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Die Alt-Right veröffentlicht ihre rassistische Propaganda jetzt schon in Kinderbüchern

Wir haben mit dem Autor und der Illustratorin des Buchs gesprochen, in dem Pepe der Frosch kleine Wesen von ihren Burkas befreit.
The Adventures of Pepe and Pede (Cover). Bild: Matthew Gault über Amazon

Auf den ersten Blick wirken The Adventures of Pepe and Pede vielleicht noch harmlos. Das US-amerikanische Kinderbuch, das seit Anfang August auf Amazon bestellbar ist, erzählt die Geschichte von Pepe dem Frosch und Pede dem Tausendfüßler. Das Buch, das ein stellvertretender Schulleiter aus Texas geschrieben hat, steht in der Kritik, rassistische und islamfeindliche Botschaften zu verbreiten. Zwar weist Autor Eric Hauser diese Vorwürfe vehement von sich, doch die Motive und Bilder in seinem Werk sprechen eine deutliche Sprache – auch wenn die Geschichte zunächst unschuldig beginnt.

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Make this farm great again - Pepe und Pede kämpfen gegen "Alkah"

Pepe und Pede freuen sich, denn auf ihrem Bauernhof Wishington Farm hat endlich ein neuer Bauer das Sagen. Nach acht Jahren unter schlechter Führung freuen sich die beiden Freunde darauf, endlich wieder die volle Pracht ihrer Farm genießen zu können.

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Doch ihre ausgelassene Stimmung hält nicht lange an, denn der liebste Teich der Freunde ist inzwischen zu einem düsteren Sumpfgebiet verkommen. Hier treibt der schreckliche Alligator Alkah sein Unwesen. Doch durch Teamwork und ihre im Vergleich zu Alkah bestechende Ehrlichkeit gelingt es den Freunden, das Ungetüm zu besiegen und Alkas Untergegebe von ihren schlammigen Ketten zu befreien. Statt einem "und sie lebten glücklich bis ans Ende aller Tage" schließt das Buch mit der Rhetorik aus dem Trump-Wahlkampf: "With law and order now restored, this land was great again", spielt Hauser auf den hart strapazierten MEGA-Slogan des US-Präsidenten an.

Auf einmal tauchen kleine Wesen in Burkas auf

Wer sich ein wenig in der Symbolwelt der neuen Rechten in den USA, der sogenannten Alt-Right, auskennt, kann die Anspielungen in Hausers vermeintlich fluffigem Kinderbuch kaum übersehen. Pepe der Frosch ist eine Cartoon-Zeichnung des Künstlers Matt Furie, die zu einem Meme wurde. Während des US-Wahlkampfs 2016 wurde der ehemals harmlose Frosch zu einer Symbolfigur der Alt-Right, jener neurechten Bewegung, die Anhänger von Nazi-Ideologien, Verschwörungstheoretiker, Trolle und junge Trump-Fans vereint. Inzwischen wird Pepe von Anti-Hass-Organisationen wie dem Southern Poverty Law Center und der Anti-Defamation League als rechtes und antisemitisches Hasssymbol eingestuft.

Ein Bild aus 'The Adventures of Pepe and Pede' | Bild: Matthew Gault

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Doch auch Pepes Tausendfüßler-Freund Pede und die anderen Figuren im Kinderbuch haben symbolträchtigen Charakter. Zum Beispiel bezeichnen sich die Online-Unterstützer von Donald Trump selbst gern als "Centipedes", also als Tausendfüßler. Der Bösewicht in der Geschichte ist ein bärtiger Alligator, dessen Name Alkah nur einen Buchstaben von "Allah" entfernt ist. Seine unterdrückten Anhänger sind hübsche rosafarbene Wesen, die jedoch von Kopf bis Fuß mit schwarzem Schlamm bedeckt sind. In den Illustrationen des Kinderbuches wecken die Wesen ganz klar Assoziationen an Frauen in Burkas.

Der Autor streitet alles ab, die Illustratorin weiß von nichts

Der Autor Eric Hauser wehrt sich derweil gegen die Rassismusvorwürfe. Gegenüber Motherboard erklärt er, dass sich die Figur des Alligators Alkah auf einen Albtraum beziehe, den seine kleine Tochter immer wieder gehabt habe. "Sie sagte oft, dass der Alligator einen Bart und einen Umhang wie ein Zauberer habe."

