Das Rätsel um die sogenannte „Alien-Architektur“ ist noch rätselhafter geworden

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Das Rätsel um die sogenannte „Alien-Architektur“ ist noch rätselhafter geworden

Das mit KIC 8462852 etwas nicht stimmt, wissen wir bereits seit einigen Monaten. Nun haben Forscher weitere unerklärliche Phänomene am „mysteriösesten Stern des Universums“ entdeckt.

KIC 8462852 hat innerhalb von vier Jahren massiv an Strahlungskraft eingebüßt. Diese Erkenntnis über den Stern, der seit zehn Monaten weltweit Astrophysiker und Alien-Gläubige gleichermaßen in Atem hält, bildet das Fundament eines am Freitag veröffentlichten Papers von Benjamin Montet und Joshua Simon.

Die beiden Astronomen vom Carnegie Institute befeuern damit erneut die Debatte um den 1.480 Lichtjahre von uns entfernten Stern, dessen unregelmäßiges Flackern sich manch einer durch die Existenz einer von Außerirdischen errichteten Mega-Struktur erklären wollte, welche die Strahlung des Sterns angeblich bisweilen abschwäche.

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Auch wenn die meisten Wissenschaftler sich damals beeilten, diese abstruse Theorie mit einem gequälten Lächeln wieder abzutun, so fand KIC 8462852 als Stern mit der angeblichen „Alien-Architektur" schnell Einzug in Foren-Diskussionen und Online-Rätselei. Tatsächlich konnte bisher noch kein Forscher Licht ins Dunkel der Lichtverdunklung bringen, obwohl seit der Entdeckung auch viele seriöse Astronomen versuchen, dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Der Ausspruch von Tabitha Boyaijan, Astronomin an der Yale University und Herausgeberin eines der ersten Papers über KIC 8462852 (auch „Tabbys Stern" genannt), gilt also nach wie vor: „So etwas wie diesen Stern haben wir noch nie gesehen."

Wie Montet und Simon nun mit Hilfe einer photometrischen Analyse der Bilder des Weltraum-Teleskops Kepler herausfanden, verlor Tabbys Stern über einen Zeitraum von vier Jahren insgesamt drei Prozent seines Strahlungsflusses—ein laut den Forschern enormer und unerklärbarer Prozess, den sie bei keinem von über 500 weiteren untersuchten Sternen in der Nachbarschaft von KIC 8462852 entdecken konnten. „Wir haben viel Zeit damit verbracht, uns davon zu überzeugen, dass [unsere Entdeckung] nicht echt ist. Aber wir schafften es nicht", so Montet gegenüber Gizmodo.

Eine ähnliche Beobachtung hatte Anfang des Jahres Astrophysiker Bradley Schaefer nach der Analyse von über 1.200 historischen Fotoplatten des Harvard-Observatoriums gemacht. Anhand des Archivs konnte er die Entwicklung des mysteriösen Sterns bis zum Jahr 1890 zurückverfolgen. Schaefer zeigte als erster nicht nur—wie vorher bereits bekannt— das Auftreten von extremen kurzfristige Lichtfluktuationen bei dem Stern, sondern auch, dass sich die empfangbaren Lichtsignale über einen langen Zeitraum erstaunlich stark abschwächen.

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Die von Schaefer ermittelte Lichtkurve wies auf eine kontinuierliche Abdunklung oder Verdunklung des Sterns hin. Seine Auswertungen waren allerdings kurze Zeit später von anderen Forschern angegriffen worden, da sie angeblich auf „fehlerhaften Daten" basieren.

Montet und Simon haben nun ebenfalls eine kontinuierliche Verdunklung des Sterns nachgewiesen und damit die Tendenz von Schaefers Beobachtung bestätigt, auch wenn sich beide Untersuchungsmethoden deutlich voneinander unterscheiden: Während Schaefer den Zeitraum von 1890 bis Ende der 1980er untersuchte, konzentrierten sich Montet und Simon lediglich auf die Aufnahmen aus vier Jahren Kepler-Beobachtungen. Während bei beiden Untersuchungsmethoden temporäre Helligkeitsveränderungen von bis zu 20 Prozent ausgemacht werden konnten (das, was Forscher als „Flackern" beschrieben), bedeutete erst die nun durchgeführte fotosymmetrische Analyse der Kepler-Aufnahmen (die verglichen mit den von Schaefer untersuchten Fotoplatten wesentlich präziser ist) den sicheren Beweis einer kontinuierlichen Reduktion der Strahlungsleistung. Besonders bemerkenswert ist, dass Montet und Simon bei der Betrachtung eines Zeitraums von vier Jahren eine mehr als doppelt so hohe Strahlungsreduktion nachweisen konnte, wie Schaefer sie für ein ganzes Jahrhundert gemessen hatte.

Neben Schaefer, Montet und Simon beschäftigt sich auch Tabitha Boyaijan nach wie vor mit dem unerklärbaren Verhalten des Sterns. Als Mitarbeiterin des Projekts Planet Hunters, einer Initative der Yale University im Bereich der sogenannten Citizen Science, in deren Rahmen wissenschaftliche Laien an einem wissenschaftlichen Projekt mitarbeiten, betreute sie die menschliche Analyse von Bildern des Kepler-Weltraumteleskops. Mit diesem sucht die NASA seit 2009 in erster Linie nach sogenannten Exoplanten, allerdings gaben die aufgenommen Bilder auch Aufschluss über die Existenz und das Verhalten von KIC 8462852, den Boyaijan als „mysteriösesten Stern des Universums" bezeichnet. Insgesamt 300.000 teilnehmende „Planet Hunters" haben sich bereits die Kepler-Bilder angesehen und dabei mittlerweile dutzende Planeten entdeckt, die der Computeralgorithmus übersehen hatte.

Im Mai dieses Jahres startete Boyaijan schließlich eine

Kickstarter-Kampagne

, um genügend finanzielle Mittel zu sammeln, um KIC 8462852 weiterhin beobachten zu können. Nachdem sich das Kepler-Weltraumteleskop mittlerweile anderen Gegenden des Weltraums widmet, soll das private Non-Profit-Teleskop-Netzwerk Las Cumbres weitere Indizien rund um die Verdunklung von Tabbys Stern zusammentragen. Die für eine einjährige Beobachtung benötigten 100.000 US-Dollar hat die Crowdfunding-Kampagne längst zusammen. Und die werden für die weitere Erforschung von KIC 8462852 auch dringend benötigt, denn wie Montet und Joshua Simon schreiben, kann noch immer „kein bekanntes oder vorgeschlagenes stellares Phänomen vollständig alle Details der Lichtkurve erklären".