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Ein Liebesbrief an ...

Ein Liebesbrief von Bonaparte an seine Boxschuhe

"​​Viele Erdenbürger haben darum gebeten, ja oft gar gefleht, dass ich beim Sex doch wenigstens die Schuhe ausziehen könne." – Tobias Jundt aka Bonaparte über seine große Liebe.
Foto: Melissa Jundt

Sagen wir, wie es ist: Im Internet überwiegt der Hass. Ein Blick in die Kommentarfelder von YouTube oder Facebook reicht da meist schon, um den Glauben an das Gute auf dieser Welt täglich aufs Neue zu verlieren. Das ist doch scheiße. Also konzentrieren wir uns lieber auf die schönen Seiten im Leben, die absolut wunderbaren Dinge, die unseren Alltag bereichern, uns zum Lächeln bringen. Dinge, die wir verdammt nochmal lieben. Da vor allem Musiker und Musikerinnen online oft die volle Wucht der Missgunst zu spüren bekommen, geben wir ihnen hier die Möglichkeit, dem Hassklima mit einer großen Ladung reiner Liebe die Stirn zu bieten. Wir geben ihnen einen komplett freien Raum, in welchem sie ihre Liebe zu einer Person, einer Sache, einem Gefühl, einem Was-auch-immer in selbst gewählte Worte fassen können.

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Heute erzählt Tobias Jundt aka Bonaparte (dessen neues Album The Return Of Stravinsky Wellington am 02. Juni erscheint) von seiner Liebe zu seinen Schuhen:

Ich habe es euch eines Abends erzählt, als wir nach Sonnenuntergang in Golden Bay noch am verlassenen Strand saßen. Die letzte Glut erinnerte an die Existenz von Feuer. Es war einer dieser seltenen Momente im Leben, wo die unermessliche Weite der Natur einen Mann zu verfänglichen Emotionen treibt. Der eiserne Schutzwall meiner europäischen Coolness verflog in der Dunkelheit des Südpazifiks. Ich hörte, wie meine salzigen Lippen ohne jegliches Kommando von Seiten des Großhirns sagten: "Weißt du … Ich wollte als Kind nicht nur Dirigent, Astronaut und Architekt werden. Nein, auch Boxer … ." Und es ist wahr. Eines Tänzers gleich grazil um verschwitzte Körper hüpfen und mich unerbittlich mit fremden Fäusten messen. Bei diesem Tief in meinem Inneren vergessen geglaubten Wunsch, beginnt unsere innige Geschichte. Eine Liebesgeschichte, wie sie kein Drehbuchautor Hollywoods auch nur annähernd zu erzählen im Stande gewesen wäre. Und wenn es denn einer könnte, ein Niemand würde ihm die Geschichte abkaufen. "Zu gewollt! Zu weit von der Realität entfernt! Mitnichten im Bereich des Glaubwürdigen!" würden sie allesamt rufen. Als ich euch vor 11 Jahren auf einem Flohmarkt im Hinterhof meines Berner Wohnhauses erblickte, hattet ihr noch kleine aufgeklebte Plastikdiamanten an den Seiten. Gepimpte Außenseiter seit dem Tag eurer Erschaffung – das hat uns verbunden. Es war mir sofort klar, dass ich euch gehören würde. Und ihr mir. You put a spell on me. Es war mir aber auch sofort klar, dass ich so tun musste, als würde ich euch für meine kleine Schwester ersteigern – welche wohlgemerkt gar nicht existierte oder zumindest hatte man es nie für wichtig empfunden, mich darüber in Kenntnis zu setzten. Jedenfalls umgarnte euer hohes Frauenleder meine damals noch wohlgeformten Männerfüsse. Kein Sandkorn konnte zwischen uns kommen.

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Fotos: Melissa Jundt

11 verbogene Jahre begleite ich nun schon jeden eurer Schritte. Und nur meine kleinen Füße lasst ihr in euch hinein – wohlriechend oder nicht. Schuhmonogamie in vollkommener Eleganz, so lebt Existenz einen tieferen Sinn. Ihr seid nun mal kein dahergelaufenes paar Bowlingschuhe der Wuppertaler Kegelbahnen. Und ihr seid auch keine runtergefahrenen Schlittschuhe im Verleih des Schweriner Mädchenklosters. Nein, ihr seid das Leder, das alle meine Fehltritte im Leben an vorderster Front miterlebt und geprägt hat. Ihr seid das Leder, dass mit mir in bewusstseinserweitertem Morgengrauen durch den Sand zu den Pyramiden stapfte. Ihr seid auch das Leder, welches furchtlos gegen euresgleichen trat, wenn ich mit der Crew auf dem Parkplatz hinterm Club eine Runde Fussball spielte. Ihr seid mit mir auf Fuerteventura ins Meer gelaufen, als wäre es das Normalste auf dieser gottvergessenen Welt, zusammen zum Meeresgrund zu sinken. Ihr seid mit mir in China über die Dächer der Hochhäuser gesprungen und durch die verbrannten Wälder von Texas gerannt. Jede stinkige Bretterbühne zwischen Spandau und Köpenick haben wir zusammen betreten. Zeitgleich wie Wolken und Regen. Fraglos wie Sonne und Schatten. Über der Sache stehend wie Schmerz und Erfüllung. Ihr seid es wohl auch gewesen, die mich des Öfteren in verruchte Hinterstrassen führten – aber ich weise keine Schuld von mir – denn ich bin immer mit euch mitgegangen. Ich habe euren Weisungen stets blind und unverbraucht vertraut.

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Viele Erdenbürger haben sich bei mir beim Beischlaf beschwert und darum gebeten, ja oft gar gefleht, dass ich beim Sex doch wenigstens die Schuhe ausziehen könne. Nein, dieses eine Stück Heimat muss auch in den abgelegensten Feldbetten der sibirischen Tundra erlaubt sein. Meinen Hut ziehe ich aus – mit Haltung und dem glühenden Respekt vor den Bräuchen des Hauses – meine Schuhe nicht. Niemals. Und wenn ich eines Tages auf dem Sterbebett liege, im Hintergrund Nino Rotta's Waltzer aus "Der Pate" erklingt und ihr mir ein letztes Mal mit euren jugendlichen Händen meinen geschundenen Körper mit heißem Mandelöl einreibt – bitte denkt zurück an diesen Brief und erweist mir diesen einen letzten Wunsch – lasst das weißes Leder dran.

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