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Cop Watch

"Glauben Sie, Sie haben es mit einem Terroristen zu tun?" – Ein Ägypter über die Wiener Polizei

Der 28-jährige Mohamed war gerade am Weg zum 'Impulstanz'-Festival, als er angeblich Opfer von Racial Profiling durch Wiener Polizisten wurde.
Foto von Kurt Prinz

Das Impulstanz-Festival ist fester Bestandteil des Wiener Sommers und bringt jedes Jahr zusätzliche Bewegung in den hiesigen Kultur-Schmelztiegel. 2017 war auch der 28-jährige Mohamed S. aus Ägypten unter den Teilnehmern. Am 22. Juli ist er gegen 19:30 Uhr gerade mit dem Rad unterwegs zu einer Performance, als er nahe des Bahnhofs Rennweg von der Polizei angehalten wird.

Die Polizei konfrontiert ihn mit einer Übertretung: Er sei bei Rot über die Ampel gefahren und müsse nun 70 Euro Strafe zahlen. Strafe für ein Vergehen, das Mohamed laut eigenen Aussagen gar nicht begangen hat, wie er der Polizei auch auf Englisch zu verklären versucht. Die drei Beamten entgegnen angeblich, dass die Ampel erst kurz nach Mohameds Überqueren auf Grün geschalten habe.

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Mohamed willigt schließlich doch noch ein, die 70 Euro zu bezahlen. Nachdem er kein Geld mit sich führt, bittet er stattdessen um einen Erlagschein. Laut Mohamed wollen die Beamten bis zur Bezahlung sein Handy als Pfand beschlagnahmen. Würde Mohamed sich dagegen wehren, müssten sie ihn verhaften, soll es geheißen haben.

"Welche Papiere? Welches Gericht?"
"Das wirst du erfahren, wenn wir dort sind."

"Die Polizisten haben mich nach meinem Namen und meinem Heimatland gefragt", erzählt Mohamed. "Und ich habe nun mal den geläufigsten Vornamen im Islam und komme eben aus Ägypten, das als islamisch gilt." Später ist sich Mohamed sicher, dass die Beamten an diesem Punkt "entscheiden", ihn in seine Unterkunft – das Gymnasium in der Boerhaavegasse 15 – zu eskortieren und dort seinen Ausweis zu kontrollieren.

In seinem Zimmer zeigt Mohamed den Polizisten seinen Reisepass. "Die Beamten haben den Pass in Verwahrung genommen und mich aufgefordert, sie auf die Polizeistation zu begleiten." Er solle dort Gerichtspapiere unterschreiben.

"Welche Papiere? Welches Gericht?", fragte Mohamed laut eigenen Angaben die Polizisten auf Englisch. "Das wirst du erfahren, wenn wir dort sind", sollen ihm die Beamten geantwortet haben.

Vorher möchte Mohamed noch seine österreichische Impulstanz-Kontaktperson anrufen. Die hebt aber nicht ab. Als er es bei einer anderen Koordinatorin des Festivals probiert, soll einer der Beamten gewaltsam versucht haben, Mohameds Handy an sich zu reißen. Mohamed bittet ihn, damit aufzuhören und stellt die (rhetorische) Frage: "Glauben Sie etwa, Sie haben es hier mit einem Terroristen zu tun?" Woraufhin der Polizist geantwortet haben soll: "Natürlich."

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Zu diesem Zeitpunkt kommen laut Mohamed einige seiner Tanz-KollegInnen in der Unterkunft an. Sie reden mit den Beamten auf Deutsch, bestätigen Mohamed schließlich, dass er sie auf die Polizeistation begleiten solle und raten ihm, zu kooperieren. Später sollen die Beamten zu Mohamed gesagt haben, er würde seinen Reisepass nur zurückbekommen, wenn er mit auf die Polizeistation kommen würde, woraufhin er schließlich einwilligt.

Dort angekommen wird er in einen Raum gebracht, in dem sich ein Tisch mit Dokumenten darauf befindet. Eines davon erkennt Mohamed als Visum für einen früheren Wienaufenthalt. Dort sollen die Beamten ihm eine Reihe von arabischen und muslimischen Namen aufgezählt und gefragt haben, ob Mohamed besagte Leute kenne. Er verneint.

Anschließend soll einer der Polizisten nochmals versucht haben, Mohameds Handy zu beschlagnahmen. "Ich habe mich geweigert und gesagt, dass ich nicht verstehe, wie sie mir rechtlich gesehen mein Handy wegnehmen können – vor allem, weil ich in erster Linie doch nichts Falsches gemacht hatte", so Mohamed.

Anschließend fordert einer der Polizisten Mohamed auf, aufzustehen. "Er hat mich aggressiv gegen die Wand gedrückt – so wie bei einer Festnahme", sagt Mohammed. Er merkt, dass die Situation eine "unangenehme Wendung einnimmt" und beschließt, sein Handy doch abzugeben.

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"Dann hieß es, dass die 70-Euro-Strafe von vorhin nun auf 100 Euro erhöht worden sei und dass ich diesen Betrag bezahlen müsste, um mein Handy zurückzubekommen. Ich verstand die Logik dahinter nicht", so Mohamed. Als er eigenen Angaben zufolge abermals einen Anruf tätigen möchte, geben die Beamten ihm lediglich die SIM-Karte aus seinem Handy. Als er kurz darauf realisiert, dass er immerhin 50 Euro dabei hat, sagt einer der Polizisten laut Mohammed: "Hättest du uns die 50 Euro gezeigt, als wir dich aufgehalten haben, wäre das alles nie passiert."

Das Bußgeld für eine überfahrene rote Ampel beginnt in Österreich tatsächlich bei 70 Euro. Warum es in Mohameds Fall am Ende 100 wurden, konnte uns die Wiener Polizei bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht beantworten. Genauso wenig wie die Fragen, ob es üblich ist, Handys als Pfand zu nehmen, warum er auf die Polizeistation mitkommen musste und ob die Polizisten Mohamed tatsächlich für einen Terroristen hielten (oder das Problem doch nur mit der Sprachbarriere zu tun hatte).

Bei der Wiener Polizei hieß es dazu auf Anfrage von VICE nur, man werde die Angaben überprüfen und anschließend die Hintergründe klären. Das Impulstanz Festival, das Mohamed nach Wien eingeladen hatte, sicherte ihm anfangs Unterstützung zu, die letztendlich jedoch ausblieb – in Form einer Online-Petition richtet er sich jetzt gemeinsam mit KollegInnen an die Festival-Direktoren und wirft ihnen vor, lediglich das Festival selbst schützen zu wollen, sich jedoch nicht für die eingeladenen Teilnehmer und gegen lokalen Rassismus einzusetzen.

Mohamed hat die 100 Euro inzwischen bezahlt und sein Handy zurückbekommen. In einem öffentlichen Facebook-Posting schreibt er seine Erfahrung auf: "Ich frage mich, wie die Situation abgelaufen wäre, würde ich anders aussehen, hätte ich einen anderen Namen, einen anderen Pass, eine andere Hautfarbe."

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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