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Wikileaks geht mit einem geschmacklosen Clinton-Tweet zu weit

Wikileaks verwandelt sich von einer Whistleblower-Plattform immer mehr zur Propagandaschleuder für Donald Trump.

Als sich in den USA am Sonntag zum 15. Mal die Anschläge vom 11. September 2001 jährten, sollte der Präsidentschaftswahlkampf zumindest für einen Tag in den Hintergrund rücken. Sowohl Hillary Clinton als auch Donald Trump waren zwar bei den offiziellen Gedenkveranstaltungen in New York anwesend, hielten sich angesichts des traurigen Anlasses aber mit politischen Angriffen zurück.

Dennoch sorgte der Termin weniger als zwei Monate vor den Wahlen zum US-Präsidenten für Diskussionen: Nachdem im Netz Bilder auftauchten, die zeigten, wie Hillary Clinton einen Schwächeanfall erlitt und anschließend in einem schwarzen Van vorzeitig von der Gedenkfeier abtransportiert wurde, begannen diverse Medien, Clintons Gesundheitszustand zu thematisieren.

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Auch die Whistleblower-Plattform Wikileaks, die seit Wochen immer wieder mit teilweise rabiater Kritik an der Präsidenschaftskandidatin auffällt, motivierte das, sich auf Twitter zu dem Vorfall zu äußern—und zwar mit einem spekulativen Post, der deutlich unter die Gürteillinie ging: In einer Umfrage ließ man darüber abstimmen, was den Schwächeanfall von Clinton verursacht haben könnte. Zur Auswahl standen vier Antwortmöglichkeiten: „Allergien & Persönlichkeit", „Parkinson", „Multiple Sklerose" oder „Komplikationen nach einer Kopfverletzung".

Deleted now but what a dreadful little man pic.twitter.com/IZeW7KoeE3
— Graeme Demianyk (@GraemeDemianyk) 11. September 2016

Warum ausgerechnet die Follower von Wikileaks zu einer fundierten Erklärung für die Ursache der kurzen, verwackelten Netzbilder gelangen sollen, bleibt dabei völlig unklar.

Auch die vorgebenen Antwortmöglichkeiten stützen sich keineswegs auf medizinisch bestätigte Fakten, sondern beziehen sich vor allem auf Gerüchte, die von Verschwörungstheoretikern und Unterstützern aus dem Trump-Lager lanciert worden waren. Auch Trump selbst nutzte erst kürzlich einen Hustenanfall von Clinton, um in einer Rede Zweifel an ihrer Gesundheit zu säen.

We removed our earlier poll on what people perceive are the reasons for Clinton's medical issues as the possibilities are too speculative.
— WikiLeaks (@wikileaks) 11. September 2016

Wikileaks hat die Twitter-Umfrage inzwischen gelöscht. Als Grund gab man an, dass die Möglichkeiten schlicht zu spekulativ seien—die Geschmacklosigkeit der Umfrage war dagegen scheinbar kein Problem.

Die Whistleblower-Plattform Wikileaks manövriert sich schon seit geraumer Zeit mit fragwürdigen Aktionen zunehmend ins Abseits: So gelangten durch unzureichend redigierte Leaks private Daten von Vergewaltigungsopfern an die Öffentlichkeit, während antisemitische und sexistische Untertöne in Tweets selbst langjährige, flammende Unterstützer wie Edward Snowden vergrätzten.

Wie Wikileaks sich gerade vor unseren Augen ins Abseits manövriert

Die Bilder von Sonntagmittag sorgten unabhängig von dem Wikileaks-Tweet dafür, dass die Debatte um Clintons Gesundheit in der breiten Öffentlichkeit ankam. Clintons Wahlkampfteam erklärte kurz nach dem Vorfall, dass die Hitze der Grund für ihr Unwohlsein gewesen sein soll. Tatsächlich herrschte in den vergangenen Tagen sommerliche Hitze an der US-Ostküste; ausgerechnet am Sonntag waren die Temperaturen in New York jedoch spätsommerlich kühl. Später erklärte eine Ärztin, dass bei Clinton bereits Freitag eine Lungenentzündung festgestellt worden sei und dass ihr am Sonntag in New York Hitze und Dehydrierung zugesetzt hätten. Dass diese medizinische Information erst so spät öffentlich wurde, dürfte nicht gerade dazu beigetragen haben, die Debatte im Zaum zu halten.

Sowohl Trump als auch Clinton machten in den vergangenen Wochen einige Informationen aus ihren Gesundheitsakten öffentlich. Das Vorgehen hat Tradition im Präsidentschaftswahlkampf und soll die Eignung der Kandidaten untermauern—zu unbegründeten Spekulationen über schwere Erkrankungen wie Parkinson oder MS, wie sie Wikileaks und Verschwörungstheoretiker online befeuern, sollte die Transparenz der Kandidaten aber nicht führen. Folge Motherboard auf Facebook, Instagram und Snapchat.