Wir kontaktierten außerdem Nina Khalova, die Illustratorin des Buches. Die ukrainische Künstlerin sagte uns, dass sie die vollständige Geschichte des Kinderbuches nicht kannte, als sie die Zeichnungen anfertigte. Sie zeigte uns Dokumente, die darauf hindeuten, dass einige der Charaktere auf religiösen Stereotypen basieren.

Darunter ist auch eine Word-Datei, in der Hauser der Künstlerin detailliert beschreibt, wie der Alligator Alkah in seinen weißen Roben und vollem Bart und seine Untergebenen im schwarzen Schlamm aussehen sollen. Um zu verdeutlichen, dass nur die Augen der unterdrückten Kreaturen sichtbar sein sollen, schickt er Khalova ein Bild als Anhaltspunkt.

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Dieses Bild ist ein Ausschnitt aus einem Webcomic, der Frauen in Burkas zeigt. Er stammt von der Website TriangleCircleSquare, auf der sich eine ganze Sammlung offensichtlich politischer Karikaturen findet.

Von dem Burka-Vergleich möchte Hauser jedoch nichts wissen. "Es war mir wichtig, dass die kleinen Schlammmonster ähnliche Augen wie die Figuren in dem Bild haben", erklärt der Autor gegenüber Motherboard. "Doch nicht wegen der Ähnlichkeit zu einer Burka, sondern nur wegen der Augen. Ich wollte, dass man die rosafarbene Haut durchscheinen sieht. Ohne die Aussparungen um die Augen, wäre das nicht möglich. Das Rosa symbolisiert den Menschen in uns allen."

'The Adventures of Pepe and Pede' | Bild: Matthew Gault

"Ich dachte, ich hätte mich verhört" – Das Buch schockiert Lehrer und Eltern

Bis vor Kurzem war Hauser als stellvertretender Schulleiter der Rodriguez Middle School im texanischen Denton tätig. Wenige Tage nachdem Pepe and Pede erschienen war, informierte der Schulleiter Renee Koontz die Lehrerschaft, dass Hauser gerade sein erstes Buch veröffentlicht hätte. Mindestens einer der Lehrer wurde schon bei dem Titel des Buches hellhörig, wie er uns erzählte.

"Ich dachte, ich hätte mich verhört", beschreibt der Lehrer Chad Withers gegenüber Motherboard den Moment, als er von dem Buch erfuhr. Schon damals fürchtete der Lehrer, dass das Buch versteckte rassistische Propaganda enthalten könnte. Doch er wollte es nicht verurteilen, bevor er es gelesen hatte.

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Doch seine schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen: "Das Buch war noch schlimmer, als ich gedacht hätte. Die Geschichte selbst ist abscheulich, rassistisch und fremdenfeindlich. Ich fühlte mich angeekelt. Noch nie habe ich etwas gesehen, dass so klar auf Kinder zugeschnittene Propaganda ist."

"Ich finde es beängstigend" - 4chan-Rhetorik in einem Kinderbuch

Mit dieser Meinung steht Withers nicht allein da. In seinem Wohnort Denton gibt es gegen das Buch große Proteste. Auch eine Mutter aus der Gegend, die anonym bleiben möchte, erklärte gegenüber Motherboard, dass das Buch ihr große Sorgen bereitet.

"Ich halte das für ein Propaganda-Instrument", erklärt die Mutter uns. "Es verwendet die gleiche Sprache, die auch Präsident Trump verwendet und die, meiner Meinung nach, rassistisch ist. Wie beispielsweise den Sumpf zu säubern … Doch Hauser wird von dem Schulbezirk geschützt. Für viele Leute ist das sehr alarmierend. Ich finde es beängstigend."

Auch für Withers sind die rassistischen und anti-islamischen Bilder mehr als deutlich. "Doch selbst wenn der Frosch Marcus heißen würde und es keine Hinweise auf die 4chan-Rhetorik geben würde, wäre das Buch meiner Meinung nach immer noch unangemessen", fügt er hinzu. "Es vermittelt eine Botschaft gegen Akzeptanz. Leute, die nicht sind wie du, müssen sich ändern."

