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chinesische Küche

Wie mich Hänseleien wegen meines Pausenbrots zu einem besseren Menschen gemacht haben

Als sich während meiner Grundschulzeit alle über mein eigenartiges, ausländisches Essen lustig machten, versank ich wegen meiner asiatischen Identität in Selbsthass. Seither hat sich aber einiges geändert.
Foto von amesis via Flickr

Vor vielen Jahren hatte ich einmal einen Nebenjob und eine Mittagspause ist mir ganz besonders in Erinnerung geblieben. Ein indischer Kollege wärmte sein Curry vom Vorabend in der Mikrowelle im Pausenraum auf. Währenddessen ging er hinaus, um einen Anruf anzunehmen und sein Gericht versprühte den intensiven Geruch der südasiatischen Küche. Daraufhin reagierten die nicht-asiatischen Mitarbeiter mit ziemlich unfreundlichen Kommentaren: Ihhh! Wie kann jemand etwas essen, das so riecht? Jetzt stinken meine Klamotten! Wenn das schon so stinkt, wenn es oben hineinkommt, will ich gar nicht wissen, wie schlimm das ist, wenn es unten wieder rauskommt.

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Dieses Szenario transportierte mich sofort zurück in meine Grundschultage, als ich alle möglichen „fremden" Dinge in meiner Lunchbox dabei hatte, die meine fiesen Klassenkollegen quasi dazu einluden, mich zu hänseln. Ich war gerade erst aus Taiwan angekommen, wo ich geboren wurde. Meine Mutter, die für mein Pausenbrot verantwortlich war, packte mir meistens die Überreste des Essens vom Vortag und chinesisch-taiwanesische Snacks wie Ruosong ein.

Meine Mama hatte keine Ahnung von den sozialen Tücken, die das falsche Pausenbrot in einer vorwiegend weißen Schule mit sich bringen konnte. Ich war ihr ältestes Kind und somit hatte sie noch keine Erfahrung mit Pausenbroten, geschweige denn white people lunch, wie es Eddie Huang nennt.

In Fresh Off the Boat erinnert sich der Koch an seine Schulzeit: „ Jeden Tag ging ich mit meinem chinesischen Mittagessen in die Schule. An einem Tag waren es Tomaten und Eier auf gebratenem Reis, an anderen geschmortes Rindfleisch und Karotten mit chinesischem Brokkoli, aber jeden Tag stank es fürchterlich." Er fasst zusammen: „Der Geruch war mir egal, ich kannte nichts anderes, aber ich wollte nicht das stinkende Kind sein. Auch wenn sie nicht neben mir saßen, standen sie am anderen Ende des Raumes, hielten sich die Nasen zu und machten Chinesen-Witze."

Ich hatte das Gefühl, Huangs und meine Lunchbox waren identisch. Und es war ein größeres Problem, als ich gedacht hatte. All das Essen, die Gerüche, der Selbsthass, das Hänseln, der Rassismus und die Scham kamen zurück wie ein Schlag in die Nase von einem dampfenden Teller stinkender Tofu.

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Wir waren aber nicht die Einzigen. Ganz im Gegenteil.

Der Starkoch Jet Tila, Juror von der Kochsendung Cutthroat Kitchen und Besitzer mehrerer Restaurantkonzepte, erinnert sich an sein übel riechendes Essen in der Schule. Tila, der thailändische und chinesische Wurzeln hat, denkt zurück: „Als ich klein war, hatte ich immer thailändisches geräuchertes Schweinefleisch und Klebreis in der Schule dabei. Manche Kinder sahen sich mein Essen und sagten: ‚Iiih, das stinkt.' Es war der Knoblauch im Schweinefleisch. Dann sagten sie: ‚Das sieht aus, als würdest du Kacke essen.' Ich hatte immer das Gleiche dabei, dabei wünschte ich mir doch nur, dass mir eine Eltern mal ein Sandwich mit Thunfisch oder Speck machen würden."

Meine deutlichste Erinnerung eines peinlichen chinesischen Pausenbrots war ein Sandwich. Es war aus Rindfleisch-Sehne und Rinderbrust in Sojasauce, Anis und Reiswein geschmort, garniert mit Koriander und auf Vollkorntoastbrot—straight outta … Shandong.

Die Sehne war hart und das Rindfleisch zäh, durchwachsen von Fett. Das Schlimmste daran war das ungetoastete Vollkornbrot. Bis ich mein Essen auspackte, hatte das Brot die Form der Sehne angenommen und sah aus wie die Mulde eines Kopfs in einem Memory-Schaumkissen.

Aus Selbstschutz aß ich mein Mittagessen alleine und versuchte, es hinunterzuschlingen. Mir ging aber die Spucke aus und ich schaffe es einfach nicht, diesen riesigen Ball aus Rindfleisch und Brot hinunterzuschlucken. Ich wickelte es heimlich in eine Serviette und warf es in den Müll.

