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Fotografie

Klaustrophobie vom Hinsehen: Fotos aus der Enge der Tokioer U-Bahn

Der reinste Albtraum.
Bilder mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.

Schwitzende Körper, erdrückende Enge, Luft so stickig, dass man sie mit dem Messer schneiden könnte. Stadtbewohner, die mit den Öffentlichen in die Arbeit fahren, können bestätigen, dass die Bahn zur Rush Hour schnell zum Höllenzug wird. Kaum jemand wird sich da inspiriert fühlen (oder den nötigen Platz finden), um originelle Bilder zu machen. Ein Außenseiter, der das Stadtleben mit frischem Blick vor die Linse nimmt, kann dieses tägliche Leiden da besser einfangen.

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Der Fotograf Michael Wolf arbeitet viel in asiatischen Ländern, wo er die unerhörte Enge in den Bahnen der Megastädte dokumentiert. Seine Reihe Tokyo Compression konzentriert sich auf die riesige japanische Metropole. Der Deutsche bittet schamlos noch die mitgenommensten Passagiere um ein Foto und fängt so U-Bahn-Fahrten ein, die unerträglich aussehen.

Auf seiner Website sagt Wolf, diese sehr persönlichen Fotos in der Öffentlichkeit seien sein Versuch, „die Rolle des Fotografen in der Stadt zu hinterfragen".

Tokyo Compression hält eine Lupe über den inneren Alltagskampf: Was die Leute denken, erleben und in ihren Köpfen schreien, während sie in einer sauerstoffarmen Bahn gegen die Tür gepresst werden. Wolfs intime Darstellung von Erwerbstätigen, die zusammengedrängt in engen Räumen stehen, soll „eine urbane Hölle zeigen […], die verdeutlicht, wie sehr die Passagiere den Extremen der Stadt ausgesetzt sind".

Auf seiner Website werden die Fotos als Mini-Zellen beschrieben, die ein Individuum im Detail zeigen und somit das Unbehagen verstärken: „Die Dichte ist nicht länger architektonisch, sondern menschlich […] Seine Opfer versuchen, sich aus dem Bild zu winden oder schließen einfach die Augen, weil sie hoffen, der Fotograf würde verschwinden."

Wer schon einmal in einer überfüllten Bahn stand und dichtgedrängt an genervte Fremde die Hälfte seines Körpergewichts herausgeschwitzt hat, wird allerdings zustimmen, dass ein Fotograf da noch das geringste Problem ist.

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Mehr von Michael Wolfs Arbeit findest du hier.