Hauser verlässt seinen Job und findet einen Verlag für das Buch

Obwohl Hausers Vorgesetzte ihn in Interviews verteidigten, wird am 12. August bekannt gegeben, dass er seine Stelle an der Rodriguez Middle School verlassen hat. "Angesichts der Kontroverse um mein Buch, halte ich es für das beste, nicht mehr als stellvertretender Schulleiter tätig zu sein", wird Hauser in einem Statement der Schule zitiert. "Die Schüler, die Community und die Lehrer sind mir zu wichtig, als dass ich sie der Negativität und der Ablehnung aussetzen möchte, die das Buch ausgelöst hat. Bei meinen Kollegen möchte ich mich aufrichtig für jegliche Unannehmlichkeiten entschuldigen, die ihnen oder ihren Familien entstanden sein könnten."

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Hauser das Buch selbst herausgegeben. Doch trotz – oder vielleicht gerade wegen – der kontroversen Debatte nimmt der Verlag Post Hill Press sein Buch unter Vertrag. Das Verlagshaus ist für seine extrem konservativen Titel wie Thump: The First Bundred Days und Go the F**K to Jail: An Adult Coloring Book of the Clinton Scandals. Die Publizistin Devon Brown erklärt Motherboard, dass ein Editor "auf die Aktivitäten im subreddit The_Donald aufmerksam wurde" und das Unternehmen sich daraufhin entschloss, das Buch zu verlegen.

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Ebenfalls auf Motherboard: Donald Trumps USA Freedom Kids


Die Amazon-Beschreibung enthüllt die politische Botschaft

Hausers Buch wimmelt nur so von Anspielungen auf die Alt-Right-Bewegung. Sein Buch widmet der Autor allen anderen "Centipedes" und hofft, dass sie des Gewinnens niemals müde werden. Damit nimmt er Bezug auf einen berühmten Auftritt von Donald Trump, kurz vor der Präsidentschaftswahl. Der "Baum der Aufrichtigkeit" auf der Farm hat seit acht Jahren keine Blüte getragen, während der böse Bauer an der Macht war. Der Wunsch, die Farm wieder "großartig" zu machen und Recht und Ordnung wieder herzustellen, sind wiederkehrende Themen in Hausers Buch. Sollte bisher noch jemand an der politischen Botschaft des Kinderbuches zweifeln, gibt die Beschreibung auf Amazon Aufschluss:

"Pepe der Frosch und sein bester Freund Centipede arbeiten zusammen, um Recht und Ordnung wieder herzustellen und der Wishington Farm ihre Freiheit zurückzugeben. Begleite die mutigen Freunde, die mit Wahrheit und Aufrichtigkeit die hinterlistigen Mächte bekämpfen, die ihre Heimat bedrohen."

"Wenn du Amerika liebst, wirst du auch dieses Buch lieben", verspricht der Autor

Hauser besteht weiterhin darauf, dass sein Buch lediglich konservative Werte widerspiegele. Ein Anhänger der Alt-Right-Bewegung sei er nicht. "Wenn du Amerika liebst, wirst du auch dieses Buch lieben", erklärte er den Dallas Morning News. "Einige der zentralen Themen sind Ehrlichkeit, Humor und Freundschaft."

Auch die Wahl seiner Charaktere verteidigt der Autor gegenüber dem Dallas Observer. Er findet es falsch, dass sie als Symbole der Alt-Right-Bewegung abgestempelt werden. "Ich glaube, man hat Pepe dieses Label nur verpasst, um Konservative zum Schweigen zu bringen."

Obwohl Hauser sich in Interviews wiederholt von der Alt-Right-Bewegung distanziert, spricht sein Online-Verhalten eine andere Sprache. So versuchte er beispielsweise Anfang August mit dem ehemaligen Breitbart-Schreiber und Trump-Unterstützer Milo Yiannopoulos in Kontakt zu treten und bat um Unterstützung für sein Buch.

Screenshot: Facebook

Die große Aufmerksamkeit schlägt sich positiv auf die Verkaufszahlen des Buches nieder. "Bisher kann man das Buch nur online kaufen. Doch wir wollen es auch in die Buchläden bringen und es über verschiedenen Online-Anbieter weiter verbreiten", erklärt die Publizistin Brown.

The Adventures of Pepe and Pede ist also ein weiterer Beweis, dass Inhalte der Alt-Right, die während des Trump-Wahlkamps vor allem als Online-Bewegung in Erscheinung trat, zunehmen und auch in analoge Lebensbereiche Einzug halten.