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Wenn ich Hunger hatte, teilte ein Freund von mir manchmal seine Käseflips. Mit den orangen, bestäubten Fingerkuppen fühlte ich mich kurz wie ein weißes Kind.

Der Tiefpunkt meiner Pausenbrot-Episoden war erreicht, als der größte Tyrann der ganzen Schule allen erzählte, dass man in China Hunde isst. Die Hotdog-Scherze und das Hänseln hörten nicht mehr auf.

Der Tiefpunkt meiner Pausenbrot-Episoden war erreicht, als der größte Tyrann der ganzen Schule allen erzählte, dass man in China Hunde isst.

Von da an bat ich meine Eltern, mir Geld fürs Pausenbrot zu geben. Machmal gaben sie es mir, aber die meisten Zeit musste ich in der Kantine für ein gratis Mittagessen Teller abwaschen.

Wie viele wahrscheinlich selbst erlebt haben, kann man sein Pausenbrot auch mit anderen Kindern tauschen—vorausgesetzt, man hat etwas Brauchbares dabei. Mein Essen war selten gut genug, um es zu tauschen. Und was macht ein Kind, wenn es absolut keine Lust auf sein chinesisches Mittagessen hat, sondern lieber fein gewürzter Schinken mit Analogkäse in einem Weißbrot so weich wie eine Wolke haben will?

Es stiehlt natürlich.

In meiner Schule ging das ganz leicht, weil wir unsere Pausenbrote alle in Schränken ohne Schlösser aufbewahrten. Und natürlich wusste ich genau, wer das beste hatte. Eine gestohlene Lunchbox zu öffnen, war wie eine Schatztruhe aus essbaren Goldbarren in den Händen zu halten. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel Lyoner mit Senf gegessen, aber ich genoss jeden einzelnen Bissen.

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Wenn es nach mir gegangen wär, hatte ich ewig die Pausenbrote der anderen stehlen können, aber es dauerte nicht allzu lange, bis man herausfand, welches asiatische Kind verantwortlich war. Es gab nur vier von uns in meiner Klasse. Die anderen Kinder asiatischen Kinder waren wie Twinkies—außen gelb, innen weiß. Ihr Pausenbrot sah genauso aus wie das aller anderen. Nur Eddie Lin isst dieses stinkende, komische Zeug. Erwischt!

Aus Sicht der heutigen kulinarischen Szene hätte ich mir niemals vorstellen können, dass Gerichte wie taiwanesische Rindfleisch-Nudelsuppe oder Dim Sim irgendwann mal als cool gelten würden.

Das Komische daran war, dass ich chinesisches Essen eigentlich sehr gerne mochte, besonders das von meiner Mutter. Ich wollte einfach nur dazugehören, wie alle anderen Kinder. Alles, was asiatisch war, konnte ich nicht ausstehen—mein Aussehen, meine Klamotten, die nach Mottenkugeln rochen, Bruce Lee, Lieutenant Sulu, einfach alles. Wenn es asiatisch war, war es nicht cool.

Mit der Zeit wurde ich erfahrener und weiser und mein Selbsthass schmolz dahin. Ich öffnete mich für meine Kultur, besonders für das Essen. Ich stellte meiner Mutter mehr Fragen über ihre Gerichte, während sie sich jede Nacht in der Küche abrackerte und fünf- bis siebengängige Menüs für eine sechsköpfige Familie kochte.

Irgendwann wurde mein lähmender Kummer über chinesisches Essen zu Stolz. Aus Sicht der heutigen kulinarischen Szene hätte ich mir niemals vorstellen können, dass Gerichte wie taiwanesische Rindfleisch-Nudelsuppe oder Dim Sim irgendwann mal als cool gelten würden. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Typen wie Anthony Bourdain oder Andrew Zimmern über die asiatische Küche berichten würden und das Zeug, das ich damals als Kind aß, in den Himmel loben würden, als wäre es die nächste große Indie-Band. Endlich war es cool, ich selbst zu sein und ich konnte es gar nicht fassen.

Ich habe es geschafft, diese frühere Schande in eine Identität und eine Karriere umzuwandeln. Heute bin ich ein Food-Journalist, der mit Enthusiasmus über das „eigenartige" Essen aus allen Kulturen berichtet. Dazu stehe ich und ich bin stolz drauf.

Meine Sicht auf Essen hat sich durch die Erfahrungen in meiner Kindheit vollkommen gewendet. Wenn ich heute jemanden treffe, der sehr wählerisch ist und kein unbekanntes Essen probieren will, dann tut mir die Person leid—ja, ich verurteile sie sogar ein bisschen dafür.

Als ich Mitte 20 war, verliebte ich mich beim Dim-Sum essen sofort in ein Mädchen, das bereit war, eine Hühnerkralle zu essen. Sie ist weiß und kommt aus Texas. Es war eben Liebe auf den ersten Bissen.