„Avatar hat keine Möpse!“: Wie Crossplayer gegen Geschlechtergrenzen ankämpfen
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„Avatar hat keine Möpse!“: Wie Crossplayer gegen Geschlechtergrenzen ankämpfen

In der Welt des Crossplay ist es egal, ob man eine Figur desselben oder des anderen Geschlechts verkörpern möchte—es geht allein, um die Liebe zu seinem Charakter. Das sehen allerdings längst nicht alle so.

Regel Nummer 63 des Internets: „Für jeden männlichen Charakter, der existiert, gibt es eine weibliche Version und umgekehrt." All die naiven Geschöpfe unter uns werden das vielleicht infrage stellen, doch die erleuchteteren Geister wissen, dass es wahr ist—wir haben gesehen, wie sich der spätpubertäre Twilight-Vampir Edward im Mondlicht in ein Mädchen verwandelt und weibliche Ikonen wie Lara Croft als Mann auf die Suche nach unbekannten Gräbern gehen.

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Dieses Phänomen gibt es allerdings nicht nur in Fanfiction-Foren und in Illustratoren-Communitys wie DeviantArt, Regel 63 manifestiert sich dank einer kleinen Gruppe von Cosplayern auch im wahren Leben. Diese spezielle Form des Cosplay gibt es in zwei Varianten. Die Erste ist bekannt als Crossplay—angelehnt an den weiter verbreiteten Begriff Cross-Dressing—wobei es darum geht, sich wie eine Figur des anderen Geschlechts anzuziehen.

Die zweite Variante ist bekannt als gender-bending oder genderbent Cosplay. Das heißt, dass der Cosplayer das Geschlecht der Figur selbst verändert—zum Beispiel, wenn sich ein Mann als Poison Ivy verkleidet und die Figur damit in eine abgewandelte, maskuline Version ihrer selbst verwandelt, indem er ihr Kostüm männlicher macht.

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Auf dem Messegelände der New York Comic Con konnte man vorletzte Woche unzählige Beispiele für die Regel 63 entdecken. Einer der männlichen Crossplayer trug zum Beispiel das komplette Outfit von Prinzessin Leia und es gab mehrere Männer, die aussahen wie Misty, Ash Ketchums Begleiterin mit den orangefarbenen Haaren aus der Fernsehserie Pokémon. Außerdem gab es auch eine Frau, die das Geschlecht von Jack Skellington aus The Nightmare before Christmas verändert und ihr Nadelstreifenkorsett mit einem breiten Grinsen getragen hat.

Prinzessin Leia. Alle Fotos: Leah James

„Für mich läuft immer wieder alles auf die Liebe zu einer Figur hinaus—egal, was sie sind", sagt ein Crossplayer und erklärt, warum er sich manchmal für das Kostüm weiblicher Charaktere entscheidet. „Es kommt einfach nur darauf an, wie sie geschrieben sind, wie sie rüberkommen oder ob ich Teile ihrer Persönlichkeit in mir selbst wiedererkennen kann", sagte er. In anderen Worten: Das Geschlecht hat nicht viel damit zu tun.

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„Es ist mir egal, ob mich Leute sie oder er nennen, weil ich mich in meiner Haut wohlfühle", sagt ein anderer Crossplayer. „Egal, wie mich Leute nennen—ich weiß, wer ich bin."

Trotzdem trafen sich einige der Crossplayer und Genderbender im Rahmen der Comic Con zu einem Forum, um über die Probleme zu diskutieren, mit denen sie konfrontiert werden, wenn sie die Geschlechternormen im Cosplay herausfordern.

Kim Possible

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Cosplayer die Figur, die sie darstellen, modifizieren, aber die meisten von ihnen bevorzugen Kostüme, die „Kanon sind"—genauer gesagt Kostüme, die als offiziell gültig für den jeweiligen fiktiven Charakter anerkannt sind. Einige Cosplayer können nicht damit umgehen, dass es Cosplayer gibt, die aus irgendeinem Grund nicht Kanon sind—es reicht schon, wenn du ein offizielles Kostüm personalisierst, um Gefahr zu laufen, von Puristen zur Rede gestellt zu werden. „Das kann eine ziemlich heikle Angelegenheit sein, weil die Leute ein bestimmtes Bild von der Figur im Kopf haben und wenn sie die Figur mögen, kann das bedeuten, dass sie nicht mögen, was du mit ihr machst", erklärt ein Diskussionsteilnehmer.

