​Die geheime Kunstsammlung der CIA
Einige von Johanna Barrons Rekonstruktionen der geheimen CIA-Gemälde, die aktuell als Teil der Ausstellung „Chasing Justice“ im Contemporary Jewish Museum zu sehen sind. Foto: Johnna Arnold

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​Die geheime Kunstsammlung der CIA

Im hauseigenen Museum der CIA hängen diverse Gemälde aus der Ära des abstrakten Expressionismus. Künstlerin Johanna Barron bekam keinen Zugang zu den Werken, schaffte es aber einige von ihnen zu rekonstruieren.

Die US-amerikanische Central Intelligence Agency (CIA) hat in ihrem hauseigenen Museum, welches natürlich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist, allerhand Memorabilien aus den letzten sieben Jahrzehnten Geheimdienstaktivität ausgestellt.

Neben ehemaligen Dienstabzeichen, Waffen, Spionagekameras und der AK-47 von Osama Bin Laden hängen hier auch 29 Bilder aus der sogenannten Melzac Kollektion an der Wand.

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Vincent Melzac war ein jüdischer Geschäftsmann, Republikaner, Züchter arabischer Pferderassen und Kunstsammler, der unter anderem eine der weltweit größten Kollektionen von Kunstwerken aus der Epoche der Washington Color School sein Eigen nannte. Er lieh der CIA in den 1970ern die besagten Bilder zunächst und schenkte sie dem Geheimdienst schließlich in den 1980ern.

Gesehen haben sie bisher vor allem Angestellte der CIA selbst. Dem Otto-Normal-Verbraucher bleibt der Zugang zu den abstrakten Gemälden mit Ausnahme von speziellen Führungen in der Regel verwehrt.

Die US-Künstlerin Johanna Barron will das nicht akzeptieren. Über den Freedom of Information Act (FOIA)—ein US-Gesetz, welches den Zugang zu Dokumenten staatlicher Behörden garantieren soll—hat sie in den vergangenen Jahren mehrmals versucht, Zugang zu den Bildern zu bekommen. Vergeblich.

Unermüdlich sucht sie seitdem in Sekundärquellen nach Anhaltspunkten zu den Werken. Ein einziges von ihnen ist mit Namen des Autors und Titel auf der Website der CIA gelistet ist: Gene Davis' „Black Rhythm."

Johanna Barrons Rekonstruktion von Gene Davis' „Black Rhythm" (2015)

Zwei weitere enthüllt eine Aufnahme der US-amerikanischen Fotografin Taryn Simon. Dieses Foto war es auch, was Barron im Jahr 2008 erst auf die geheime Kunstsammlung des CIA aufmerksam gemacht hatte. Es zeigt zwei Werke des US-Malers Thomas Downing in den CIA-Räumlichkeiten in Langley.

Obwohl die CIA Barron niemals persönlich Zugang zu den Originalkunstwerken gewährt hat, konnte die Künstlerin aus Portland im Laufe der Jahre durch mehrere FOIA-Anfragen und die Korrespondenz mit dem Geheimdienst so viele Sekundärquellen über die Bilder in Erfahrung bringen, dass sie die abstrakten Gemälde nun auf der Basis ihrer unvollständigen Informationen rekonstruiert hat.

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Johanna Barrons Rekonstruktion von Thomas Downings „Fold II" (2015)

Aktuell sind zehn dieser Rekonstruktionen, deren Maßstab und Material sich von den Originalen unterscheiden, in der Ausstellung Chasing Justice im Contemporary Jewish Museum in San Francisco zu sehen.

Teil der Ausstellung, die laut Pressemitteilung das jüdische Motiv des Strebens nach Gerechtigkeit mit dem Anti-Überwachungs-Aktivismus jüdischer Künstler verbindet, sind neben Barrons Kopien der Kunstsammlung auch Orginaldokumente aus ihrer Korrespondenz mit der CIA: Ablehnungsbescheide, Revisionen, geschwärzte Dossiers, Briefe, Faxe und weiterer Schriftverkehr.

„Angesichts der aktuellen politischen Debatten um High-Tech-Überwachung, von der NSA bis zu iPhone-Videos von Polizeiaktionen, erkundet diese Ausstellung die Überwachung seitens der Regierung und ihre Macht—in der Vergangenheit gleichmaßen wie in der Gegenwart", erklärt Kurator Renny Pritikin.

Johanna Barrons Rekonstruktionen der geheimen CIA-Gemälde in den Räumlichkeiten des Contemporary Jewish Museum mit den Originaldokumenten aus Barrons Korrespondenz mit der CIA im Glaskaten in der Mitte des Raums. Beide Bilder: Johnna Arnold.

Dass die CIA zu Zeiten des Kalten Kriegs, unter anderem auch abstrakte Kunst als strategische Waffe einsetzte, gilt heute als offenes Geheimnis. Unter dem Codenamen „long leash" förderte die CIA-Abteilung Propaganda Assets Inventory gezielt US-amerikanische Vertreter des Abstrakten Expressionismus (ohne deren Wissen), um mit einer speziell amerikanischen Ästhetik ein Gegengewicht zur angeblich von kommunistischer Ideologie infiltrierten sowjetischen Kunst zu schaffen, welche die USA stets als kulturlos darstellte.

Und während Barron mit ihrem fortlaufenden Projekt Acres of Walls weiterhin Werke der geheimen CIA-Kollektion rekonstruieren wird, sieht sie ihr Schaffen nicht nur als Hommage an die Künstler, sondern auch als wichtigen Kampf gegen die „mangelnde Transparenz" ihrer Regierung: „Es war frustrierend, so viele Ablehnungen zu bekommen. In diesem Fall fühlte sich der FOIA wie ein semantisches Puzzle an, so als würde ich immer mehr Informationen bekommen können, je optimierter meine Anfragen wären. Es gab bereits viele Bestrebungen, den FOIA zu reformieren und dieses Projekt beweist, wie notwendig [eine Reform] ist."

Zu den von Johanna Barron rekonstruierten Kunstwerken aus der Melzac Kollektion des CIA zählen im Einzelnen Alma Thomas' „Mars Reflection", Thomas Downings „Center Grid", „Fold II" und „Rudder", Norman Bluhms „Inside Orange" und „French-75", Gene Davis' „Black Rhythm", Howard Mehrings „Orange", Morris Louis' „Gamma" sowie ein Werk von Kenneth Noland mit unbekanntem Titel.