Filmset-Mitarbeiter erzählen von ihren schlimmsten Erfahrungen beim Dreh
Für einen Job beim Film muss man brennen - manchmal wortwörtlich | Bild: imago/Cinema Publishers Collection

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Popkultur

Filmset-Mitarbeiter erzählen von ihren schlimmsten Erfahrungen beim Dreh

"Der Regisseur schiss in alle Wohnwagen der Schauspieler und ließ dabei die Tür offen, damit es jeder sehen konnte."

Jeder von uns hat schon mal davon geträumt, die Hauptrolle in einem berühmten Film zu spielen. Eine LinkedIn-Umfrage aus dem Jahr 2012 bestätigt diese These: "Schauspieler" landete dort auf Platz 10 der Traumjobs. Passt aber auch irgendwie. Die Film- und TV-Branche wird ja oft als wahr gewordener Traum dargestellt: Promis reden in Interviews davon, wie glücklich sie sich schätzen können, und der Alltag am Filmset wirkt in diversen Serien wie ein niemals endender Mix aus Spaß und Glamour.

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Leider sieht die Realität ganz anders aus.

Oftmals wird die ganze Woche durchgedreht – pro Tag 12 bis 18 Stunden. Und das monatelang. Das stressige Tagesgeschäft bedeutet für alle: wenig Schlaf. Verzögerungen und Fehler führen zu finanziellen Verlusten in astronomischen Höhen. Dazu kommen noch diplomatisches Chaos, Schauspieler-Egos, Kreativkonflikte und tödliche Unfälle. Diesen Druck bekommen alle zu spüren – von den Kameramännern und Sound-Technikern über die Stuntleute bis hin zu den persönlichen Assistenten und Parkplatz-Managern (Letztgenannte haben vor Kurzem übrigens fünf große Filmstudios wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen verklagt).

Es folgen nun fünf Geschichten von Filmset-Mitarbeitern über Schikane, Wutausbrüche, respektloses Verhalten, Starallüren und wortwörtliches Feuer. Danach wirkt dein Traumjob eher wie ein Albtraumjob.


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"Ich brannte dreieinhalb Minuten lang"

Ich bin seit 17 Jahren in der Filmindustrie tätig, mein Spezialgebiet sind Feuerstunts und ich habe schon mehr als 80 Stuntman-Credits bei der Filmdatenbank IMDb angesammelt. Ich stand sogar mal im Guinness-Buch der Rekorde, weil ich mit über drei Minuten am längsten gebrannt habe. Als glamourös würde ich das Ganze jedoch niemals bezeichnen.

Vergangenes Jahr filmten wir eine riesige Explosion und ich übernahm die Verantwortung für meine eigene Sicherheit. Ich meine, mit Feuer habe ich ja Erfahrung, ich wurde bei Dreharbeiten bestimmt schon 200 Mal angezündet. Irgendwann verschwindet das unbehagliche Gefühl. Was ich bei der Explosion jedoch nicht bedachte, war die Anzahl der vorherigen Probedurchgänge. Ich fing an zu schwitzen und das Salz im Schweiß löste das Feuergel auf, das einen vor Verbrennungen schützt. Beim eigentlichen Dreh kam dann noch dazu, dass der Ärmel meines Mantels an meinem Handgelenk rieb und das Gel so zusätzlich entfernte.

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Es folgte die Explosion und ich brannte dreieinhalb Minuten lang. Plötzlich fühlte ich für zwei bis drei Sekunden einen stechenden Schmerz und dachte mir: "Scheiße, so heiß war das noch nie." Ich hatte mir eine schwere Verbrennung zugezogen, die wie ein Ring um mein ganzes Handgelenk ging – inklusive der größten Brandblase, die ich jemals gesehen habe. Die Crew fragte, ob bei mir alles OK sei, was ich bejahte. Als die Sanitäter abgezogen waren, bat ich allerdings einen Kumpel darum, mir beim Ausziehen des Mantels zu helfen, weil ich mein Handgelenk nicht mehr bewegen konnte.

Am Filmset sagt man oft, dass alles OK sei. Wenn es dann weitergeht, denkt man sich jedoch: "Verdammt, hätte ich mal lieber eine Pause gefordert." Aber wenn jede Produktionsstunde 80.000 Dollar verschlingt, will man auch nicht derjenige sein, der alles aufhält.

Ein Kollege hat zum Beispiel mal zwei Wochen lang mit gebrochenen Handgelenken gearbeitet. Letztendlich hat alles geklappt und nach Abschluss der Dreharbeiten meinte er nur: "OK, ich lasse das jetzt besser mal untersuchen." Er wollte seinen Chef nicht hängen lassen. Und auch nicht als Weichei gelten. Wir Stuntmänner sind nicht verrückt. Manchmal könnte man das aber denken.

