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Google hat unbemerkt begonnen, ein wichtiges Datenschutz-Versprechen zu brechen

Bereits im Juni änderte Google seine Datenschutzerklärung, um fortan der Anonymisierung der gesammelten Daten zu entsagen. Bemerkt wurde das erst jetzt.

Google hat am 28. Juni 2016 still und leise seine Datenschutzerklärung aktualisiert—nur um zwei Sätze, aber einer von ihnen hat es in sich: „Je nach Ihren Kontoeinstellungen werden Ihre Aktivitäten auf anderen Websites und in Apps gegebenenfalls mit Ihren personenbezogenen Daten verknüpft".

Das entscheidende an der Aktualisierung betrifft nicht die Massen an persönlichen Daten, die Google seit jeher sowieso schon sammelt, sondern die Art und Weise wie diese gespeichert werden: Statt nach einem anonymisierten System zugeordnet zu werden, verbindet Google die Daten nämlich seit dem Sommer mit deinem echten Namen.

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Mit anderen Worten: Alle Daten, die du in Gmail oder anderen Google-Anwendungen hinterlegt hast, werden genauso wie das Bewegungsprofil, das du im Netz hinterlässt und das Google über seine Firma DoubleClick aufzeichnet, nicht mehr nur unter einer anonymen IP-Adresse gespeichert, sondern namentlich archiviert. Wie groß die Dimension dieser neuen Datenverknüpfung ist, wird ersichtlich, wenn man bedenkt, dass die Tracking-Technologie DoubleClick laut ProPublica auf mehr als der Hälfte der eine Millionen Websites, die weltweit am meisten besucht werden, aktiv ist.

Automatisch greifen diese Änderungen allerdings nur bei Nutzern, die nach dem 28. Juni ein neues Konto eröffnet haben. Für vorher bestehende Konten ist das Update opt-in: Nutzer mussten das Update erst manuell aktivieren.

Obwohl alle Google-Nutzer im Juni auf eine Änderung der Nutzungsbedingungen hingewiesen wurden, blieb die tatsächliche Tragweite des neuen Passus von Medien wie Nutzern gleichermaßen nahezu unbemerkt. Nutzer erhielten damals laut ProPublica lediglich Benachrichtigungen wie „Einige neue Features für dein Google-Konto". Erst nachdem das Investigativ-Netzwerk nun auf den Fall aufmerksam machte, beginnt so langsam eine öffentliche Diskussion über die neue Datenschutzerklärung.

Tatsächlich hat Google am 28. Juni einen seiner zentralen Datenschutz-Grundsätze über Bord geworfen. Für das Unternehmen, dessen Geschäftsmodell noch immer vor allem auf dem Ausliefern gezielter Anzeigen basiert, war es vorher stets ein selbst auferlegtes Paradigma, beide Datenstränge, die massive Datenbank von Browserverläufen auf der einen und und die Identität des individuellen Nutzers auf der anderen Seite, getrennt voneinander zu behandeln—eine Notwendigkeit, auf die auch Datenschützer schon bei der DoubleClick-Übernahme durch Google 2007, dem bis dato größten Deal der Firmengeschichte, vehement hingewiesen hatten.

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DoubleClick zeichnet anhand von Cookies auf, in welcher Reihenfolge ein Nutzer welche Websites und welche Werbeanzeigen anklickt. Anhand dieser Daten werden personalisierte Bewegungsprofile erstellt, um dem Nutzer gezieltere Online-Werbung anzeigen zu können. Bisher wurde dieses Bewegungsprofil allerdings ausschließlich mit der IP-Adresse eines Nutzer verknüpft. Das Webtracking stellte zwar allein schon aufgrund der schieren Masse der gesammelten Daten eine Bedrohung für den Datenschutz dar, aber—und das war stets ein wichtiger Einwand gegen die Kritiker—die gesammelten Daten wurden anonym gespeichert, ohne Rückschlüsse auf die analoge bürgerliche Identität eines Nutzers zu bieten.

Mit dieser Anonymität ist seit der Änderung der Datenschutzerklärung für Google-Nutzer allerdings nun Schluss. Denn wer sich nach dem 28. Juni ein neues Google-Konto zugelegt hat, hat die neuen Datenschutzbestimmungen akzeptiert. In diesem Fall kann man diesen aber auch jetzt noch über die Aktivitätseinstellungen widersprechen. Das geht tatsächlich mit wenigen Klicks: Einfach den Haken rausnehmen bei „Chrome-Browserverlauf und Daten Ihrer Nutzung von Websites und Apps erfassen, die Google-Dienste verwenden".

Lange Jahre war es für Google Ehrensache, deinen Namen zu schützen, ganz im Sinne von „Don't do evil". Personalisierte Werbung bedeutete immer auch anonymisierte Werbung. Das ändert sich nun. Google begründet den Schritt in einem Schreiben an ProPublica mit der „Smartphone Revolution". Man argumentiert, dass das alte Online-Anzeigensystem, eines der Hauptpfeiler von Googles Geschäftsmodell, in einer Zeit entworfen wurde, in der Nutzer nur über ein Gerät, nämlich den PC, das Internet benutzten. Mittlerweile ist es eine Vielzahl an mobilen Geräten, und die individuelle Identität des Nutzer ist für das Anzeigengeschäft wichtiger denn je—und auch wichtiger als eine IP.

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Über eine ähnlich umfassende Tracking-Technologie in Verbindung mit Klarnamen verfügen sonst nur soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter. Facebook hatte bereits 2010 flächendeckend seinen Like-Button im Netz verteilt, um Nutzerbewegungen zu tracken. 2014 kündigte Mark Zuckerberg schließlich an, dabei auch die Namen der User zu tracken. Machen kann man gegen diese Speicherung der Daten als Facebook-User nichts, allerdings lässt Facebook den Nutzer immerhin einstellen, ob er entsprechend „optimierte" Werbeanzeigen sehen möchte.

Google schließt mit der Änderung seiner Datenschutzerklärung nun also zu Facebook auf, hat bisher aber nicht ansatzweise so viel Gegenwind von Datenschützern, Nutzern und Medien bekommen wie Facebook.

Ob das so bleibt, wird sich zeigen. Denn wie Paul Ohm vom Center of Privacy and Technology Google in Bezug auf die aufgehobene Trennung zwischen Bewegungsprofil und Klarnamen auf den

Punkt bringt

: „Es gab eine Grenze zwischen permanenter Beobachtung und der Aufrechterhaltung eines winzigen Anscheins von Privatsphäre. Diese Grenze ist nun gefallen."

Update: In einer früheren Version des Text hieß es, dass Nutzer den Datenschutzänderungen widersprechen mussten, damit diese nicht wirksam wurden. Tatsächlich hatte Google aber erst für Konten, die nach dem 28. Juni eröffnet wurde, die Funktion automatisch aktiviert. Ältere Nutzer erhielten stattdessen eine Benachrichtigung über die Aktualisierung, diese musste aber manuell aktiviert werden.