt, dass sie alles so angenehm wie möglich für mich gestalten wollen."

Sonneborn und Semsrott sind Medienprofis. Sie beherrschen das Spiel mit Medien und Publikum. Macht ihnen das Angst, weil Ihnen diese Bühnenerfahrung fehlt?
Ein bisschen schon, tatsächlich. (Pause) Das hier ist gerade mein erstes Telefoninterview. Ich lasse das jetzt einfach auf mich zukommen. Martin Sonneborn und Nico Semsrott haben schon gesagt, dass sie alles so angenehm wie möglich für mich gestalten wollen.

Was wollen die beiden denn für Sie tun?
Sie sagten, ich könnte zum Beispiel von Hamburg aus arbeiten und müsste nicht nach Brüssel ziehen.

Was möchten Sie an der EU verändern, wenn es tatsächlich mit dem Einzug in das Parlament klappen sollte?
Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken gemacht. Meine Themen sind Umwelt und Medien, weil ich auch aus dem Marketing komme. Zum Beispiel Artikel 13, das finde ich schon alles nicht so toll, was da gerade passiert.

Eine konkrete Forderung kann ich jetzt aber nicht nennen. Generell will ich die Missstände aufdecken und die Widersprüche einiger Parteien. Zum Beispiel die Grünen, die sich für die Umwelt einsetzen, aber selbst gerne fliegen.

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Viele Kandidaten hoffen seit Jahren auf eine Chance, als Abgeordnete in Brüssel für ein geeintes Europa zu kämpfen. Haben Sie sich ein Mandat eigentlich verdient?
Andere hätten es bestimmt mehr verdient. Ich habe diese Liste nicht aufgestellt und es stand bisher nicht im Raum, dass das klappen würde. Ich werde das Mandat aber auf jeden Fall annehmen, wenn ich es bekommen sollte

Das Europaparlament wäre für mich eine gute Möglichkeit, international Erfahrungen zu sammeln, rhetorische Fähigkeiten schulen und ich hatte schon auch den Traum, mal eine Rede zu halten. Meinen eintönigen Job werde ich nicht vermissen.

Sie arbeiten als Sachbearbeiterin im Meldewesen der Stadt Hamburg. Wie sieht ihr Alltag abseits der Politik?
Ich stelle Personalausweise, Reisepässe oder Führungszeugnisse aus. Alles, was Menschen im Bürgerarmt so erledigen. Davor habe ich im Marketing gearbeitet, aber ich bin aus gesundheitlichen Gründen dort ausgeschieden. Die berufliche Unsicherheit hat bei mir einfach zu viel Stress ausgelöst. Und ich habe mich dann entschieden, bei der Stadt Hamburg anzufangen. Neben der Arbeit verbringe ich viel Zeit mit meiner Familie, meinen Brüdern und meiner Mutter.

"Das Europaparlament wäre für mich eine gute Möglichkeit, international Erfahrungen zu sammeln, rhetorische Fähigkeiten schulen und ich hatte schon auch den Traum, mal eine Rede zu halten."

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Haben Sie schon ihrem Chef Bescheid gesagt, dass Sie vielleicht bald im EU-Parlament sitzen?
Ich habe mit meinem Chef abgeklärt, dass ich ab Montag wegen eines politischen Amtes freigestellt wäre und es schon am Dienstag im EU-Parlament losgehen würde.

Ich habe keine Lust auf ein Politikerleben und würde auch nicht nach Brüssel ziehen, weil ich in Hamburg mein ganzes privates Umfeld habe. In Brüssel wäre ich alleine. Also würde ich von hieraus arbeiten und Kollegen aus dem Landesverband Hamburg bei mir einstellen.

Welches Gefühl überwiegt, wenn am Sonntagabend die ersten Hochrechnungen über die Ticker laufen. Die Vorfreude auf ein großes politisches Abenteuer oder die Angst, ein so bedeutendes Amt ausfüllen zu müssen?
Eher die Vorfreude. Ich freue mich darauf, mit meinen beiden Kollegen die Parlamentarier anderer Fraktionen zu ärgern. Am liebsten die der AfD und ihres Spitzenkandidaten Jörg Meuthen. Bei dieser Wahl ziehen die Rechtspopulisten ja wahrscheinlich mit noch mehr Abgeordneten ins EU-Parlament ein.

Update vom 25. Mai, 10:45: In einer früheren Version dieses Artikels schrieben wir, Die PARTEI habe Bier verschüttet. Es handelte sich um ein Missverständnis.

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