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Bei dieser traurigen Form der Kritik geht es meist um „Authentizität." Zugegeben, ein Zauberstab aus Holz lässt dein Harry Potter-Cosplay sehr viel authentischer wirken als einer aus Plastik, allerdings werden oft ganz andere, sehr viel persönlichere Eigenschaften eines Cosplayers kritisiert, wie seine ethnische Herkunft oder sein Geschlecht. „Bei Authentizität geht es darum, was du machst und nicht darum, wer du bist", sagt ein anderer Teilnehmer des Forums.

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Captain America, Black Widow und Aang

Eine ecuadorianische Crossplayerin, die auch mit im Publikum sitzt, hat sich als Aang verkleidet, ein bekannter männlicher Charakter aus der Zeichentrickserie Avatar: Der Herr der Elemente. „Zu Hause fragen mich immer alle: ‚Warum tust du das?'", meint sie und erzählt von der Kritik, die sie im Laufe der Zeit geerntet hat. „‚Avatar hat keine Möpse' oder ‚Du bist zu sexy, um Avatar zu sein.'" Auf einer Convention in Ecuador, sagt sie, wurde sie sogar vom Gelände verwiesen, „weil sie meinten, es wäre sexuell unangebracht", sich wie das andere Geschlecht zu kleiden.

Brayan Vasquez, ein anderer Crossplayer, der an der Diskussion teilnahm, war angezogen wie Kim Possible. Er ist ein begeisterter Crossplayer und sagt, dass er in der Vergangenheit auch schon oft schikaniert wurde. „Sie meinten: ‚Oh, das ist ja ein Mann.' Naja, ja, ich bin ein Mann. Das sieht man doch. Ich habe aber versucht, es nicht zu nah an mich rankommen zu lassen, weil ich sehr stolz auf mich war, dass ich zum ersten Mal in 12-Zentimeter-hohen Stilettos herumgelaufen bin."

Crossplayer-Kritikern geht es nicht um die authentische Darstellung einer Figur, sagt Jay Justice, eine weitere Diskussionsteilnehmerin. Ihre Kritik spiegelt lediglich ihre Vorurteile wider. Sie erinnert sich noch an einen Vorfall, bei dem sie gemobbt wurde, weil sie nicht „Kanon" war—doch in diesem Fall ging es den Kritikern nicht um ihr Geschlecht. Sie meinten: „Wonder Woman ist nicht schwarz." (Ungeachtet der Tatsache, dass es bei DC in Wirklichkeit auch eine schwarze Wonder Woman gibt.)

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Der unglaubliche Hulk

„Sie meinten, ich wäre eine Schande für Wonder Woman und sollte mein Kostüm sofort ausziehen", sagt Justice. „Ich entgegnete ihnen: ‚Wenn Wonder Woman eine reale Person wäre, würde sie sich für euch schämen, weil ihr jemanden für seine Herkunft diskriminiert und das ist einfach nur falsch.'"

Obwohl es immer wieder irgendwelche Kleingeister gibt, die die Kreativität anderer ersticken wollen, denken die Leute dieser neuen Generation der Cosplayer, dass sich die Dinge zum Guten gewendet haben. „Vor fünf Jahren waren die Leute noch total schockiert [von Crossplay und Genderbending]", sagte ein junger Mann. Ein anderer sagt dazu: „Vor zehn Jahren traf man jede Menge Frauen mit dem Kostüm einer Figur des anderen Geschlechts, aber längst nicht so viele Männer. Mittlerweile ist es ziemlich ausgeglichen."

Letztendlich finden die Crossplayer Unterstützung innerhalb der Community. Tony Ray beendete das Diskussionsforum mit den Worten: „Je zahlreicher und sichtbarer wir werden und je lauter unsere Stimme ist, desto mehr werden diejenigen, die nicht Teil unserer Gemeinschaft und unseres Supportsystems sind oder nicht gutheißen, was uns ausmacht, versuchen, uns zu zerstören, uns zu Fall zu bringen und uns klein zu machen. Aus diesem Grund müssen wir zusammenhalten und ihnen gemeinsam die Stirn bieten."