– Kevin, Stuntabteilung

"Das hier soll ein verdammtes Sandwich sein?"

Ich fing als Kamera-Azubi in der Branche an und anfangs machten mir die Kamerateams das Leben ziemlich schwer.

Inzwischen bin ich zwölf Jahre dabei, habe schon viel erlebt und einige große Sachen wie etwa Wolverine, Watchmen oder X-Men gedreht. Heutzutage sind die Leute am Set auch viel netter als früher. Vor allem damals, als noch alles auf richtigem Film gedreht wurde, war es richtig schlimm. Ein Fehler und du warst sehr wahrscheinlich raus. Gerade die Auszubildenden bekamen diesen Druck zu spüren. Ich weiß noch, wie ich dem Kameramann mal ein Sandwich machen sollte. Er schaute es nur an, schlug es mir aus der Hand und fragte: "Das hier soll ein verdammtes Sandwich sein?"

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Beim Dreh ist jede Abteilung vergleichbar mit den verschiedenen Divisionen beim Militär. Es herrscht ein ziemlich zynisches Klima. Und natürlich werden auch eine Menge Drogen konsumiert. Einmal hatten wir eine Filmrolle voller Kokain in der Dunkelkammer gelagert. Als ich gerade etwas entwickelte, klopfte einer der Assistenten an die Tür und rief: "Du hast drei Sekunden Zeit, alles abzudecken!" Anschließend kam er rein, zog seine Line und ging zurück zum Set.

Ein anderes Mal war ich erneut in der Dunkelkammer beschäftigt. Der erste und der zweite Kameraassistent schnappten sich einen Druckluftbehälter, stachen ein Loch hinein, warfen das Teil in die Dunkelkammer und hielten dann die Tür zu. Der Behälter schoss durch die Gegend und traf mich dabei mehrmals richtig hart. Die Druckluft war außerdem noch eiskalt, weswegen ich Frostbeulen bekam. Außerdem roch das Zeug richtig übel. Als mich die Typen endlich rausließen, rannte ich direkt zu einem Mülleimer und kotzte mir die Seele aus dem Leib.

Wie gesagt, inzwischen hat sich alles ein wenig geändert, aber ich stieg in die Filmbranche ein, als noch diese Art Old-School-Philosophie vorherrschte: Jeder, der unter dir steht, ist nichts wert.

– Chris, Kameramann

"Wir schafften es nicht mehr, ihn wachzuhalten"

Vergangenen Sommer arbeitete ich am Set einer Miniserie. Eines Morgens erschien einer der Schauspieler mit 45 Minuten Verspätung total zugedröhnt zum Dreh. Der Typ hatte sowieso schon einen gewissen Ruf. Leider stand seine Rolle genau an diesem Tag bei jeder Szene im Mittelpunkt. Wir Make-up-Leute hatten dann richtig Probleme, ihn herzurichten. Irgendwie haben wir es geschafft, aber der Typ ging schnurstracks zurück zu seinem Trailer und schlief dort ein. Weil es so lange dauerte, ihn wieder wach zu kriegen, verzögerte sich der Dreh um eine weitere Stunde.

Während einer Szene sollte der Schauspieler eigentlich eine Unterhaltung führen. Vor jeder Aufnahme schlief er jedoch immer wieder ein. Ich weiß noch, wie wir vor den Bildschirmen saßen und sagten: "Was geht denn ab? Schläft der?" Er brachte kein Wort raus. Irgendwann schafften wir es nicht mehr, ihn wachzuhalten, und riefen einen Arzt. Der ganze Drehtag war im Eimer.

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Später fanden wir heraus, dass besagter Schauspieler in der vorherigen Nacht bis in die frühen Morgenstunden Party gemacht hatte. Sowas spricht sich vor allem in Zeiten von Facebook und Instagram schnell herum. Und es wird nicht gern gesehen, denn bei einem durchschnittlichen Dreh kostet jede Stunde mehrere Zehntausend Dollar. Wenn da einen Tag nichts läuft, verliert das Produktionsstudio richtig viel Kohle.

Bei solchen Zwischenfällen geht allen Involvierten das Messer in der Tasche auf. Ich meine, wir kommen früh ans Set, bereiten alles vor, machen unsere Jobs. Und irgendwelche Schauspieler glauben dann, sich alles rausnehmen zu können, weil sie ja quasi das Gesicht der Produktion sind. Aber glaubt mir, es werden ständig Ersatzdarsteller gecastet.

– Caroline, Haar und Make-up

"Er schiss bewusst in alle Wohnwagen der Schauspieler"

Der schlimmste Dreh meines Lebens dauerte zwar nur zwölf Tage, aber die waren die Hölle auf Erden. Ich stand noch am Anfang meiner Karriere und arbeitete für eine Produktion ohne viel Budget. Wir drehten immer nur nachts in einer alten psychiatrischen Klinik und es regnete die ganze Zeit. Die Hauptrolle übernahm zwar ein damals richtig bekannter Schauspieler, aber der Regisseur war ein größenwahnsinniges Arschloch. Er schiss zum Beispiel bewusst in alle Wohnwagen der Schauspieler und ließ dabei die Tür offen, damit es jeder sehen konnte.

Weil nur die nötigsten Mitarbeiter am Set waren, musste ich alles selbst vorbereiten, war ständig unterwegs, rannte der Ausrüstung hinterher und baute die Kulissen alleine auf – alles mitten in der Nacht in einer Psychiatrie und nur von einer Kopflampe beleuchtet.

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Der Hauptdarsteller war lediglich für drei Tage eingeplant, aber wir wussten nicht, an welchen drei Tagen er auftauchen sollte. Deshalb musste alles ständig richtig ausgeleuchtet und ausgestattet sein. Eines Abends bekam der Produktionsleiter plötzlich einen Anruf: Der Schauspieler sei auf dem Weg und in drei Stunden da. Wir wurden angewiesen, ihm bei seiner Ankunft einen Umschlag mit 5.000 Dollar in die Hand zu drücken, weil er sonst direkt umkehren und wieder nach Hause fliegen würde.

Am Set angekommen, fiel dem Schauspieler dann auf, dass wir ja nachts drehten. Sein Kommentar: "Nachts arbeite ich nicht." Also schmierten wir ihn erneut mit ein paar Scheinchen. Außerdem hatte er seinen Text nicht auswendig gelernt und wir mussten ihm alles vorsagen. Ansonsten saß er die ganze Zeit nur in seinem Zimmer, meditierte und trank einen komisch riechenden Tee. Also er hatte jetzt keine Starallüren, ihm war unsere Produktion einfach nur scheißegal. Er schaute niemandem ins Gesicht und es scherte ihn nicht, mit wem er überhaupt redete. Er drehte schnell alle seine Szenen, haute nach drei Tagen wieder ab und wir nahmen den Rest des Films auf.

– Brad, Grip

"Ich kam mir vor wie ein Elch, der in eine Telefonzelle will"

Ich versuche, am Set immer so unkompliziert wie möglich zu sein. Manchmal kann das aber ganz schön unangenehm werden.

Für Final Destination 5 war ich zum Beispiel das Körperdouble des Typen, dem ein riesiger Schraubenschlüssel den Schädel spaltet. Das Ganze wurde natürlich vorrangig am Computer animiert, aber es sollte auch eine Szene gedreht werden, in der der Tote mit dem Schraubenschlüssel im Kopf nur auf dem Boden liegt. Weil der eigentliche Schauspieler noch nicht da war, sollte ich für ihn einspringen. Machte ich natürlich gerne.

Leider war die notwendige Gesichtsprothese genau auf den Schauspieler zugeschnitten und passte mir deswegen überhaupt nicht. Richtig unangenehm. Außerdem dauerte das Anlegen mehrere Stunden. Ich dachte mir jedoch: "Ich werde hier gut bezahlt und will auch keine Probleme machen. Deswegen ziehe ich das jetzt einfach durch." Rückblickend war das eine schlechte Entscheidung. Das Teil drückte meinen Kopf zusammen und lag schwer auf meinen Augen. Ich konnte kaum etwas sehen. Jedes Mal, wenn die Crew neues Kunstblut auftrug, stach man mir in die Augen. Außerdem stand das Teil auf beiden Seiten meines Kopfes jeweils gut 30 Zentimeter ab.

Nachdem man mir die Prothese aufgesetzt hatte, musste ich erstmal neun Stunden lang warten. Alle unsere Wohnwägen hatten nur sehr schmale Türen, was dazu führte, dass ich mir wie ein Elch vorkam, der in eine Telefonzelle will. Selbst auf dem Klo musste ich seitwärts zum Urinal gehen und dann im 90-Grad-Winkel pissen. Außerdem bekam ich eine schlimme Migräne. Nach 12 Stunden war ich verdammt froh, als ich das Teil endlich wieder ablegen konnte.

– nochmals Kevin, Stuntabteilung

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